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Der nahöstliche DNA-Krieg

Biblische Priester im Stammbaum von Palästinensern und zum Islam konvertierte Juden als Terroristen – die wissenschaftliche Forschung treibt mitunter seltsame Blüten. Zuweilen geht es dabei auch um politische Macht.
Marokkaner sind erst durch Übernahme der Sprache zu Arabern geworden
Von Kain und Abel über Eteokles und Polyneikes bis Remus und Romulus –Erzählwerke der Antike sind voll von Mord und Totschlag unter Brüdern. Die Aufklärung teilte die Menschheit in „Rassen“ ein, wobei Juden wie Araber zu „Semiten“ erklärt wurden. Völlig ungestört durch Fakten haben sich Ägypter und Marokkaner im 6. Jahrhundert einer Genwäsche unterzogen. Denn erst dann, mit der Annahme des Arabischen, wurden sie zu „Semiten“. Die Juden betrachten sich als Volksstamm und vererben ihr Judentum über die Mutter. Allein die Zugehörigkeit zur Priesterkaste, den Cohen, vererbt sich über den Vater. Doch an der Hautfarbe sieht man, dass Juden sich seit dem ersten Exil vor 3.000 Jahren mit den jeweiligen Lokal-Bevölkerungen vermischt haben, im Jemen, in Äthiopien, in Polen und Russland, im heutigen Irak und anderswo.

Moderne Märchen

Der Familienname der palästinensischen Cousins aus Jatta bei Hebron, die in Tel Aviv den Terroranschlag mit vier Toten und Dutzenden Verletzten durchgeführt haben, hat einmal mehr DNA-Aktivisten mobilisiert. „Mahamra“, so der Name des Clans der Attentäter, bedeutet „Weinmacher“. Da Moslems bekanntlich Alkohol verboten ist, kommen „Experten“ wie Zvi Misinai zu dem Schluss, dass Bewohner von Jatta, darunter die Terroristen von Tel Aviv, zum Islam konvertierte Juden seien. Um diese These zu stützen, brachte Misinai schon 2012 in einem YouTube-Film die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse des DNA-Labors im Hadassah-Hospital in Jerusalem. Ariella Oppenheim untersuchte die DNA von Palästinensern und entdeckte typisch „jüdische“ Gene. Manche hätten sogar Gene der „Cohen“, der biblischen Priester. Das biblische Jutta wurde noch im 4. Jahrhundert von Eusebius als „große jüdische Stadt“ beschrieben. Misinai behauptet, dass Bewohner Jattas an ihren jüdischen Familiennamen festhalten und gewisse jüdische Gebräuche befolgen, ohne ihren Ursprung zu kennen. Sie entzünden Kerzen an Gräbern und legen sich Tefilin (Gebetsriemen) an. Die Moslems täten das als Mittel gegen Kopfschmerzen. Zeitgleich tauchten 2012 auch „wissenschaftliche“ Darstellungen der „anderen Seite“ auf. Die heutigen Juden seien nicht Nachkommen des aus dem heutigen Irak nach Kanaan eingewanderten Stammvaters Abraham, sondern im 8. Jahrhundert zum Judentum konvertierte Kusaren. Wo das Judentum herkam, dem sich diese Kusaren angeschlossen hätten, bleibt ein Geheimnis. Die „Forscher“ kamen zum Schluss, dass der israelische Premier Benjamin Netanjahu, wie andere europäische Juden, keinerlei „Anrechte“ auf das Land Israel habe, während „Palästinenser“ die wahren genetischen Nachfahren von Abraham seien und deshalb „Ureinwohner“.

Stammen die „besseren Christen“ aus Bethlehem?

Angestoßen hat diese Theorie Mitri Raheb, evangelischer Pastor aus Bethlehem. Weil er „neben“ der Krippe Jesu in Bethlehem wohne, sei er ein Nachfahre des kinderlosen Jesus, während Netanjahu ein „Fremdling“ sei. Pastor Rahebs Behauptung ist besonders absurd, weil das Christentum bekanntlich eine Glaubensreligion ist, der sich jeder anschließen kann. Raheb ist kein besserer oder echterer Christ, weil er aus Bethlehem stammt. Der „Forscher“ Misinai rührt evangelikale Gesprächspartner zu Tränen: Sie sehen in seinen Aktivitäten einen Beweis dafür, dass am Ende die jüdischen Israelis mitsamt ihren palästinensischen Blutsbrüdern an Jesus Christus glauben und so den Frieden sichern würden. Da ist die Bibel realistischer: Kain und Abel zeigen, dass Blutsverwandtschaft keinen Schutz vor Gewalt, Mord und Totschlag bietet. Gänzlich inakzeptabel ist es, mit der von Hitler ad absurdum geführte Rassentheorie politische Ansprüche zu rechtfertigen.

Der Genpool ist eine wilde Mischung

Der israelische Forscher Jaakov Habakuk hat viele Jahre die Lebensweise der Höhlenbewohner in der Gegend von Hebron erkundet und dazu ein Buch veröffentlicht. Auf Anfrage sagte er, bei diesen „Ureinwohnern“ keinerlei jüdische Spuren entdeckt zu haben. Doch Forscher des Israel-Museums haben bei der Vorbereitung zu einem historisch-biblischen Festmahl entdeckt, dass in dieser Region Keramik in identischen Formen und mit Dekorationen hergestellt würde, wie von Archäologen gefundene Keramik aus biblischer Zeit. Da haben sich Traditionen vererbt. Die meisten Palästinenser sind ebenso wie die meisten Juden erst in den letzten 100 Jahren eingewandert. Man kann es an ihren Familiennamen ablesen. Manche Christen behaupten stolz, ihren Stammbaum bis auf die Kreuzfahrer zurückverfolgen zu können. Auch die waren Eroberer, wie die Griechen unter Alexander dem Großen, Römer, Araber, Perser, Osmanen, Briten und andere. Jeder Eroberer hat Nachfahren hinterlassen. Und von den Sarazenen hinterlassene Gene müssten gemäß diesem Prinzip die Schweizer Politik gegenüber den Arabern mitbestimmen. Wer dieses zu Recht als „absurd“ zurückweist, möge genauso nachdenken, ehe er von Semiten und deren Blutbruderschaft redet oder gar – im Sinne der Nürnberger Rassengesetze – von Halb oder Vierteljuden. Es gibt sie genau so wenig wie Halb- oder Viertel-Schweizer. Oder würde jemand für FDP-Nationalrat Fathi Derder, den Sohn eines Algeriers und einer Walliserin, das Schweizersein halbieren wollen? Wichtig ist nicht der Stammbaum, sondern neben dem Pass das Selbstverständnis. Ein Araber, der sich als Palästinenser empfindet, wird trotz einer jüdischen Ur-Urgroßmutter nicht automatisch zum Israelfreund. Er ist es, wenn überhaupt, nicht aus genetischen Gründen, sondern aus einer persönlichen Entscheidung heraus. Friedensinitiativen, die sich auf Vererbung stützen, statt auf politische Präferenzen, sind zum Scheitern verurteilt. (uws) Dieser Beitrag erschien zuerst bei www.audiatur-online.ch

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