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Kommentar: Pilgerwege für Antisemiten

Eine Reisebroschüre der beiden großen Kirchen in Deutschland tut fromm, ist aber antisemitisch. Sie dämonisiert Israel und ignoriert biblische Bezüge zum Land. Von Wilfried Bullinger
Vermeintlich fromm: kirchliche Reisenotizen zum Heiligen Land
Die beiden großen Hilfswerke der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland, „Brot für die Welt“ und „Misereor“, haben es sich zur Aufgabe gemacht, Israelreisende über die völkerrechtliche Lage in Israel aufzuklären und für einen „fair gestalteten Tourismus“ zu gewinnen. Herausgekommen ist dabei eine vollfarbig gestaltete Broschüre mit dem frommen Titel „Kommt und seht!“, einem Bibelzitat aus dem Johannesevangelium (Johannes 1,39). Doch der fromme Schein trügt. Auf den folgenden fast 50 Seiten findet sich keine einzige weitere Bibelstelle, und schon gar keine zum Thema Israel. Die Broschüre hat nur ein Thema: Israel handelt völkerrechtswidrig und ist für die schlechte Lage der Menschen in den palästinensischen Autonomiegebieten verantwortlich.

Biblische Inhalte sind nicht relevant

Biblische Aussagen zum Anspruch Israels auf das biblische Land sucht man in der Broschüre vergebens. Bereits der Untertitel, „Orientierungen für einen fair gestalteten Tourismus in Israel und Palästina unter Berücksichtigung des Völkerrechts“, lässt erahnen, dass es den Autoren nicht um biblische Bezüge, sondern um die Darstellung des Nahostkonflikts als eines rein politischen Konfliktes geht. Obwohl die Bibel nur den Begriff „Eretz Israel“ – „Land Israel“ – kennt, wird versucht, diese Bezeichnung zu relativieren. Für das biblische Kernland Judäa und Samaria wird systematisch der Name „Palästina“ verwendet, ein Name, der vom römischen Kaiser und Judenhasser Hadrian 135 nach Christus eingeführt wurde, um die Erinnerung an das jüdische Volk auszulöschen. Dieser Name wird heutzutage bewusst eingesetzt, um den biblischen und historischen Anspruch des jüdischen Volkes auf das Land zu delegitimieren. Immer wieder werden in der Broschüre historische Fakten ignoriert, die nicht in das präsentierte Bild von den bösen Besatzern (Israelis) und den leidenden Besetzten (Palästinenser) passen. Zum Beispiel wird die Stadt Hebron zwar korrekt als „eine der ältesten kontinuierlich bewohnten Städte der Welt“ bezeichnet. Aber dass in Hebron seit über drei Jahrtausenden Juden wohnen, wird unterschlagen; ebenso dass die jüdische Präsenz in Hebron 1929 durch ein arabisches Massaker und anschließende Deportation durch die Briten ein grausames Ende fand. Erst 1968, nach dem Sechstagekrieg, konnten Juden wieder nach Hebron und teilweise in ihr Eigentum zurückkehren. Doch genau diese Juden werden in der Broschüre als israelische Siedler bezeichnet, die einen Großteil der palästinensischen Bevölkerung aus dem Stadtzentrum vertrieben hätten und nun in besetzten Häusern leben würden.

Sondermaß für Israel

Auf mehreren Seiten wird das Thema Völkerrecht abgehandelt. Bei diesem Aspekt zeigt sich klar die antisemitische Tendenz der Broschüre, ganz abgesehen davon, dass dabei falsche Informationen vermittelt werden. Falsch ist etwa die Behauptung, die palästinensische Führung habe Israel in den Grenzen von 1949 anerkannt. Wer auch immer mit „palästinensischer Führung“ gemeint sein soll, die Herren Arafat, Abbas oder Hanije sahen beziehungsweise sehen das anders. Auch die Charta der Palästinensischen Befreiungsorganistion (PLO), der PLO-Stufenplan und die Charta der radikal-islamischen Hamas sprechen eine andere Sprache. Ein klares Zeichen für Antisemitismus liegt vor, wenn bei vergleichbaren Umständen Juden beziehungsweise dem Staat Israel nicht dasselbe zugestanden wird, was gleichzeitig allen anderen Völkern und Staaten zugebilligt wird. Wenn ein Staat seinen Nachbarn angreift, wie Deutschland im Zweiten Weltkrieg Polen angriffen hat, und dabei eigenes Territorium verliert, hat er keinen Anspruch auf eine Herausgabe seines verlorenen Territoriums. Das ist anerkanntes Völkerrecht. Niemand redet von den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die von Polen oder Russland völkerrechtswidrig besetzt seien. Wenn Polen heute auf ehemals deutschem Gebiet Häuser bauen, dann ist dies eine Selbstverständlichkeit, niemand bezeichnet sie als „illegale polnische Siedler“ oder „polnische Besatzungsmacht“. Genauso wie Polen im Zweiten Weltkrieg wurde Israel im Sechstagekrieg von Jordanien angegriffen. Jordanien verlor dadurch das Westjordanland, das biblische Kernland von Judäa und Samaria, an Israel. Wenn nun für Juden der gleiche Maßstab gilt wie für alle anderen Völker der Welt, dann sind auch die jüdischen Siedlungen völkerrechtlich legal. Wer das Gegenteil behauptet, ist ein Antisemit, denn er spricht Juden, nur weil sie Juden sind, ein Recht ab, das er allen anderen Völkern zugesteht. Wenngleich von den moralisch bankrotten Vereinten Nationen diesbezüglich keine Gerechtigkeit erwartet werden kann, sollte man bei kirchlichen Organisationen etwas mehr Ehrlichkeit und Zurückhaltung erwarten können. Schließlich war der in Jerusalem errichtete Kreuzfahrerstaat „Königreich Jerusalem“ alles andere als völkerrechtskonform. Immer wieder wird in der Broschüre die von Israel während der Zweiten Intifada begonnene Trennungsanlage kritisiert, die Israel und die palästinensischen Autonomiegebiete trennt, weil diese die Bewegungsfreiheit der Palästinenser einschränkt. Dass die Trennungsanlage beziehungsweise Mauer inzwischen hunderte Leben auf israelischer Seite gerettet hat, wird nicht erwähnt. Im Jahr 2002, vor Errichtung der Trennungsanlage, wurden 457 Israelis durch Terroranschläge ermordet und Tausende verletzt. Die Zahl der jährlich getöteten Israelis ging daraufhin bis auf zehn im Jahr 2009 zurück. Die Gegner und Kritiker der Trennungsanlage sehen in der Bewegungsfreiheit der Palästinenser also ein höheres Gut als das Leben unzähliger Israelis. Sie berufen sich auf ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofes (IGH) zum Bau der Trennungsanlage aus dem Jahr 2004, in dem es wörtlich, ohne eine entsprechende Begründung, heißt: „Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass sich Israel nicht auf das Recht zur Selbstverteidigung berufen kann …“. Mit anderen Worten: Nur tote Juden sind gute Juden. Juden, die sich schützen und wehren, verstoßen gegen das Völkerrecht!

Fairer Tourismus im Heiligen Land?

Die Broschüre will Touristen, Kirchengemeinden und Reiseveranstalter motivieren, bei einer Israelreise auch die heiligen Stätten und Menschen in den palästinensischen Autonomiegebieten zu besuchen. Viele Pilger, so wird bedauert, wüssten oft nicht, ob sich eine heilige Stätte in Israel oder auf palästinensischem Gebiet befinde. Deshalb soll eine mitgelieferte Landkarte den zukünftigen Pilgern helfen, fein säuberlich zu unterscheiden, auf welchem Gebiet sich die besuchte Heilige Stätte befindet. Eine wesentliche Information bleibt die Broschüre jedoch schuldig: Die Tatsache, dass in Israel 20 Prozent arabische Bürger gleichberechtigt leben, während die palästinensischen Autonomiegebiete heute praktisch „judenrein“ sind. Der Staat Israel verbietet deshalb seinen Bürgern, die Autonomiegebiete, wie etwa Bethlehem, zu betreten. Sonst ist, wenn sie Juden sind, ihr Leben in höchster Gefahr. Zu viele jüdische Israelis wurden schon vom palästinensischen Mob gelyncht, nachdem sie versehentlich ins palästinensische Autonomiegebiet abgebogen sind. Ist das ein „fairer Tourismus“, bei dem alle willkommen sind, nur Juden nicht?

Auf dem Weg nach Bethlehem

„Ob Maria und Josef vor gut 2.000 Jahren wohl den Weg nach Bethlehem gefunden hätten, wenn es damals bereits um die 90 Checkpoints in der Region gegeben hätte?“ Mit dieser Frage beginnt die Pressemeldung von „Brot für die Welt“, in der die Broschüre im Dezember 2014 vorgestellt wurde. Meine Antwort lautet: „Ja, warum nicht?“ Aber würden Maria und Josef heute, wenn sie von Nazareth nach Bethlehem wandern, auch ankommen? Die bittere Wahrheit lautet „Nein“, denn sobald sie als Juden das palästinensische Autonomiegebiet betreten würden, würden sie im besten Fall auf der Reise erschossen, wahrscheinlicher aber mit Messern auf brutale Weise ermordet, denn die in der Broschüre hoch gelobte Gastfreundschaft auf palästinensischer Seite gilt leider nicht für Juden. Da kann man nur froh sein, dass Maria und Josef nicht in unserer Zeit nach Bethlehem müssen. In der Broschüre wird Israel mal subtil, mal direkt dämonisiert, delegitimiert und mit doppeltem Maß gemessen. Dass solcher Antisemitismus mit Spendengeldern von „Brot für die Welt“ und „Misereor“ sowie mit Kirchensteuermitteln finanziert wird, ist ein Skandal. Ich werde der Aufforderung, nicht nur Israel, sondern auch die palästinensischen Gebiete zu besuchen, erst dann nachkommen, wenn ich das in Begleitung jüdischer Freunde machen kann, ohne dass diese dabei ermordet werden, nur weil sie Juden sind. (inn) Wilfried Bullinger leitet das christliche Israelwerk „Feigenbaum“ in Korntal bei Stuttgart. Der Kommentar ist zuerst in der Zeitschrift „Seht den Feigenbaum“ Nummer 316/2015 erschienen.

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