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Politische Schlagworte in der Literatur

Wann war welcher Begriff populär? Mit dem Google-Dienst Ngram Viewer lässt sich das leicht feststellen. Bei Begriffen zum Themenfeld Nahost – Palästinenser oder Antizionismus – treten interessante Ergebnisse zutage. Eine Analyse von Ulrich W. Sahm
Licht am Ende des Büchertunnels: Mit dem Google Ngram Viewer lassen sich Bücher auf Begriffe hin durchsuchen

Bei dem Onlinedienst Google Ngram Viewer können digitalisierte Bücher der letzten beiden Jahrhunderte auf Schlagworte hin durchforstet werden. Während man früher in alten Bibliothekskatalogen wälzte, oder meterweise Bücher lesen musste, gelingt es heute schnell und staubfrei mit wenigen Klicks. Das Ergebnis ist nach Sprachen und Zeiträumen sortiert und als Diagramm präsentiert. Wie die Fieberkurve eines Aktienindex zeigt es auf einen Blick an, wann ein Wort modern wurde und wann es wieder in der Versenkung verschwand. Mit zwei weiteren Klicks ist man im Buch selbst und kann lesen, was der Autor dazu zu sagen hat.

„Palästina“/„Palästinenser“

Foto: Google Ngram Viewer; Screenshot: Ulrich W. Sahm

Weil das Heilige Land seit den Römern „Palästina“ genannt wird, gibt es den Begriff schon früh als Bezeichnung all seiner Bewohner: Juden, Christen, Moslems und andere. In unserer Kurve werden ab 1808 plötzlich vermehrt Reisegeschichten frommer Pilger angezeigt, ab 1920 geht es um die jüdische Einwanderung, von einem „jüdischen Volksteil“ ist dann ab Mitte der 1930er Jahre die Rede. Den Spitzenwert bei deutschen Autoren erreicht das Wort um 1940. Dann erlischt das Interesse der Literaten, und ab 1948 bis zum Jahr 2000 dümpelt die Kurve vor sich hin.

Auf die Idee, nicht das ganze Internet, sondern nur die digitalisierten Bücher zu durchsuchen, kam „Dreuz“, eine französische Informationsplattform. Viele Leser hätten angefragt, seit wann es eigentlich die „Palästinenser“ gebe. Nun das Ergebnis: „Palästinenser“ kamen sehr sporadisch schon ab 1800 vor. Doch war das eine allgemeine Bezeichnung aller Bewohner des in Bibelausgaben auf Landkarten als „Palästina“ gekennzeichneten Landstrichs.

In einigen der alten Bücher wird die biblische Schöpfungsgeschichte mitsamt der Sieben-Tage-Woche als Erfindung dieser „Palästinenser“ erwähnt. So schreibt ein Josef Samuel Bloch im Jahr 1882 begeistert über den Schabbat: „Griechen und Römer konnten auch den wöchentlichen Ruhetag der Palästinenser schwer begreifen. Diese Institution war ein radicaler Gegengesetz zu ihrer gesammten Weltanschauung; sie spotteten und witzelten über den räthselhaften …“ Bloch fragt sich, was wohl aus dem Arbeiterstand geworden wäre, wenn alle Arbeitgeber so arbeiterfreundlich gewesen wären wie der mosaische Gesetzgeber. Kein Zweifel, dass da nicht die Vorfahren der heutigen „Palästinenser“ gemeint sind.

Richtig häufig werden die Erwähnungen in der Literatur ab Mitte der 1960er Jahre mit einer steilen Kurve zu 1980, als Jasser Arafat für die in diesem Gebiet lebenden Araber den Begriff „Volk der Palästinenser“ einführte. Der Spitzenwert der Kurve liegt im Jahre 1994. Die Grafik in Googles NGRAM bestätigt dies für Englisch, Französisch und Deutsch.

Foto: Google Ngram Viewer; Screenshot: Ulrich W. Sahm

„Antizionist“/„Antizionismus“

  Den „Antizionisten“ als eng gefassten Begriff gab es schon ab 1895, und er war in der Literatur ab 1928 zehn Jahre lang sehr verbreitet. Es stellt sich heraus, dass im Rahmen der innerjüdischen Debatte um den von Theodor Herzl erfundenen „Zionismus“ einzelne Juden als Gegner dieser Idee „Antizionist“ genannt wurden. 1946 verschwand dieser „Antizionist“ völlig und das Wort wurde erst wieder ab 1955 populär.

Foto: Google Ngram Viewer; Screenshot Ulrich W. Sahm

Den „Antizionismus“ als Weltanschauung gibt es dagegen erst seit Mitte der 1960er Jahre. Wie der französische Linguist Georges-Elia Sarfati feststellte, ist diese „Ideologie“ von den Sowjets als Ersatz für den in Europa wegen der Nazivergangenheit verpönten Antisemitismus eingeführt worden. Bis 1966 ist das Wort fast nicht existent. Sprunghaft populär wird der Begriff erst fast zeitgleich mit der Erfindung der „Palästinenser“.

Foto: Google Ngram Viewer; Screenshot: Ulrich W. Sahm

„Palästinensische Gebiete“, „palästinensische Gebiete“ …

Das Westjordanland war mal Teil des britischen Mandatsgebiets. Es wurde 1949 von Jordanien erobert und annektiert. 1967 fiel das Gebiet an Israel. Um 1921 sprach man zum ersten Mal von „palästinensischen Gebieten“, 1980 wieder und ab 1992 wurde der Begriff mehrheitlich als Eigenname verwendet: „Palästinensische Gebiete“.

Foto: Google Ngram Viewer; Screenshot: Ulrich W. Sahm

… und „Palästinensergebiete“

In den Medien wird heute die ganze Gegend summarisch als „Palästinensergebiete“ deklariert; und zwar sowohl die palästinensisch selbstverwalteten Autonomiegebiete als auch die weiterhin unter israelischer Militärverwaltung stehenden Bereiche mitsamt den dort befindlichen jüdischen Siedlungen. Die Medien wollen einerseits den palästinensischen Ansprüchen recht geben und andererseits die Legitimität israelischer oder gar jüdischer Ansprüche auf die biblischen Gebiete von Judäa und Samaria streitig machen.

Foto: Google Ngram Viewer; Screenshot: Ulrich W. Sahm

Der Google Ngram Viewer zeigt einwandfrei, dass der Begriff „Palästinensergebiete“ erst 1992 erfunden worden ist und schlagartig populär wurde. Der Duden hat das „Palästinensergebiet“ schon als „substantiv, neutrum“ zu einem festen Bestandteil der deutschen Sprache gemacht mit der Definition: „von Palästinensern bewohntes, kontrolliertes Gebiet“. Diese Definition ist in jeder Hinsicht falsch, denn etwa 80 Prozent dieser „Palästinensergebiete“ sind nicht von „Palästinensern“, sondern von Israelis (Siedlern) bewohnt. Zudem stehen sie unter israelischer Kontrolle, während die von den Palästinensern lediglich „beansprucht“ werden. Dies ist ein typisches Beispiel, wie mit Begriffen Politik gemacht und Propaganda betrieben wird.  

Von: Ulrich W. Sahm

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