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Warum Massaker an Schulen in Israel so selten sind

Nach dem Massaker an einer Schule in Florida ist die Debatte über Waffengesetze in den USA wieder neu entflammt. Teilnehmer eines Treffens mit Präsident Trump nannten dabei Israel als positives Beispiel.
Für Unbefugte ist es fast unmöglich, mit einer Waffe in eine israelische Schule zu gelangen

Sicherheit an Schulen gehört in die Hände von Profis. Schüler, Eltern und Lehrer forderten Präsident Donald Trump auf, die Waffenkontrollen in den USA zu verschärfen. Dabei zitierten sie Israel, wo Gewehre ein vertrauter Anblick, aber Schulmassaker unbekannt sind. Bei der Schulsicherheit wird in Israel nichts dem Zufall überlassen. Schusswaffen in den Händen ambitionierter Laien wären in Israel undenkbar.

„Ich bin 15 Jahre alt, ein Neuling an der Marjory Stoneman Highschool Douglas und eine Überlebende des Massenschießens letzte Woche.“ So beginnt die öffentliche Anklage der Schülerin Alexis Tracton. „Ich bin wütend und traurig. Ich habe aktive Schießübungen gemacht, bevor ich lesen und schreiben konnte. Warum lernen Kinder, sich zu verstecken? Ich kenne diese Antwort. Weil sie das Symbol der amerikanischen Freiheit sind. In diesem Land sind Waffen allgegenwärtig.“ Und die Jugendliche sagt weiter: „Warum sollte ein Lehrer ein umfangreiches Feuerwaffentraining absolvieren müssen? Es ist schwer genug, zu lehren. Es ist einfach nicht die Aufgabe eines Lehrers, eine Waffe zu führen.“

Die Eltern der ermordeten Schüler sind ins Weiße Haus eingeladen worden. Sie erzählten Präsident Trump dabei auch von ihren Eindrücken aus Israel. Die israelischen Schulen sind einer Gewalt amerikanischer Prägung bislang weitgehend entgangen. Die meisten Schulen in Israel haben nur einen unverschlossenen Eingang mit einer bewaffneten Wache. Vor Schulen stationierte Wachleute werden von der Polizei engmaschig kontrolliert. Es geht dabei nicht darum, „unruhige Jugendliche“ oder einsame Verrückte abzuschrecken. „Die Wachen sind aus anderen Gründen da, hauptsächlich wegen des Terrorismus“, sagt Amos Schavit, Sprecher des Bildungsministeriums. In großen Städten Israels führen Polizei und Gemeinde während des gesamten Schultages Sicherheitspatrouillen im Umfeld der Bildungseinrichtungen durch. Es gab deshalb trotz größter Gefährdung bislang nur zwei „gelungene“ Angriffe durch Terroristen: 1974 in Ma’alot und 2008 in Kiriat Mosche.

Waffen nur für Profis

Es gibt keine Metalldetektoren oder spezielle Türschlösser in Israels Klassenzimmern. Und laut Richtlinien sind Lehrer nicht bewaffnet.

„Fachleute befassen sich mit der Sicherheit“, sagt Schavit. „Nicht die Lehrer.“ Israelische Sicherheitsexperten sagen auch, dass Angriffe mit Schusswaffen in Israel selten sind, weil es kaum privat gehaltene Waffen gibt. Nach Angaben des israelischen Innenministeriums, das alle Waffenbesitzer registriert, haben etwa 260.000 Israelis, das sind 3,5 Prozent der Bevölkerung, eine Erlaubnis, Feuerwaffen zu tragen. Die Hälfte davon sind Privatpersonen, die anderen arbeiten für Sicherheitsfirmen.

Israelis dienen vom 18. bis zum 21. Lebensjahr beim Militär. Soldaten sind auf den Straßen häufig zu sehen und Kampftruppen, sowie jene, die in so genannten Kampfgebieten leben, tragen ihre Waffen stets bei sich. Doch laut einer Website der israelischen Regierung müssen Zivilisten über 27 Jahre alt sein, um eine Waffenlizenz zu erhalten. Denn für den eigenverantwortlichen Umgang mit der Waffe braucht ein Mensch mehr Lebenserfahrung, als man von einem jungen Rekruten, der in die Befehlskette des Militärs eingebunden ist, erwarten kann.

Strengste Auflagen für private Waffenbesitzer

Sobald ein Israeli den Militärdienst beendet hat, muss er umfangreiche Unterlagen vorlegen sowie alle militärischen Aufzeichnungen und medizinischen Berichte zur Verfügung stellen. Er muss auch die Notwendigkeit nachweisen, bewaffnet zu sein. So erhalten die Einwohner von Tel Aviv kaum Waffenlizenzen, während Israelis in Grenzgebieten oder in Siedlungen im Westjordanland eher für Waffenscheine zugelassen werden. Das sind Orte, an denen sie Ziele für palästinensische Kämpfer sein könnten. Darüber hinaus können pensionierte Armeeoffiziere ab einem gewissen Rang, ehemalige Polizeibeamte, Feuerwehrmänner, Sanitäter, Veteranen der Spezialeinheiten und lizensierte Fahrer des öffentlichen Verkehrs ebenfalls eine Genehmigung erhalten.

Simon Perry, Kriminologe an der Hebräischen Universität in Jerusalem, sagt, es gebe in Israel kaum Möglichkeiten, ein Massaker in einer Schule zu veranstalten. „Die meisten Menschen in Israel gehen zum Militär. Selbst wenn sie keine Kampfsoldaten sind, erhalten sie Waffentraining. Sie lernen, wie man mit einer Waffe umgeht und wie man eine Waffe respektiert. Es ist sehr, sehr schwer, eine Waffe in Israel zu bekommen.“ Die Anforderungen für Genehmigungen sind streng. Die Besitzer unterliegen einer Reihe von Beschränkungen hinsichtlich der Arten von Waffen und der Menge an Munition, die sie besitzen dürfen, sowie Richtlinien, wo sie ihre Waffen aufbewahren müssen, etwa in gesperrten Tresoren. Die Polizei kontrolliert zudem die Sicherheit der Waffen, wenn registrierte Waffenbesitzer das Land für mehr als eine Woche verlassen.

Janet Rosenbaum, Assistenzprofessorin an der School of Public Health der State University von New York Downstate in Brooklyn, untersuchte den Unterschied von Mordraten in Israel und in den Vereinigten Staaten. Ihre Forschung habe gezeigt, dass Israel auf Platz 81 in der Welt liegt für Waffenbesitz pro Kopf. Weniger als 10 Prozent der Israelis verfügen über eine Schusswaffe. Die Vereinigten Staaten stehen mit einer Feuerwaffe pro Person an erster Stelle.

Israelische Araber: Waffen stehen für Männlichkeit

Öffentlich groß diskutiert wird in Israel das Phänomen zahlreicher illegaler und deshalb offiziell nicht erfasster Waffen im Besitz israelischer Araber. Waffenbesitz ist bei vielen Arabern kulturbedingt. Ähnlich wie bei den Amerikanern ist die Waffe ein Zeichen für Männlichkeit. Die Gewehre und Pistolen werden für „Freudenschüsse“ bei Hochzeiten und Familienfesten verwendet, was immer wieder zu Querschlägern mit tödlichem Ausgang führt. Zum Thema wurden diese Waffen nach dem tödlichen Anschlag auf zwei drusische Polizisten in israelischer Uniform am Jerusalemer Tempelberg im Juli 2017. Die Polizei veranstaltete israelweit einen „Tag der offenen Tür“ und forderte die Araber auf, ihre Waffen anonym abzugeben. Aber nur eine einzige Pistole wurde übergeben. Diskutiert wird auch die Einrichtung von Polizeistellen in arabischen Dörfern. Doch diese Initiative ist noch nicht weit gediehen.

Von: Ulrich W. Sahm

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