Da es stark nach Neuwahlen für das Parlament riecht, denken die bisherigen Koalitionspartner nicht nur an ein Arrangement innerhalb der Regierung unter Livni nach, sondern wollen sich nun auch gesamt-israelisch in der Bevölkerung so positionieren, dass sie die nächsten Wahlen überleben (und nicht in Luft auflösen, wie es der Greisenpartei droht) oder gar die Zahl ihrer Wähler erhöhen. Bei den vorigen Wahlen haben sowohl die Arbeitspartei wie der Likudblock stark geblutet, indem sich ihre eigenen Wähler der von Ariel Scharon gegründeten Kadima-Partei anschlossen.
Schon deutet sich an, dass die Chefs der Revisionisten wie der Sozialisten, Arbeitspartei und Likud an ein Bündnis denken. Gemeinsam könnten sie der Kadima-Partei mit Livni an der Spitze die Stirn bieten. Benjamin Netanjahu vom Likudblock und Ehud Barak von der Arbeitspartei streben an die Macht, auf Kosten der Kadima-Partei. Beide müssten Livni ausschalten, um sich selber behaupten zu können. Deren Idee einer „Notstandsregierung der nationalen Einheit“ kommt dem Versuch gleich, eine neue Koalition ohne Kadima und ohne Livni aufzustellen. Es würde reichen, Livni die Gefolgschaft zu verweigern. Automatisch gäbe es dann in etwa vier Monaten Neuwahlen.
Angesichts dieses Machtkampfes mit täglich wechselnden Interessen hängt viel vom Verhandlungsgeschick Livnis ab. Gewiss ist nur, dass Israel mit dem Rücktritt Olmerts eine längere Periode innenpolitischer Instabilität bevorsteht und dass Livni angesichts der heutigen Zusammensetzung des Parlaments eine Quadratur des Kreises meistern muss.