Die kostenlose iPhone-App nennt sich „EyeMusic“. Sie wurde von Neurowissenschaftler Amir Amedi und seinen Mitarbeitern an der Hebräischen Universität Jerusalem entwickelt. „EyeMusic“ ist der Nachfolger eines bereits 1992 entwickelten Systems, das Bilder in Tonsequenzen umwandelt (Israelnetz berichtete). Das neue System ermöglicht nicht nur Blinden das Sehen, es stellt auch die Annahme der Neurologen, wie das Gehirn aufgebaut ist, in Frage.
Der niederländische Ingenieur Peter Meijer entwickelte 1992 „vIOCe“, einen Algorithmus, der einfache Graustufenbilder scannt und die Formen in Geräusche umwandelt. Beispielsweise wird eine, sich von unten nach oben erstreckende, diagonale Linie in eine Serie von aufsteigenden Tönen umgewandelt. Mit mehr und mehr Bildern kann der Blinde lernen, sein Umfeld mit dem Gehör wahrzunehmen.
2007 begannen der Neurowissenschaftler Amir Amedi und seine Mitarbeiter, Übungen mit Blindgeborenen durch das System „vOICe“ durchzuführen und ihnen dadurch das „Sehen“ zu lehren. Schon nach 70 Stunden Schulung konnten die Probanden nicht nur Punkte und Linien „sehen“, sogar ganze Bilder wie Gesichter und Straßen wurden ihnen „ersichtlich“.
Der neue, von Amedi und seinem Team entwickelte, Algorithmus produziert angenehmere Töne als sein Vorgänger und stellt Farbinformationen bereit. Der Blinde kann unter anderem damit erkennen, welche Gesichtszüge und Haarfarbe sein Gegenüber hat. Durch eine am Kopf montierte und mit einem Computer und Kopfhörern verbundene Kamera kann der Blinde sein Umfeld wahrnehmen. Mit jedem Schritt wird ein neues Kamerabild erzeugt und in Geräusche umgewandelt.
Amir Amedi teilte dem Online-Magazin „ScienceMag“ mit, dass das traditionelle Modell des Sensoren-gesteuerten Gehirns diese Aktivität nicht erklären kann. Über Jahrzehnte sei bekannt gewesen, dass sich die visuelle Kortex nicht normal entwickele und keine Fähigkeiten ausbilde, wenn sie keine visuellen Informationen erhalte. Die Untersuchungen zeigten dem Forscherteam jedoch, dass diese Hirnregion trotz langer Inaktivität in der Lage ist, ähnlich wie bei Sehenden zu arbeiten. Neurologin Ella Striem-Amit von der Harvard Universität sagte laut dem Online-Magazin, es sei Zeit für eine Aktualisierung des Gehirn-Modells.