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Kommentar: Terrorhysterie in Deutschland

KÖLN (inn) - Die Polizistenpärchen am Kölner Bahnhof sollen offenbar abschrecken. In schmucke Uniformen gekleidet, halten sie vor ihrem Bauch Maschinenpistolen. Die sehen jedoch aus, als seien sie aus Plastik, so neu und offenbar ungebraucht wirken sie. Ein Polizeisprecher erklärte in Berlin allen Ernstes, dass den Beamten "zu keinem Zeitpunkt Lebensgefahr gedroht" habe, als sie ein verdächtiges Päckchen mit elektrischen Drähten geöffnet hätten. Wie sollte ihnen denn Lebensgefahr gedroht haben, wenn das Päckchen keinen Sprengstoff enthielt?

Während einer Vortragstour durch Deutschland haben wir ein kleines Handköfferchen in den Zug gestellt. Da die Abfahrt erst in zehn Minuten geplant war, begaben wir uns noch schnell zu dem Raucherkarree auf dem Bahnsteig, in Sichtweite unseres Gepäckstücks, wenige Meter von der offenen Zugtür entfernt. Zwei Polizisten kamen vorbei und sahen das verwaiste suspekte Objekt. Aus Neugierde, um mal zu sehen, wie deutsche Beamte mit einem verdächtigen Objekt umgehen, ließen wir sie walten. Die beiden Uniformierten machten daraufhin jeden nur erdenklichen Fehler. Einer der beiden schlenderte in Richtung Zugführer. Der zweite Beamte positionierte sich breitbeinig neben meinen Koffer. Weder rief er laut, ob das „vergessene“ Gepäckstück jemandem gehöre, noch warnte er Reisende, Distanz zu halten. Wäre in meinem Köfferchen tatsächlich eine Bombe versteckt gewesen, hätte es den mutigen Polizisten als ersten getroffen.

„Inzwischen ist Terrorgefahr hier in Deutschland größer als in Israel“, schreibt ein junger Mann, der offenbar von deutschen Medienberichten über angeblich geplante Anschläge des weltweiten Terrornetzwerkes Al-Qaida beeindruckt ist.

In Israel ist die Angst vor Terroranschlägen bis heute allgegenwärtig. Zwar liegen die letzten Selbstmordanschläge schon zwei Jahre zurück, aber „vergessene“ Handtaschen oder Einkaufstüten bleiben nie lange liegen. Die geübten Feuerwerker sperren erst einmal den Straßenverkehr und befehlen per Lautsprecher den Passanten, sich in großer Distanz hinter Mauern oder Hauseingängen in Sicherheit zu bringen. Aus einem Lieferwagen kommt ein gelber wendiger Roboter mit Kamera und aufmontiertem Gewehr hervor. Ein gezielter Schuss zerfleddert die Tasche oder den Einkaufsbeutel. Ein Mann mit Helm und dicker Schutzkleidung läuft zu dem noch rauchenden suspekten Objekt. Nach wenigen Minuten wird der Straßenverkehr wieder freigegeben.

Rund um die Uhr gehen die Feuerwerker der israelischen Polizei jedem Notruf nach. Kaum ein Tag vergeht, an dem der Verkehrsfunk nicht über gesperrte Autobahnen und Durchgangsstraßen wegen „Bombenalarm“ vermeldet und Autofahrern empfiehlt, alternative Wege zu wählen. Gelegentlich melden Polizei oder der Militärsprecher, dass tatsächlich Rohrbomben, Handgranaten oder Sprengstoffpakete gefunden worden seien. Das ist Routine. Und dennoch fühlen sich die Israelis wieder relativ sicher, seitdem die akute Terrorgefahr und die Angst vor Selbstmordattentätern spürbar abgeflaut sind. Dank der instinktiven Aufmerksamkeit der ganzen Bevölkerung ist es heute fast unmöglich, irgendwo eine Aktentasche oder ein Paket stehen zu lassen. Bis heute sind Restaurants, Kneipen und Supermärkte verpflichtet, vor ihren Eingängen bewaffnete Sicherheitsleute mit elektronischen Metalldetektoren aufzustellen und die Taschen der Kunden zu durchsuchen. An Bahnhöfen und Einkaufszentren stehen zusätzlich jene piepsenden Tore, die man passieren muss, nachdem man Hausschlüssel, Handy, das Portemonnaie, Feuerzeug und die Zigarettenschachtel auf den Tisch des Sicherheitspersonals abgelegt hat. Diese Sicherheitskontrollen geschehen schnell und routiniert. Man gewöhnt sich daran und fühlt sich sicherer als im Kölner Bahnhof, wo die Männer mit ihren vorgehängten Maschinenpistolen wie martialisches Schmuckwerk aussehen und wohl keinen echten Terroristen abschrecken können.

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