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Gedenken an Entebbe-Entführung

Die Befreiung jüdischer Geiseln in Entebbe bewegt bis heute die Gemüter in Israel. In Tel Aviv erinnert eine Ausstellung an die Flugzeugentführung vor 40 Jahren. Ehemalige Geiseln haben dem damaligen Verteidigungsminister von ihren Erlebnissen erzählt.
Fünf Israelis kamen bei der Entführung Entebbe ums Leben – ganz rechts hängt das Porträt von Jonathan Netanjahu

Im Juni 1976 entführten palästinensische und deutsche Terroristen das Flugzeug 139. In einer einmaligen Militäraktion befreite das israelische Militär über 100 Geiseln in Entebbe, der ehemaligen Hauptstadt Ugandas. Zum 40. Jahrestag fanden zahlreiche Gedenkveranstaltungen mit Zeitzeugen statt. Eine Ausstellung im Jitzhak-Rabin-Zentrum in Tel Aviv beschreibt die Ereignisse ausführlich.

In einem eindrucksvollen Animationsfilm sind die Ereignisse der letzten Juniwoche von 1976 nachgestellt: Der Flieger der Linie „Air France“ ist mit 253 Passagieren und zwölf Besatzungsmitgliedern auf dem Weg von Tel Aviv über Athen nach Paris. Nach der geplanten Zwischenlandung in Athen, am Sonntag, dem 27. Juni, besteigen zwei palästinensische Anhänger der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) das Flugzeug. Außerdem sind die deutschen RAF-Terroristen Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann mit an Bord.

Sie zwingen den Piloten nach Bengasi, Libyen, zu fliegen, wo Diktator Muammar al-Gaddafi das Auftanken erlaubt. Das Flugzeug fliegt weiter nach Entebbe, dort bringen die Entführer die Geiseln in das ausgediente Flughafengebäude, wo weitere Terroristen warten. Diese gehören zum ugandischen Regime unter Diktator Idi Amin.

Am zweiten Tag werden die Geiseln getrennt: Juden und Israelis auf die eine Seite, Nichtjuden werden freigelassen. Mit der Entführung der Juden soll die Freilassung von 53 Inhaftierten aus Gefängnissen in Israel, Frankreich, Deutschland und der Schweiz erpresst werden.

Die Nachricht von der Entführung erreicht Premierminister Jitzhak Rabin in der sonntäglichen Kabinettssitzung. Das Militär wägt verschiedene Möglichkeiten ab, die Geiseln zu befreien, doch Stabschef Motta Gur entscheidet, dass diese zu riskant sind. Er informiert Premierminister und Verteidigungsminister: „Es gibt keine militärische Lösung“.

Plan setzt auf Überraschungsmoment

Der Geheimdienst sammelt Informationen, vor allem werden die freigelassenen Geiseln in Paris befragt. Dabei verstehen die Israelis, dass die vier Terroristen mit Amins Truppen zusammenarbeiten. Eine israelische Firma hatte jüngst den neuen Flughafen in Entebbe gebaut. Mit mit Kartenmaterial kann sie weitere Auskunft über die örtlichen Gegebenheiten liefern.

Schließlich arbeitet das Militär an einer Lösung, mit militärischen Transportflugzeugen in Entebbe zu landen. Der Plan setzt auf das Überraschungsmoment und darauf, die Geiseln schnell zu erreichen. Die zentrale Rolle kommt der Einheit der Späher des Generalstabes zu, die unter dem Befehl von Oberstleutnant Jonathan Netanjahu steht. Noch bevor die Entscheidung der Regierung getroffen ist, fliegt das Militär los, wohl wissend, dass es im Falle einer Ablehnung des Plans zurückkehren muss.

Als das erste Transportflugzeug in Uganda landet, verlassen die Späher das Flugzeug in Richtung des alten Flughafengeländes. Ein schwarzer Mercedes an der Spitze von zwei Jeeps erweckt den Eindruck, dass es sich bei der Kolonne um ugandische Prominente handelt.

Als die Israelis die Geiseln erreichen, eröffnen sie das Feuer auf die Terroristen und ugandischen Soldaten und kündigen mit Lautsprechern an: „Hier ist das israelische Militär. Legt euch auf den Boden und bewegt euch nicht. Wir sind gekommen, um euch nach Hause zu bringen.“ Die Geiseln glauben im ersten Moment, dass es die Geiselnehmer sind, die um sich schießen. Bei dem Schusswechsel kommt Netanjahu ums Leben, insgesamt vier Geiseln verlieren das Leben, doch über 100 Menschen werden befreit.

Opposition lobt Regierungschef

Einen Tag nach der Operation sagt Menachem Begin in der Knesset: „Als Oppositionsführer bin ich oft unterschiedlicher Meinung mit dem Premierminister und ich bin sicher, dass das auch in Zukunft so sein wird. Doch heute sage ich aus ganzem Herzen: ‚Premierminister, das haben Sie sehr gut gemacht.‘“

Während die Operation in der Welt als „Operation Entebbe“ bekannt wurde, wurde sie in Israel „Donnerkeil“ genannt. Heute wird sie dort fast nur noch „Operation Jonathan“ genannt. Das Rabin-Zentrum in Tel Aviv hat eine Sonderausstellung kuriert, die die Operation Jonathan von vielen Seiten beleuchtet: Mit Erinnerungsstücken, Briefen und Fotos werden die Ereignisse der Tage vom 27. Juni bis zum 4. Juli 1976, dem Tag der Befreiung, veranschaulicht. Anhand von Karten und anschaulichen Informationstafeln werden die Pläne der israelischen Regierung, des Mossad und des Militärs dargelegt.

Die Ausstellung ist eine Kooperation des Jitzhak-Rabin-Zentrums in Tel Aviv und des Mossad, des Zentralen Nachrichten- und Sicherheitsdienstes. Sie ist noch bis mindestens Ende 2016 für die Öffentlichkeit zugänglich.

Gedenken mit persönlichen Gegenständen

40 Jahre nach diesen Ereignissen hat Schimon Peres die Geiseln, die damals Kinder waren, in das 1996 von ihm gegründete Peres-Friedens-Zentrum nach Jaffa eingeladen. Diese hatten die Möglichkeit, Erinnerungsstücke mitzubringen und dem 1976 amtierenden Verteidigungsminister zu zeigen.

Anschließend tauschten sich die ehemaligen Geiseln mit dem ehemaligen Präsidenten aus. Unter den Gästen ist auch der ehemalige Fallschirmjäger Surin Herschko, der während der Operation stark verletzt wurde und seitdem querschnittsgelähmt ist.

Schai Gross, zur Zeit der Entführung sechs Jahre alt, saß nach der Befreiung als einer der Ersten im Flieger zurück nach Israel. Neben ihm war die Leiche von Jonathan Netanjahu. „Im Gedenken an ihn habe ich meinen Sohn Joni genannt.“ An Peres gewandt, sagt der Mittvierziger: „Besonders möchte ich Schimon Peres und Jitzhak Rabin danken. Schimon, Sie sind für mich wie ein zweiter Vater. Danke, dass Sie damals unser Leben gerettet haben.“

Doch auch die anderen Opfer sind nicht vergessen. Zippi Cohen, zum Zeitpunkt der Entführung fast neun Jahre alt, berichtet: „Dank Jean-Jacques Maimoni, einem der Opfer, habe ich kein Trauma aus der Zeit erlitten. Er war und bleibt für mich ein Held. Während der ganzen Woche spielte er Spiele mit uns Kindern und passte auf uns auf, damit unsere Eltern etwas Ruhe haben konnten. Ihm verdanke ich viel.“

Sie erzählt weiter: „Ich erinnere mich gut an diese Woche. Doch an die Zeit, nachdem uns die Soldaten mitteilten, dass auch mein Vater gestorben ist, kann ich mich gar nicht erinnern. Es ist ein großes Loch.“
Auch Anat Brodesky Charniak war damals sechs Jahre alt: „Ich erinnere mich gut an Idi Amin. Als ich wieder zurück zu Hause war, malte ich ihn. Bis heute fällt es mir schwer, Waffen zu sehen und zu hören, selbst wenn es nur Spielzeugwaffen sind. Ich habe drei Jungs, die verstehen oft nicht, warum ich so reagiere.“

Erinnerungen an NS-Zeit

Eine der ehemaligen Geiseln erzählte: „Meine Mutter war Holocaustüberlebende. Als es am Montag, einen Tag nach der Entführung, hieß: ‚Juden und Israelis auf die eine Seite, alle anderen auf die andere…’ – natürlich weckte das Erinnerungen an die Nazi-Zeit bei meiner Mutter. Vor allem auch, weil es eine Deutsche war, die die Namen der Passagiere verlas.“

Ella Sissenwine, eine andere Geisel, berichtet: „Während dieser Woche lagen unsere Eltern mit ihren Matratzen auf uns, um uns zu schützen. Und dann, nach einer Woche, hörte ich Schüsse in der Nacht. Mein Vater nahm mich auf den Arm und rannte los. Als wir wieder zu Hause waren, warteten viele auf uns. Unsere Wohnung sah aus wie ein Blumenladen. Als wir wenige Tage später trotzdem nach Paris flogen, um unsere Großeltern zu besuchen, fragte ich meine Eltern, ob es wieder eine Woche dauern würde, bis wir in Paris wären.“

Ada Atzmann, zum Zeitpunkt der Entführung 16 Jahre, erzählt: „Mit einem der Entführer habe ich mich mehr als einmal unterhalten. Er war sehr nett zu mir. Insgesamt muss ich sagen, dass ich aus dieser schrecklichen Woche gestärkt hervorgegangen bin. Bei späteren Krisen half mir diese Erfahrung, alles ins richtige Verhältnis zu setzen.“

Peres berichtet von den schwierigen Entscheidungen, die in kurzer Zeit zu treffen waren: „Am Anfang war ich wohl der einzige, der nicht bereit war, auf die Forderungen der Entführer einging und die Gefangenen freilassen wollte. Viele dachten, wir müssten sie freilassen, um die Geiseln zu retten. Als ich hörte, dass es Deutsche waren, die da vor uns standen, da war mir klar, dass die Freilassung keine Option war. Diesen Triumph wollte ich den Deutschen und den Nazis nicht gönnen. Für alle Beteiligten war die Entscheidung, wie mit der Situation umzugehen sei, schwierig. Auch die Gegner einer Militäraktion hatten gute Gründe. Jede einzelne Möglichkeit war voller Zweifel und Gefahren.“

Den ehemaligen Geiseln ist die Dankbarkeit über die Rettung abzuspüren, doch einig sind sie sich ebenso: „Mit Joni und den anderen vier Opfern haben wir einen hohen Preis bezahlt.“ Die Geiseln Jean-Jacques Maimoni, Ida Borochovitch und Pasko Cohen waren während der Befreiungsaktion getötet worden. Außerdem ordnete nach der Operation Ugandas Diktator Idi Amin den Mord an Dora Bloch an. Sie wurde während der Geiselnahme in ein ugandisches Krankenhaus eingeliefert.

Bilanz in Afrika

In diesen Tagen hält Premierminister Netanjahu Treffen mit verschiedenen afrikanischen Staatschefs ab. In seiner Rede zum 40. Jahrestag der Befreiung sagte er: „Hier, in Entebbe, hat Gerechtigkeit das Böse besiegt und aus diesem einfachen Grund hat die Operation die Sympathie der Welt gewonnen. Der Kampf gegen Terrorismus hält auch heute noch an. Terror bedroht alle Länder und Kontinente und wir müssen gemeinsam dagegen mit geeinter Front, im Geist von Entebbe, einstehen. Nur so können wir ihn gemeinsam besiegen!“

Netanjahu betonte: „Entebbe war mehr als ein israelischer Sieg. Es war der Sieg der Menschheit im Kampf gegen die, die unsere Zivilisation bedrohen. Doch für das Leben meines Volkes war es ein Wendepunkt. Jahrhundertelang waren wir staatenlos und nicht in der Lage, uns zu verteidigen. Niemand kam, um uns zu retten. Millionenfach wurden wir getötet. Vielleicht war es Entebbe, als die Welt die fundamentale Wandlung sehen konnte: Durch die Gründung des Staates Israel waren wir nicht mehr machtlos. Wir konnten alles Menschenmögliche tun, um unsere Nation zu verteidigen und unser Volk zu retten. Die Operation von Entebbe ist zum starken Symbol gegen den Terror geworden.“ (mh)

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