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Lammert erhält Leo-Baeck-Preis

Der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert ist mit dem Leo-Baeck-Preis geehrt worden. Der Zentralrat der Juden in Deutschland würdigte den Unions-Politiker für sein Engagement gegen den Antisemitismus und für die Demokratie.
Lammert sieht die Wiederherstellung jüdischen Lebens in Deutschland und die Gründung des Staates Israel als ein Wunder

BERLIN (inn) – Der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert (CDU), hat am Donnerstag in Berlin den Leo-Baeck-Preis erhalten. Mit der Auszeichnung ehrt der Zentralrat der Juden in Deutschland Lammert für sein Engagement gegen den Antisemitismus und für die Demokratie. Der Preis soll an den Rabbiner Leo Baeck (1873–1956) erinnern, der als Überlebender der Scho’ah für den Dialog zwischen Juden und Christen eingetreten war. Er wird seit 1957 an Persönlichkeiten verliehen, die sich in besonderer Weise für die jüdische Gemeinschaft einsetzen.

In seiner Laudatio würdigte der Schriftsteller und Orientalist Navid Kerami den Unionspolitiker für dessen Engagement um das freie Mandat der Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Kerami betonte bei der Veranstaltung im Jüdischen Museum Lammerts politische Bezugnahme auf den Kreisauer Kreis. Der Kreisauer Kreis war in der Zeit des Nationalsozialismus eine bürgerliche Widerstandsgruppe, die sich mit Plänen zur politisch-gesellschaftlichen Neuordnung nach dem angenommenen Zusammenbruch des Nazi-Regimes beschäftigte.

Einsatz für Demokratie

„Sein Eintreten für die Freiheit des Gewissens und die Autonomie des Parlaments, sein Zorn über Absprachen im Hinterzimmer und die Verlagerung der politischen Auseinandersetzung in die Talkshows, sein christliches Politikverständnis und das besondere Engagement für die Ökumene, bei allem Patriotismus die Einsicht in die Gefahr des Nationalismus, und die Leidenschaft, mit der er für ein vereintes Europa wirbt, aber auch seine Mahnung, dass die Brüsseler Beschlüsse demokratisch legitimiert sein müssen durch ein Parlament, schließlich die Westbindung und die Versöhnung mit Polen – all das sind Kontinuitäten im politischen Leben Lammerts, die er selbst auf die Diskussionen und Programme des Kreisauer Kreises zurückgeführt hat“, sagte Kerami.

Lammert verdanke sein Misstrauen gegen jede Art des Autoritarismus dem Kreisauer Kreis. Er stehe wie sein Vorgänger, der frühere Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier, dafür, dass ein „doppeltes Erbe von Widerstand und Scham“ in Deutschland „von Anfang an auch von Christdemokraten vertreten und heute vom gesamten Parlament anerkannt“ werde – mit Ausnahme einer Partei im 19. Bundestag „am rechten Rand“, die „mit der bundesdeutschen Erinnerungskultur nichts zu tun haben will“, sagte Kerami mit Blick auf die AfD. Kerami würdigte in seiner Laudatio auch die Souveränität und den Humor, mit dem Lammert das Amt des Bundestagspräsidenten bekleidet hatte.

Lammert: Jüdisches Leben in Deutschland ist Grund zur Dankbarkeit

In seiner Dankesrede würdigte Lammert das jüdische Leben in Deutschland: „Das, was sich in den Jahrzehnten nach der entsetzlichsten Periode der deutschen Geschichte in der zweiten deutschen Demokratie entwickelt hat, ist auch und gerade mit Blick auf die Wiederherstellung jüdischen Lebens in Deutschland eine der im wörtlichen wie im übertragenen Sinne wundersamsten Erfahrungen in der Geschichte der Menschheit.“

Dies gelte auch für den neuen Staat Israel. Die heutigen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel seien „gemessen an der entsetzlichen Vergangenheit, die Deutsche und Juden immer miteinander verbinden wird, beinahe wie ein Wunder der Geschichte“. Zwischen den Ländern habe sich eine Freundschaft entwickelt, auf die niemand ernsthaft hätte hoffen können.

Kampf gegen das Vergessen

Die Erinnerung an die Scho’ah müsse in Deutschland notwendigerweise sorgfältiger und gründlicher betrieben werden als in jedem anderen Land der Welt, mahnte Lammert. In seiner Rede ging der 69-Jährige auch auf den steigenden Antisemitismus in Deutschland ein. Eine Umfrage aus dem Dezember 2017 zeige, dass mehr als Zwei Drittel der befragten Deutschen den Eindruck hätten, dass Antisemitismus in den vergangen Jahren zugenommen habe. Durchschnittlich fänden jeden Tag zwei Delikte mit antisemitischen Motiven in Deutschland statt. Mehr als 90 Prozent der erfassten Straftaten würden von deutschen Rechtsextremen begangen.

Alle staatlichen Autoritäten würden sich dem entschieden entgegenstellen, betonte Lammert. „Statistisch fallen weder die Muslime im Allgemeinen noch Flüchtlinge im Besonderen ins Gewicht“, sagte Lammert. Mit Blick auf die Flüchtlinge sagte Lammert: „Wer nach Deutschland kommt, wandert ins Grundgesetz ein, mit allen den dort niedergelegten Rechtsansprüchen und Verpflichtungen. […] Wer in Deutschland lebt, wer hier bleiben will, muss das Existenzrecht Israels anerkennen. Antisemiten können in diese Gesellschaft nicht integriert werden.“

Schuster empfiehlt Gedenkstättenbesuche

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, würdigte Lammerts „jahrzehntelanges Engagement für die Demokratie“, seine „eindrücklichen Worte bei den Festakten des Bundestags am Holocaust-Gedenktag und für sein glaubwürdiges Eintreten für die deutsch-israelische Freundschaft“. In seiner Rede vor der Knesset 2015 habe Lammert seine Dankbarkeit über jüdisches Leben zum Ausdruck gebracht. Schuster zitierte aus der Rede Lammerts: „Dies ist die schönste Vertrauenserklärung, die es für die zweite deutsche Demokratie gibt.“ In seiner Rede appellierte Schuster an Minister der Länder, Gedenkstättenbesuche in den Lehrplänen der Schulen zu verankern.

Von: Norbert Schäfer

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