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Kommentar: Der „linksgerichtete“ Lieberman?

JERUSALEM (inn) – Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman hat bei einem Treffen mit israelischen Botschaftern vorgeschlagen, im Rahmen eines Friedensvertrages mit den Palästinensern arabische Städte wie Taibe und Umm el-Fahm in den künftigen palästinensischen Staat zu verlegen. „Niemand wird sein Haus oder seinen Grundbesitz verlieren. Jeder bleibt, wo er ist. Lediglich die Grenze wird verschoben, ungefähr entlang der Autobahn Nr. 6.“
Außenminister Lieberman macht mit Äußerungen über einen Gebietsaustausch auf sich aufmerksam.

Die Idee ist nicht neu. Lieberman hatte sie schon 2007 während des Wahlkampfes geäußert. Im Gegensatz zu früher ist der „Israel Beiteinu“-Vorsitzende jetzt jedoch am Friedensprozess beteiligt, trifft sich mit US-Außenminister John Kerry und macht Vorschläge, die auch von den Amerikanern gehört und ernst genommen werden.
Dabei geht es auch um „Gebietsaustausch“ und angeblich sogar um einen Bevölkerungstransfer. Liebermans Worte haben deshalb heute ein anderes Gewicht und bei Israelis, israelischen Arabern und bei den Palästinensern emotionale Reaktionen hervorgerufen. Israelische Oppositionspolitiker erklärten, dass aus „rechtlichen Gründen“ einem Bürger die Staatsangehörigkeit nicht weggenommen werden könne. Aus Ramallah war zu hören, dass die Autonomiebehörde diese Idee „niemals“ akzeptieren werde. Israelische Araber reagierten irritiert.
Lieberman, oft als „Rechtsaußen“, „Hardliner“ und sogar als „Rechtsextremist“ eingestuft, geriet 2007 in den Ruf, ein „Rassist“ zu sein. Ihm wurde nachgesagt, ein „Araberhasser“ zu sein, die Minderheit von 1,2 Millionen arabischen Bürgern des jüdischen Staates (etwa 20 Prozent der Bevölkerung) reduzieren zu wollen.

In Scharons Fußstapfen?

Israelische Kommentatoren feierten den „Rechtsextremisten“ schon als „Pragmatiker“ auf den Spuren des Ariel Scharon. Der galt wie Lieberman als „Hardliner“ und „Vater der Siedler“, bis er den Beschluss fasste, den Gazastreifen mitsamt 8.000 Siedlern zu räumen. Manche Reporter unkten schon, dass Lieberman zur linksgerichteten Meretz-Partei wechseln könnte, weil er bereit sei, nicht nur besetztes Gebiet zu räumen, sondern sogar israelisches Kernland den Palästinensern zu übergeben.
Israelische Araber wie der Knessetabgeordnete Ahmed Tibi reagierten fast hysterisch auf Liebermans Vorschlag. „Wir sind Araber, Söhne des palästinensischen Volkes und technisch israelische Staatsbürger“, sagte er in einer der zahllosen Mediendebatten infolge der Rede Liebermans. Obgleich er Abgeordneter im israelischen Parlament ist, kritisierte er einen „Mangel an Demokratie“, eine Diskriminierung der arabischen Minderheit und bezeichnete sein Land als Apartheid-Staat.
Doch jetzt, wo ihm droht, durch eine Grenzverschiebung in den künftigen palästinensischen Staat abgeschoben zu werden, ohne physisch umzuziehen, wird von Tibi und anderen arabisch-israelische Politikern ein ideologischer Spagat gefordert. Jetzt müssen sie Farbe bekennen, warum ihnen das Leben in Israel offenbar angenehmer ist, während sie sich gleichzeitig als glühende Patrioten „Palästinas“ darstellen.
Ausgerechnet Lieberman erwies sich in der Personalpolitik im Außenministerium als Förderer arabischer Diplomaten. Israels neuer höchster Diplomat in London, Ischmael Chaldi, ist muslimischer Beduine. Der neue Botschafter in Oslo ist ein Druse und sein Stellvertreter ein arabischer Christ. Selbst jüdische Belange werden im Jerusalemer Außenministerium von Nicht-Juden betreut. Leiter der Abteilung für den Kampf gegen Antisemitismus in der Welt ist ein Druse.
Lieberman ist offenbar nicht wirklich ein Rassist. Aber er hat wiederholt die Loyalität israelischer Araber zu ihrem Staat angezweifelt, darunter auch des Abgeordneten Tibi, wenn der sich als demokratisch gewählter israelischer Parlamentarier zum „Berater“ Jasser Arafats machen ließ, oder mit palästinensischer Flagge gegen Israel demonstrierte.
Die heutige Diskussion trifft den Nerv der israelischen Araber. Weil Lieberman den Friedensprozess öffentlich unterstützt, könnte seine Idee Realität werden und sich nicht mehr nur auf die irrelevante Frage reduzieren, ob Lieberman rechts oder links, Rassist, Siedler, Faschist oder Pragmatiker ist.

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