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Kommentar: Israels Mammutregierung

"Das Gruppenbild der neuen Netanjahu-Regierung mit Staatspräsident Peres wird ins große Teddy-Kollek-Fußballstadion verlegt werden müssen, damit alle Minister aufs Bild passen." So mokiert sich der angesehene Kommentator Ahron Barnea über die vom designierten Premierminister Benjamin Netanjahu anvisierte Mammutregierung mit ungefähr 30 Ministern mit und ohne Amtsbereich, Vizeministerpräsidenten, parlamentarischen Staatssekretären und stellvertretenden Ministern. Ein Kommentar von Ulrich W. Sahm.

Schreiner basteln schon an einem Katzentisch in der Mitte der wie eine Menorah (siebenarmiger Leuchter) angeordneten Tische im Plenarsaal des Parlaments. Es ist Montagnachmittag. Und immer noch drängeln sich frustrierte Abgeordnete der Likud-Partei Netanjahus und belustigte Journalisten vor der seit Stunden verschlossenen Tür des Wahlsiegers. Am heutigen Dienstagnachmittag will Netanjahu seine Regierung vorstellen. Die besten Posten sind schon an die kleinen bis winzigen Koalitionspartner vergeben, darunter das Außenressort an Avigdor Lieberman. Neuer Verteidigungsminister wird der alte Verteidigungsminister Ehud Barak von der Arbeitspartei. Für die eigentlichen Getreuen Netanjahus bleiben nur noch jene Posten übrig, die normalerweise als Krümelchen an verdiente Politiker verteilt werden und für die es sonst keine vernünftige Verwendung gibt.

Viele Likud-Abgeordnete sollen Minister ohne Amtsbereich werden, wobei noch unentschieden ist, für welche Bereiche sie dann verantwortlich sein könnten. Einige werden stellvertretende Minister, um wenigstens in den Genuss einer Limousine mit Fahrer, Sekretärin und eigenem Büro zu kommen.

Hier die Namen jener Damen und Herren zu nennen, die etwa das gesplittete Telekommunikationsministerium verwalten sollen, dürfte überflüssig sein- wobei einer sich um Internet und Telefone kümmern soll, während der Andere die bankrotte öffentlich-rechtliche Fernseh- und Radioanstalt verwalten soll. Selbst die Israelis werden sich erst noch an die weitgehend unbekannten Namen und Gesichter gewöhnen müssen.

Wohlbekannte Figuren wie Benni Begin, Sohn des „großen“ Premierministers Menachem Begin, gestalten sich wie tragische Figuren im griechischen Theater. Jahrelang hatte sich der aufrechte Patriot Begin aus der Politik zurückgezogen und jetzt beschlossen, wieder aktiv zu werden, um einen einflussreichen Beitrag für die Zukunft seiner Heimat zu leisten. Allein wegen seines Namens gilt er als Spitzenpolitiker der Likud-Partei. Doch Netanjahu will ihm nur einen nicht weiter definierten Ministerposten zugestehen.

Zwei Araber, einer von der Arbeitspartei und einer von der Likud-Partei, werden auf der künftigen Ministerliste stehen, aber wohl nur als „Stellvertreter“. Für den einen wurde schon die „Entwicklung der Negev-Wüste“ als politischer Auftrag vorgeschlagen. Mangels besserer Verwendung könnte dem anderen die „Entwicklung Galiläas“ als neu zu schaffendes Ministerium zufallen. Auch die einst für Schimon Peres und Avigdor Lieberman erfundenen Ministerien für „Regionale Kooperation“ und für „Strategische Planung“ sollen wiederbelebt und mit arbeitslosen Likud-Abgeordneten besetzt werden.

Echte Probleme und nicht nur Kopfschmerzen bereitet Silvan Schalom. Denn Schalom, ehemaliger Außenminister, hält sich selber für den wichtigsten aller Likud-Politiker und hatte darauf spekuliert, wieder als Chefdiplomat mit seiner extravaganten Ehefrau Judy Schalom-Nir-Moses (sie hält an den Namen ihrer drei Gatten fest) durch die Welt reisen zu können. Doch bekanntlich erhielt der im Ausland umstrittene Lieberman den Zuschlag. Jetzt droht Schalom gar mit Meuterei.

Netanjahu verfügt zwar über eine große Koalitionsmehrheit in der Knesset, aber die Stabilität seiner Regierung ist keineswegs gesichert. Denn nicht nur enttäuschte Likud-Abgeordnete könnten sich bei wichtigen Abstimmungen der Fraktionsdisziplin entziehen. Auch in der Arbeitspartei rumort es unter dem unpopulären Ehud Barak. Der hat schon einen Rechtsberater der Partei fristlos entlassen und will auch sonst „den Stall aufräumen“. Wer nicht für Barak ist, dem droht, kalt gestellt zu werden. In der auf nur 13 Mandate geschrumpften Partei wird schon über eine Spaltung spekuliert.

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