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Kommentar: „Demokratisierung“ und „Rote Linien“

„Politik kennt keine Moral“, heißt es und „Staaten handeln gemäß ihren Interessen“. Beim Umgang mit dem Nahen Osten scheint weder das Eine noch das Andere zu stimmen. „Moral“ ist meist nur ein billiger Vorwand für andere Ambitionen.
Der von den USA angestrebte Demokratisierungsprozess im Irak ist nicht eingetroffen.
Der Einmarsch in Afghanistan wurde mit dem „NATO-Verteidigungsfall“ nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York am „9/11“ gerechtfertigt. Das Land wurde besetzt, weil es sich geweigert hatte, den Täter, Osama Bin Laden, zu verhaften und gemäß westlich-rechtsstaatlicher Ordnung zur „Rechenschaft“ zu ziehen. Was die NATO nach der außergerichtlichen Tötung Bin Ladens heute noch in Afghanistan sucht, weiß niemand. Unter Präsident George W. Bush war „Demokratisierung“ der höchste aller Werte. Damit rechtfertigten die Amerikaner den Einmarsch in den Irak und den Sturz des Tyrannen Saddam Hussein. Die Neueröffnung der amerikanischen Botschaft in der kubanischen Hauptstadt Havanna ist die offizielle Beerdigung dieser moralischen Idee. Nachdem die Amerikaner der „Demokratisierung“ abgeschworen hatten, versteift sich Bush-Nachfolger Barack Obama auf die „Umarmung des Islam“. So hatte er es 2009 in Kairo verkündet und seitdem in der arabischen Welt ein größeres Debakel angerichtet als Bush. Typisch war auch Obamas Empörung über den Giftgaseinsatz in Syrien mit 200 Todesopfern. Dass damals schon über 100.000 Menschen im Rahmen des syrischen Bürgerkriegs „konventionell“ umgebracht worden waren (inzwischen sind es über 300.000), rüttelte nicht an der Moral des amerikanischen Präsidenten. Obamas feiger Rückzug, trotz Drohungen keine Bomber oder Soldaten nach Syrien zu schicken, war wiederum amerikanischer Interessenpolitik geschuldet. Er wollte sich nicht mit den Russen anlegen. Bei Bedarf ignoriert man auch die Überschreitung feierlich verkündeter „Roter Linien“ – wie den Einsatz von Giftgas.

Politischer Schlingerkurs und wirtschaftliche Interessen

Dieser eigentümliche Mix aus Interessen und Moral wird im Umgang mit Israel auf die Spitze getrieben. 1948 war der amerikanische Präsident Harry S. Truman gegen die Errichtung eines jüdischen Staates. Die USA haben nur wenige Juden während des Holocaust aufgenommen und sich geweigert, die Eisenbahnlinien nach Auschwitz zu bombardieren. Die vermeintlich allmächtige jüdische Lobby gab es damals wohl noch nicht … Nur wenige wissen, dass die engen strategischen, militärischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und Israel erst um 1970 in Gang kamen. Auch Deutschland tat sich schwer. Die regierende CDU hätte ohne die Stimmen der SPD keine Mehrheit für das „Wiedergutmachungs-Abkommen“ erhalten, obgleich es für Deutschland aus eigenem Interesse wichtig war, wieder Mitglied der „Völkerfamilie“ zu werden. Fast unbekannt ist auch, dass Deutschland nichts Bares an Israel überwiesen hat, sondern in Deutschland hergestellte Güter wie Eisenbahnen und Elektrotransformatoren lieferte. So war die „Wiedergutmachung“ für Verbrechen an den Juden ein entscheidender Faktor für das deutsche Wirtschaftswunder. Die diplomatischen Beziehungen wurden erst 1965 aufgenommen, weil die Bundesrepublik zuvor die arabischen Staaten nicht verärgern wollte. Unter der Hand gab es lukrative Militärgeschäfte, von denen beide Seiten profitierten. Die hatten nur wenig mit der Vergangenheit, also mit Moral, zu tun. Das gilt auch für inzwischen gelieferte U-Boote sowie für die Drohnen aus Israel für die Bundeswehr. Ausgerechnet Willy Brandt hatte sich 1973 geweigert, Israel vor ägyptischen Angriffsplänen zu warnen. Dann verweigerte er amerikanischen Versorgungsflugzeugen die Zwischenlandung zum Auftanken in Deutschland. Beides hätte zum Ende Israels führen können. Das entsprach offensichtlich den „Interessen“ Deutschlands. Und nach dem jüngsten Abkommen mit dem Iran stand der deutsche Wirtschaftsminister als erster in Teheran. Angela Merkels Erklärung, wonach Israels Sicherheit zur deutschen „Staatsraison“ gehöre, ist „moralische“ Politik, wobei die Kanzlerin offen ließ, was damit gemeint war. Der Spruch beschreibt also offenbar nicht Deutschlands „Interessen“. Auch die Schweiz macht bei diesem Doppelspiel mit, indem sie extrem israelfeindliche, pro-palästinensische Nichtregierungsorganisationen finanziell unterstützt. Wo liegt das wahre Schweizer Interesse, wenn sie einerseits mit dem Staat Israel gute Geschäfte macht und andererseits solche Organisationen finanziert, die Israels Zerstörung betreiben?

Um wessen Selbstbestimmungsrecht geht es?

Ein weiteres Beispiel für dieses doppelte Spiel ist der Bereich Siedlungspolitik. Als Israels sozialistische Parteien nach 1967 im vollen Einvernehmen mit internationalem Recht die ersten Siedlungen errichteten, nachdem die arabischen Staaten mit ihren drei „Nein“ von Khartum jegliche Friedensgespräche und damit auch eine „Rückgabe“ der besetzten Gebiete blockiert hatten, kam niemand auf die Idee, sie für „illegal“ zu erklären. Mehrfach hat Israel Siedlungen aufgegeben und sogar abgerissen: 1982 im Sinai im Rahmen des Friedensvertrags mit Ägypten und 2005 mit dem Rückzug aus Gaza. Damals wurden auch Siedlungen im Westjordanland abgerissen, was die Welt kaum beachtet hat. Erst 2009, nachdem Präsident Obama in Kairo die Siedlungen für „nicht legitim“ erklärt hatte, wurden sie auch bei der EU und anderen Ländern zur „Kernfrage“ der Beziehungen mit Israel. Die Genfer Konventionen passen im englischen Original gar nicht auf Verhältnisse in Israel. In der deutschen Übersetzung wurden sie so umformuliert, dass sie nur noch auf Israels Politik passen. Da wird also „Moral“ in eine fragwürdige Interessenpolitik umgewandelt. Es fragt sich, welches Eigeninteresse die Europäer verfolgen, wenn sie Milliardensummen in die palästinensischen Gebiete pumpen, obgleich selbst Blinde sehen können, wie diese Steuergelder in dicke Autos, pompöse Villen, teure Restaurants und luxuriöse Hotels fließen. Armut findet man nur dort, wo die Hamas oder die Autonomiebehörde aus politischen Gründen die Menschen leiden lassen wollen: in den Flüchtlingslagern. Viele Millionäre, darunter auch Abbas, gehen damit hausieren, selber „Flüchtlinge“ zu sein. Dennoch leben sie nicht in Nissenhütten und engen Gassen, in denen sie ihre 1948 geflohenen Landsleute vegetieren lassen. Wie sich die Moral in der Politik wandelt, kann auch der inzwischen vergessene Begriff „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ aufzeigen. Bis 1990 war das in Deutschland eine geheiligte politische Forderung. Gemeint waren deutsches Selbstbestimmungsrecht und die Wiedervereinigung. Von einem Selbstbestimmungsrecht für Juden war dabei keine Rede, zumal man offen diskutierte, ob die Juden ein Volk seien oder „nur“ eine Religionsgemeinschaft (nachdem Juden unter Hitler sogar als „Rasse“ eingestuft worden waren). Man forderte von Israel ein „Selbstbestimmungsrecht“ für die Palästinenser, während im Umgang mit allen anderen Völkern dieser moral-politische Begriff strikt vermieden wird. Denn sonst könnte ja jemand auf die Idee kommen, auch für Kurden, Jesiden und andere Volksgruppen in Syrien oder dem Irak ein „Selbstbestimmungsrecht“ einzufordern. Abschließend kann man feststellen, dass „Moral“ für politische Zwecke nur eingesetzt wird, wenn es gerade gültigen Interessen entspricht. Das gilt für die „Demokratisierung“ des Irak genauso wie für einen Militäreinsatz nach der Verwendung von Giftgas in Syrien oder für die Siedlungspolitik Israels. Und da stellt sich die Frage, welche wahren Beweggründe hinter der weit verbreiteten Feindseligkeit gegenüber Israel stecken, während unter der Hand die EU und die Amerikaner von allem profitieren, was Israel zu bieten hat, nicht nur im militärischen Bereich. (uws) Dieser Beitrag erschien zuerst bei www.audiatur-online.ch

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