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Kommentar: Syrische Patienten

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu soll weder sein Hemd noch seinen Anzug zerrissen haben. Selbst vom Ablegen der Krawatte lesen wir nichts. Anders reagierte einer seiner Vorvorgänger im Amt. Das schildert die Bibel in 2. Könige Kapitel 5. Der israelische König habe seine Kleider zerrissen, als ein Offizier aus Syrien über die Grenze gekommen war, um in Israel Heilung zu suchen.
Das Siv-Krankenhaus in Safed nimmt besonders viele verwundete Syrer auf.

Der König Israels, misstrauisch dem oft feindlich gesinnten Aram gegenüber, vermutete eine Kriegslist oder eine Provokation des Gegners aus Damaskus. Vielleicht könne sich ein Schein-Kranker als Spion nach Israel einschleichen, um das Land und die Lage an der Grenze auszukundschaften. Diese Bedenken zählten nicht. Der mit Aussatz geschlagene syrische Hauptmann Naaman durfte einreisen. Der Prophet Elisa war sein Fürsprecher, wobei er mit dem Kranken gar nicht direkt sprach. Ein Bote richtete aus: „Siebenmal im Jordan baden, dann ist der Aussatz weg. Du wirst gesund sein.“ Das war dem Hauptmann zu viel, also eigentlich zu wenig, vielleicht auch zu dumm: „Wasser zum Untertauchen gibt es auch in Damaskus.“

Hilfe im Feindesland

Dennoch vertraut Naaman dem prophetischen Rat und dem israelitischen Gesundheitswesen. Er wird geheilt und reist ohne Aussatz heim. Fertig. In den vergangenen Wochen und Monaten hat Israel das mehrmals erlebt: Kranke aus Syrien wurden an Israels Golangrenze gebracht, in der Hoffnung und mit der Bitte, dass ihnen im Feindesland geholfen werde. Inzwischen hat Israel nicht nur einen syrischen Hauptmann über die Grenze gelassen, sondern bereits an die Hundert Syrer. Wobei es nicht nur reguläre Soldaten der Regierungstruppen waren, sondern Verwundete verschiedener am Bürgerkrieg beteiligter Lager. Erste Fälle solch humanitärer Hilfe tauchten im Februar in den Medien auf. Die „Frankfurter Rundschau“ berichtete am 18. Februar: „Der Krieg in Syrien ist Israel erneut gefährlich nahe gerückt. Erstmals barg die israelische Armee sieben verwundete Syrer, die am Sonnabend am Grenzzaun auf den Golanhöhen entdeckt worden waren. Sie wurden nach der Erstversorgung in ein Krankenhaus nach Safed im israelischen Norden gebracht. Laut Auskunft von Chefarzt Oscar Embon handele es sich um einen Schwerverletzten, der noch auf der Intensivstation liege, sowie sechs weitere Schussverletzte. Die Patienten hätten zwar überrascht reagiert, sich in Israel wiederzufinden – immerhin ein Erzfeind Syriens –, seien aber nach seinem Eindruck dankbar für die ärztliche Behandlung. Die sieben Syrer würden so gut wie jeder andere auch versorgt.“
Einen konkreten Fall schilderte die Tageszeitung „Die Welt“ am 14. Juni unter dem Titel „Der syrische Patient“. Ein schwer Verwundeter war mit einem angehefteten Zettel durch UN-Vermittlung nach Israel gebracht worden. Die in Arabisch gehaltene Notiz beginnt mit einem freundlichen Gruß an den israelischen Doktor. „Der 28 Jahre alte Patient sei von einer Kugel in die Brust getroffen worden, hieß es weiter. Bei einer Notoperation habe man versucht, die Blutung der Leber zu stoppen. Allerdings sei es unmöglich gewesen, die Leber zu nähen. Darum habe man einen Druckverband angebracht … Doch nun müsste nach Meinung des syrischen Arztes die Wunde wieder geöffnet werden, um die Leber zu untersuchen und den Druckverband zu entfernen.“ Übrigens, auch Naaman war mit einem Begleitschreiben versehen nach Israel gekommen.

Wer ein Leben rettet

Aus den europäischen Kriegen des 20. Jahrhunderts gibt es Berichte, dass gelegentlich Ärzte im Felde ohne Ansehen der Herkunft auch Feinde medizinisch behandelten. Humanität inmitten mörderischer Schlachten. Doch Israel ist nicht im Kampf mit Syrien und es wird, von Scharmützeln abgesehen, auf dem Golan kein israelisch-syrischer Krieg geführt. Die Verwundeten stammen aus Syrien und sind dort im Bürgerkrieg angeschossen worden. Israel könnte sich zurückhalten und die Grenze dicht halten. Doch der jüdische Staat hilft. Es gehe immer um Ausnahmen, wird von israelischer Seite betont. Aber Einzelfälle sind es längst nicht mehr, die nach Safed und anderenorts transportiert wurden. Das ist eine durchaus schwierige Lage für Israel. Der Fund einer Handgranate bei einem der Verwundeten in der Notaufnahme hatte wohl keinen terroristischen Hintergrund, lässt aber die Brisanz der Lage erahnen. Nun gibt es bereits ein Feldlazarett im Grenzgebiet. Israel wird weiter helfen. Wie anders waren die Berichte, die 2007 aus Gaza kamen. Während der innerpalästinensischen Kämpfe zwischen Hamas und Fatah wurden Verwundete der Gegenseite nicht in die Krankenhäuser gelassen oder dort bis in die Stationen verfolgt und erschossen. Gefangene seien von Hochhäusern geworfen worden, berichtete die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ und notierte weitere Gräueltaten aus diesem Bruderkrieg. Kranke Palästinenser, Behinderte, Schwangere gehen dagegen gern nach Israel, suchen und erhalten dort Hilfe. Ein Bekannter in Israel sagte mir schon vor Jahren: „Die Palästinenser kommen in unsere Krankenhäuser, um hier ihre Kinder zur Welt zu bringen oder sich operieren zu lassen. Sie vertrauen uns ihr Leben an. Und sie wissen, dass wir ihnen unter Narkose und mit den schärfsten Messern in der Hand nur Gutes tun.“ Zugegeben: ärztliche Kunst kennt auch Fehler und Versagen – überall in der Welt und auch in Israel. Aber gerade in Israel mag neben dem hippokratischen Eid auch jene Weisheit aus dem Talmud Handlungsgrundlage sein: „Wer ein Menschenleben rettet, rettet die ganze Welt, denn jeder Mensch ist wie das ganze Universum.“

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