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Vor 20 Jahren: Israel zieht sich aus dem Libanon zurück

Als Israel im Mai 2000 seine Truppen aus dem Südlibanon abzieht, hoffen viele Bürger auf Frieden. Doch Araber werten den Rückzug als Sieg, und Palästinenserführer Arafat setzt auf Gewalt.
Im Mai 2000 zog Israel seine Soldaten aus dem Südlibanon ab

Israel startete am 24. Mai 2000 – also vor genau 20 Jahren – seinen Rückzug aus dem Südlibanon, der bereits am nächsten Morgen um 3 Uhr beendet war. Eine militärische Spitzenleistung ohne Verletzung eines einzigen Soldaten. Gleichzeitig wechselten 6.000 Angehörige der mit Israel verbündeten Miliz Südlibanesische Armee nach Israel, wo sie Asyl beantragten und zunächst in einem Zeltlager am See Genezareth versorgt wurden. Eine 22-jährige Besatzung hatte ihr zunächst friedliches Ende genommen.

Israels Premierminister Ehud Barak bezeichnete diesen 24. Mai als historischen Tag und verband ihn mit der Hoffnung auf Entspannung in der Region. Ganz sicher war er seiner Sache allerdings nicht. Denn er machte zugleich die Regierungen in Beirut und Damaskus dafür verantwortlich, sollten vom Libanon aus Gewalttaten gegen Israel verübt werden. In der Tat füllte die vom Iran unterstützte Hisbollah das militärische Vakuum im Südlibanon aus und verstärkte ihren Kampf gegen Israel.

Die arabischen Staaten gratulierten dem Libanon zu diesem Sieg, hielten sich aber zunächst mit verbalen Attacken gegen Israel zurück.

Palästinenser im Libanon sollten gegen Grenze marschieren

Ganz anders die radikalen Palästinensergruppen. Ramadan Abdallah Schallah erklärte für den Islamischen Dschihad: „Der Sieg der Hisbollah beweist, dass der bewaffnete Kampf der einzige Weg zur Befreiung ist.“ Ahmed Dschabril von der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) erklärte vollmundig, er würde am liebsten 300.000 im Libanon lebende Palästinenser gegen die israelische Grenze marschieren lassen. „Lasst die Israelis doch das Feuer auf Kinder, Frauen und Alte eröffnen …“

In den gleichen Chor stimmten die Hisbollah-Kämpfer am Grenzzaun Israels ein und riefen den Israelis auf der anderen Seite zu: „Wir wollen keinen Frieden mit euch! Wir werden euch von dem Land verjagen, auf dem ihr steht.“

Drei gefährliche Automatiken

Durch den Rückzug Israels aus dem Libanon ist der Frieden in Nahost nicht sicher geworden, ganz im Gegenteil. Die Propaganda der Palästinenser stellte auf drei gefährliche Automatiken ab:

  • 1. Der Rückzug Israels aus dem Libanon sei die erste militärische Niederlage seit Gründung des Staates Israel. Dieser Staat sei verletzlich und besiegbarer geworden.

  • 2. Der militärische Sieg der Hisbollah beweise, dass Israel nur auf Gewalt reagiere. Der militante Kampf gegen Israel müsse daher verstärkt werden.

  • 3. Israel habe das besetzte ägyptische Land vollständig zurückgeben müssen. Es habe auch das besetzte jordanische Land vollständig zurückgeben müssen (was aber nie geschehen ist). Auch der Golan werde vollständig an Syrien zurückgegeben. Demzufolge müsse auch das gesamte palästinensische Land an die Palästinenser zurückgegeben werden, Israel also von der Landkarte verschwinden.

Auch für die israelische Regierung und die israelische Öffentlichkeit war der Rückzug aus dem Libanon weniger als symbolischer Auftakt einer neuen Friedensinitiative gedacht, sondern eher die Reaktion auf wachsende Widerstände gegen die langandauernde Besatzungspolitik im Südlibanon. Israel marschierte 1978 kurzzeitig im Südlibanon ein, um dort die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) zu bekämpfen – aus eigenem Interesse, aber auch auf Bitten dortiger Einwohner. Weil die PLO ihre Machtbasis dort aber weiter ausbaute, marschierte Israel 1982 nochmals ein. Und seit diesem Jahr waren dort 950 israelische Soldaten ums Leben gekommen. Die israelische Bevölkerung hatte immer weniger Verständnis für diese „Blutopfer“ Israels.

Vor allem die Mütter von israelischen Soldaten hatten durch ergreifende Demonstrationen den Widerstand gegen die Besetzung des Südlibanon verstärkt. Deshalb wurde der Rückzug der israelischen Armee aus dem Südlibanon zwar von der Mehrheit der Israelis gebilligt, was sich am kurzfristigen Hochschnellen der Sympathiewerte Baraks auch ablesen ließ. Aber auch in Israel galt dieser Rückzug eher als Flucht statt als Lösung eines politischen Problems.

Doppelter Rückschlag

Das Jahr 2000 brachte jedenfalls zwei weitere Rückschläge für alle, die am Gelingen eines Friedensprozesses zwischen Israel und den Palästinensern interessiert waren. Zwei Ereignisse, die sich ohne den Rückzug Israels aus dem Südlibanon wohl kaum so ereignet hätten.

Im Juli hatte US-Präsident Bill Clinton den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Jasser Arafat und den israelischen Premierminister Barak zu Friedensgesprächen in den Sommersitz des US-Präsidenten, nach Camp David, eingeladen. Dieses Dreiertreffen ging als Camp David II in die Geschichte ein und sollte wohl den positiven Geist von Camp David I aus dem Jahre 1979 fortführen. Damals war es US-Präsident Jimmy Carter gelungen, mit dem ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat und dem israelischen Premierminister Menachem Begin positive Schritte zu einem Frieden zwischen Ägypten und Israel zu gehen.

Der positive Geist von Camp David I reichte für Camp David II nicht aus. Obwohl Barak den Palästinensern nach israelischer Berechnung 90 Prozent der Westbank und nach palästinensischer Berechnung 80 Prozent der Westbank sowie ein zusätzliches Gebiet des Negev für einen eigenen Staat angeboten hatte, lehnte Arafat dieses Angebot brüsk ab. Die Gespräche endeten praktisch ergebnislos.

Arafat: Gewalt effizienter als Verhandlungen

Für Clinton lag die Schuld bei Arafat. Nicht wenige Israelis zweifelten allerdings, ob Barak sein Angebot, hätte Arafat dies angenommen, politisch in der Knesset überlebt hätte. Tatsache ist, dass Arafat vor Camp David II auf einem Seminar der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah öffentlich erklärt hatte: „Nach dem Rückzug Israels aus dem Libanon ist für mich klar, dass wir mit Gewalt mehr als durch Verhandlungen mit Israel erreichen.“

Das Scheitern der Verhandlungen und die damit verbundenen Hoffnungslosigkeiten führten zum Ausbruch der „zweiten Intifada“ am 28. September 2000, und diese hielt Israelis, Palästinenser und die Welt fünf Jahre in Angst und Schrecken. In Israel führte dieser Gewaltausbruch zu einem Rechtsruck, der Barak aus dem Amt fegte und Ariel Scharon am 7. März 2001 ins Premierminister-Amt führte.

Die Geschichte des Nahen Ostens ist die Geschichte gescheiterter Friedenschancen. Der Rückzug aus dem Libanon eröffnete eine dieser Chancen, die nicht zum Frieden, sondern zu neuer Gewalt führte.

Von: Johannes Gerster

Johannes Gerster ist Ehrenpräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Von 1997 an leitete er neun Jahre lang das Jerusalemer Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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