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Bilanz: Jubiläum stärkt deutsch-israelische Zusammenarbeit

Politische Begegnungen und kultureller Austausch haben das deutsch-israelische Jubiläumsjahr geprägt. Ein Unterschied zwischen Deutschen und Israelis ist im Rückblick besonders auffällig.
Herzliche Begegnung: die Staatsoberhäupter Rivlin und Gauck im Mai in Berlin
„Das Jubiläumsjahr hat uns die Gelegenheit gegeben, sehr vielen Israelis und Deutschen zu zeigen, wie vielfältig und reich die Bindungen zwischen unseren Ländern und Menschen auf ganz vielen Gebieten sind.“ Dies ist das Fazit des deutschen Botschafters in Tel Aviv, Clemens von Goetze, im Rückblick auf die Feier der 50-jährigen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Und in der Tat hatten sich die Organisatoren ein vielfältiges Programm einfallen lassen, das weit über die rein politische Ebene hinausging. Allerdings unterscheidet sich die Wahrnehmung des Jubiläums in den beiden Ländern – und dies zeigt, dass es auch 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg unmöglich ist, einen Schlussstrich unter den Holocaust zu ziehen. Natürlich ist den Nachkommen der Täter besonders daran gelegen, zu demonstrieren, dass sie das begangene Unrecht verurteilen und dass ihr Land heute anders ist als während der Nazizeit. Und so war das Thema „50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen“ in den deutschen Medien nicht zu übersehen. In Israel hingegen, das von Überlebenden gegründet wurde, war das Jubiläum in der Öffentlichkeit deutlich weniger präsent. Wer etwas darüber erfahren wollte, musste sich bewusst informieren. Der Unterschied zeigt sich etwa an den Buchmessen in Jerusalem und Leipzig, die sich dem Schwerpunktthema in unterschiedlicher Weise annäherten. Zwar gab es im Februar in der israelischen Hauptstadt Lesungen von deutschen Schriftstellern und Veranstaltungen mit Autoren aus beiden Ländern. Eine Attraktion war überdies eine „verschwindende Mauer“ aus Holzstäben, auf denen Zitate deutscher Literaten auf Deutsch, Hebräisch und Arabisch zu lesen waren. Die Besucher durften die Stäbe mit nach Hause nehmen. Doch versteckte sich das Thema zwischen anderen gleichwertigen Programmpunkten und wurde nicht besonders hervorgehoben. Auf der Leipziger Buchmesse im März stießen Interessierte schnell auf das Schwerpunktthema: „1965 bis 2015. Deutschland und Israel“. Bei der Eröffnung wertete Botschafter Yakov Hadas-Handelsman es als „gutes Zeichen“, dass Deutschland der israelischen Literatur aufgeschlossen begegne. Diese habe einen festen Platz auf der Bühne in der Bundesrepublik erobert. Israelische Schriftsteller wie Amos Oz, Meir Shalev oder Lizzie Doron stießen beim Publikum auf großes Interesse. Hinzu kamen Diskussionen und Vorträge über die DDR und Israel oder über den wirklichen Beginn der deutsch-israelischen Beziehungen.

Kreativ und nachhaltig

Viele Israelis bekommen derzeit von Deutschland vor allem mit, was mit Berlin, Angela Merkel oder den Flüchtlingen zu tun hat. Und vor einem Jahr war die „Milky-Kampagne“ in aller Munde – als ein Israeli wegen der niedrigeren Schokoladenpuddingpreise zur Auswanderung nach Berlin aufrief, aber dann selbst nach Israel zurückkehrte. Dennoch – wer an einer der zahlreichen Jubiläumsveranstaltungen in Deutschland oder Israel teilgenommen hat, wird dies sicher nicht allzu schnell vergessen. Groß war die Kreativität im kulturellen Bereich. Da tauschten Moderatoren der beiden Länder vorübergehend ihr Studio oder Künstler ihr Atelier. Ausstellungen und Theatervorführungen widmeten sich dem Thema in vielfältiger Weise. Auch in der Wissenschaft dürften sich einige gemeinsame Aktionen nachhaltig auswirken. So steht deutschen Lehrern nun eine Quellensammlung für den Unterricht zur Verfügung, die Kultusministerkonferenz und israelische Botschaft gemeinsam vorgestellt haben. Darin geht es um das Verhältnis der beiden Staaten. Ferner empfing Israels Premierminister Benjamin Netanjahu 200 deutsche Studenten in Tel Aviv. Botschafter von Goetze stellt fest: „Die Wissenschaftskooperation zwischen Israel und Deutschland erlebt gerade einen richtiggehenden ‚Boom‘, und das Jubiläumsjahr hat dem noch neue, starke Impulse gegeben. Derzeit gibt es 177 Kooperationen deutscher und israelischer Universitäten und Forschungseinrichtungen.“ Ein sportlicher Höhepunkt war im Sommer die 14. Europäische Makkabiade, die erstmals in Deutschland stattfand. Israel entsandte für die jüdischen Wettbewerbe 120 Athleten nach Berlin. Im Hinblick auf das Jubiläum trat bei der Eröffnung ein deutsch-israelisches Orchester auf. Ein für März geplantes Freundschaftsspiel der beiden Fußballnationalmannschaften wurde frühzeitig abgesagt, weil Israel im fraglichen Zeitraum bereits zwei Qualifikationsspiele für die Europameisterschaft 2016 zu absolvieren hatte. Umso intensiver war der Besuch der deutschen U18-Junioren im Dezember. Sie nahmen am traditionellen Winterturnier teil und besuchten die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem. Neue Wege gehen die beiden Länder beim Fremdenverkehr. Die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) und das israelische Tourismusministerium haben ein gemeinsames Konzept entwickelt, das Amerikaner mit religiösem Interesse ansprechen soll. Kern der Initiative ist ein länderübergreifendes Produkt „Auf den Spuren von Jesus und Martin Luther“. Für die Reiseroute zwischen Galiläa und Jerusalem sowie für die Reformationstour sind jeweils fünf Tage veranschlagt.

Vertrauensvolle und herzliche Beziehungen

Bei den politischen Begegnungen fiel ein Wort auf, das an sich aus dem religiösen Bereich stammt. So bezeichnete Bundestagspräsident Norbert Lammert es bei seinem Israelbesuch als „Wunder der Geschichte“, dass die deutsch-israelischen Beziehungen in allen Bereichen so freundschaftlich seien. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte in Berlin, ihm werde deutlich, dass „die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Israel ein Wunder war“. Dem schloss sich Bundespräsident Joachim Gauck an: „Es ist ein Wunder, was sich in den vergangenen 50 Jahren ereignet hat zwischen unseren beiden Ländern“, merkte er im Mai bei einem Festakt mit dem israelischen Staatspräsidenten Reuven Rivlin in Berlin an. „Ein Wunder, das nur Wirklichkeit werden konnte, weil Israelis den Deutschen Vertrauen schenkten.“ Bei Rivlins Besuch in Deutschland wurde deutlich, wie herzlich die Beziehungen mittlerweile auch auf persönlicher Ebene sind. Die beiden Staatsoberhäupter machten auch klar, dass es unter Freunden nicht immer Übereinstimmungen gebe, etwa beim Umgang mit dem Iran und der Zweistaatenlösung. Doch zeugten die freundschaftlichen Umarmungen von einem hohen Maß an gegenseitiger Wertschätzung. Auch deutsche Politiker wie Gauck oder Steinmeier wurden in Israel wohlwollend aufgenommen. Gleichwohl waren Antisemitismus und Holocaust Themen, die bei keinem Besuch hier wie dort ausgeklammert werden konnten. Ausfallen mussten die für Oktober geplanten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen, die mittlerweile auf Februar 2016 vertagt wurden. Netanjahu hatte den Besuch seiner Kabinettsdelegation in Deutschland angesichts der Terrorwelle kurzfristig abgesagt. Ein paar Wochen später kam er dann allein nach Berlin und beriet unter anderen mit Kanzlerin Merkel über den Umgang mit der neuen Gewalt.

Widerstand überwunden

Das Jubiläumsjahr macht deutlich: Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind in vielerlei Hinsicht sehr freundschaftlich. Das gilt für die politische Ebene wie für den Jugendaustausch, für wirtschaftliche Zusammenarbeit wie für die sportliche Auseinandersetzung. Deutsche Organisatoren und Journalisten haben dem 50-jährigen Bestehen der diplomatischen Beziehungen offensichtlich eine größere Bedeutung zugemessen als ihre israelischen Kollegen. Dieser Unterschied ist auch in der Bevölkerung zu beobachten. Dass deutsche Politiker angesichts der Normalität von einem „Wunder“ sprechen, hebt die Besonderheit des Verhältnisses hervor. Doch aus dem starken Widerstand in beiden Ländern vor einem halben Jahrhundert – auch Rivlin demonstrierte seinerzeit dagegen – ist eine umfassende Unterstützung geworden. Dazu tragen auch Projekte bei, die Deutsche und Israelis in diesem Jubiläumsjahr angestoßen haben. (eh)

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