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Korrupt und skandalträchtig

„Die Steuerbehörde im Knast“, titelte die Boulevardzeitung „Jediot Aharonot“ als Neujahrsnachricht an die Bürger Israels, für die es vor allem ein neues Steuerjahr ist, weil Juden und Muslime und damit die Mehrheit der Israelis einen anderen Kalender haben. Jacky Matza, der Leiter der Steuerbehörde, und sein Vorgänger Eitan Rub, sowie die Leiterin des Büros des Premierministers, Schula Saken, erhielten genauso eine polizeiliche Vorladung, wie elf weitere Verdächtige. Matza und Rub wurden gleich von der Polizei festgenommen und nach einigen Tagen in den Hausarrest entlassen. Die mögliche Verwicklung Sakens in einen Korruptionsskandal ist die schlimmste Krise, die das Büro des Premierministers bislang erlebt hat.

Zehn Monate geheime Ermittlungen, an denen bis zu 140 Polizeibeamte beteiligt waren, gingen der Eröffnung des Skandals voran. Den Verdächtigten wird vorgeworfen, unrechtmäßig prominente Posten vergeben und Geschäftsleuten Steuerermäßigungen verschafft zu haben. In einem Fall soll eine Steuerschuld von sechs Millionen auf 250.000 Schekel reduziert worden sein. Schula Saken, die seit 1974 das Büro von Ehud Olmert leitet, wurde monatelang von der Polizei abgehört und erhielt als erste Maßnahme zehn Tage Hausarrest. Außerdem wurde ihr für zwei Wochen jeder Kontakt mit dem Regierungschef untersagt. Die Wohnungen von insgesamt 22, teilweise hoch gestellten Personen wurden durchsucht. Bei einer ersten Konfrontation der Verhafteten mit dem sichergestellten Beweismaterial sollen sie sich gleich in Widersprüche verheddert haben.

Das „Erdbeben“ in den ersten Januartagen 2007 erschütterte nicht nur die Bevölkerung, sondern vor allem auch die Mitarbeiter der Finanzbehörde. Finanzminister Avraham Hirschson mahnte zur Besonnenheit und bat seine Mitarbeiter, Ruhe zu bewahren und die Arbeit wie gewohnt fortzusetzen. Er setzte nach einigen Tagen den scheidenden Generaldirektor des Finanzministeriums, Dr. Josef Bachar, als zeitweiligen Leiter der Steuerbehörde ein. Der wiegelte ganz im Sinne seines Chefs ab und verlieh der Hoffnung Ausdruck, die Leitung der Steuerbehörde „bald wieder an Jacky Matza zurückgeben zu können“. Bachar glaubt fest an die Unschuld des obersten Steuereinziehers in Israel. Doch gleichzeitig wurde bekannt, dass auch Jigal Sa´ar, Vertreter der israelischen Steuerbehörde in den USA, bei seiner Ankunft auf dem Ben-Gurion-Flughafen am 8. Januar festgenommen wurde.

Ein Ausfall der israelischen Steuerbehörde kann nicht nur die Arbeit der Regierung unmöglich machen, sondern zöge auch immensen wirtschaftlichen Schaden nach sich. Ausländische Investoren haben bereits Zweifel laut werden lassen, ob es sich unter solchen Umständen lohnt, in Israel zu investieren. So hat beispielsweise die Shamrock Holding um eine Klarstellung gebeten, bevor sie 30 Millionen Dollar in die MDS Eliran Computer-Fabrik investiert, was die Schaffung von 250 Arbeitsplätzen bedeuten würde. Dass das Kriegsjahr 2006 wirtschaftlich ein Erfolg ist, geht nicht zuletzt auf massive Investitionen aus dem Ausland zurück.

Grundsätzlich stellt sich im Rückblick auf das zurückliegende Skandaljahr die Frage, ob der jüdische Staat korrupter ist als andere vergleichbare Staaten, oder ob man in Israel nur schonungsloser bei Vorwürfen und Verdachtsmomenten selbst gegen hoch gestellte Persönlichkeiten vorgeht. Israel steht auf Platz 34 des weltweiten Korruptionsindexes, der von Johann Graf Lambsdorff von der Universität Passau erstellt wurde und 163 Staaten beurteilt. Deutschland steht auf Platz 16, die Tschechische Republik auf Platz 46, die Schweiz an siebter Stelle, Finnland, Island und Neuseeland auf Platz 1 und Haiti ist das Schlusslicht der Liste. Die Palästinensische Autonomiebehörde belegte im Jahr 2005 Platz 107 von 159 beurteilten Ländern. Im vergangenen Jahr wurde sie überhaupt nicht mehr eingestuft. In den Erklärungen zu dem Index wird ausdrücklich vermerkt: „Eine höhere Einstufung bedeutet weniger (festgestellte) Korruption.“

Die Skandale der vergangenen Monate zeigen aber auf alle Fälle, dass in der einzigen westlichen Demokratie des Nahen Ostens niemand über dem Gesetz steht. Auch ein Staatspräsident, ein Regierungschef, ein Justizminister oder der Chef der Steuerbehörde müssen sich verantworten, wenn sie „gegen das 11. Gebot verstoßen: Lass dich nicht erwischen“, meint ein Jurist spöttisch schmunzelnd. Auffällig ist freilich, dass die Vorwürfe immer dann verstärkt verfolgt werden, wenn jemand „in Amt und Ehren“ ist. Deshalb sind auch die Ermittler nicht über den Verdacht einer politisch motivierten Vorgehensweise erhaben.

Was Spekulation, böswillige Unterstellung oder berechtigter Verdacht ist, werden langwierige Gerichtsverfahren in den kommenden Monaten vielleicht zeigen. Klar ist allerdings jetzt schon: Die Verunsicherung der Bevölkerung ist immens. „Wo sind all die Vorbilder hin?“, fragt die englisch-sprachige „Jerusalem Post“ und beklagt, dass Politiker, Armee, das Beamtentum, das Rabbinat, die Welt des Sports und sogar die Polizei aller möglichen Vergehen verdächtigt werden. Ein Kommentator der hebräischen Tageszeitung „Ha´aretz“ bezeichnet die Steuerbehörde als „Allerheiligstes des öffentlichen Vertrauens“. „Die Bürger wollen die Gewissheit haben, dass der Staat sie fair melkt.“ Die Steuern in Israel gehören zu den höchsten weltweit.

Mittlerweile wird in den Medien diskutiert, ob auch Finanzminister Hirschson von der Polizei vernommen werden soll. Und im Blick auf den Regierungschef selbst meint ein alter Freund und Klient des studierten Rechtsanwalts: „Der ist korrupt bis auf die Knochen. Wir sind schon vor Jahren miteinander in den Fernen Osten geflogen – auf meine Kosten.“ Während seines Staatsbesuchs in China kursierten in den israelischen Medien Gerüchte, der Generalstaatsanwalt plane kriminelle Ermittlungen gegen Ehud Olmert, bei denen es unter anderem um die Privatisierung der Bank Le´umi, den Erwerb einer Templer-Villa in der Deutschen Kolonie in Jerusalem und Postenvergaben als Industrie- und Handelsminister unter Ariel Scharon geht.

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