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Kommentar – Erstaunliche Koalitionen

Der nun unmittelbar bevorstehende Abzug Israels aus dem Gazastreifen macht Koalitionen möglich, für deren Voraussage man noch vor wenigen Monaten für vollkommen „meschugge“ erklärt worden wäre. So bezeichnet der linksradikale Uri Avnery den israelischen Premierminister Ariel Scharon neuerdings voller Bewunderung als „Fels in wilder Brandung“, der sich „praktisch allein“ einem „Orkan entgegenstellt, wie ihn die Geschichte Israels bislang noch nicht gekannt hat“.

Dass Avnery damit den Vorwurf der Abzugsgegner, Scharon sei ein Diktator, bestätigt, bemerkt der Friedensaktivist gar nicht, oder es lässt ihn kalt. Hauptsache, Scharon räumt die verhassten Siedlungen, die der deutschstämmige Publizist für die Wurzel allen Übels im Nahen Osten hält. Dieses „Wunder“, das selbst „den säkularsten Schweinefleischfresser zum Rabbi rennen lässt“ – so Originalton Avnery – verführt den israelischen Arafat-Verehrer dazu, sich schützend vor den Arafat-Erzfeind zu stellen und die Korruptionsvorwürfe der Abzugsgegner gegen die Familie Scharon als „wilde Übertreibung“ zurückzuweisen.

Einer Darstellung Ariel Scharons als „größenwahnsinnig“, „Mann der brutalen Gewalt“, der „jeden verachtet“ und „jede Opposition niederwalzt“, will Uri Avnery (noch) nicht widersprechen. Offensichtlich heiligt die Fahrtrichtung des „Bulldozers“ dieses Mal die Mittel. Zumindest vermittelt der Kommentar des Mannes, der sich seit Jahrzehnten für die Rechte der Palästinenser gegen den Besatzer Israel so uneigennützig stark gemacht hat, diesen Eindruck.

Doch die Methoden der israelischen Regierung rufen andererseits ganz urplötzlich Stimmen auf den Plan, die einer Befürwortung der Siedlungspolitik Israels vollkommen unverdächtig sind. Seit Wochen kritisieren linke Aktivisten das Vorgehen der israelischen Polizei gegen die orangefarbenen Anti-Räumungs-Demos der Siedlervertretung als undemokratisch, während sie gleichzeitig nicht anders können, als die Gewaltlosigkeit des Abzugswiderstands zu bewundern.

Das bürokratische Chaos, das die Umsetzung der Siedlungsräumung kennzeichnet, wird bei näherem Hinsehen zu einem menschenverachtenden Vorgehen gegen Menschen, die auf Wunsch eben der Regierung, die sie jetzt zum Umzug zwingt, ein ganzes Lebenswerk investiert und eine wirtschaftlich blühende Enklave auf unfruchtbaren Sanddünen aufgebaut haben. Das fällt sogar Journalisten auf, die sich selbst als atheistisch bezeichnen – dann aber doch noch mehr Verständnis für die Gefühlslage national-religiöser Israelis beweisen, als deren eigene Regierung, wenn sie hinter der Festlegung des Abzugsdatums auf den als nationalen Trauer- und Fasttag bekannten „9. Av“ „eine gehörige Portion Dummheit, Rücksichtslosigkeit, Unwissen oder Zynismus“ vermuten.

Die vielleicht ironischste Schützenhilfe haben Siedlungsapologeten in den vergangenen Monaten aber vom palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas erhalten. Wer noch vor einem Jahr behauptete, alle jüdischen Siedlungen seien auf Staatsland erbaut, wurde ohne weitere Prüfung oder Chance zur Rechtfertigung in die Ecke rechtsextremer Siedlerfreunde geschoben. Jetzt behauptet der altehrwürdige PLO-Funktionär „Abu Masen“ als höchster Vertreter aller Palästinenser eben das: „Keine jüdische Siedlung ist auf palästinensischem Privatland erbaut!“ Dass diese Aussage den jetzt eben neu gelagerten propagandistischen Interessen der palästinensischen Führung dient, tut der Tatsache, dass damit alte Siedlerbehauptungen bestätigt werden, keinen Abbruch.

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