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Westliche Nahostpolitik auf dem Prüfstand

Die so genannte „Zweistaatenlösung“ zur Beendigung des israelisch-arabischen Konflikts ist in der westlichen Welt Konsens. Wer sie hinterfragt, muss sich vorsehen, dass nicht irgendein (Richt-)Linienrichter unversehens „Abseits“ signalisiert. Eine Diskussion um Alternativen ist nicht erkennbar, wird nicht gefördert, vielleicht sogar unterbunden.
Befürwortet eine Einstaatenlösung: Reuven Rivlin

So werden kreative Denkansätze bereits im Keim erstickt, die eine friedliche Koexistenz der Menschen, die in dem kleinen Land zwischen Mittelmeer und Jordan leben, anders als durch die Schaffung eines Palästinenserstaats neben Israel ermöglichen könnten.
Als fatal könnte sich erweisen, dass aktuelle Meinungsentwicklungen der betroffenen Menschen im Nahen Osten völlig ausgeblendet werden. Eine aktuelle Umfrage unter Palästinensern im Westjordanland und Gazastreifen zeigt, dass die öffentliche Meinung in diesen Gebieten politische Bestrebungen in Europa und Amerika auf den Prüfstand stellt. Die Umfrage wurde zwischen dem 15. und 17. Juni 2014, also nach der Entführung der drei israelischen Teenager und der darauf folgenden Militäraktion, im Auftrag des „Washington Institute“ von namhaften palästinensischen Meinungsforschern durchgeführt.
Erstaunt stellen die Meinungsexperten Anzeichen für einen kurzfristigen Pragmatismus fest – vor allem in Gaza. So ist Gewalt unter Palästinensern keineswegs populär. 56 Prozent der „Westbanker“ und 70 Prozent der „Gazanis“ befürworten einen Waffenstillstand der Hamas mit Israel. Zwei Drittel halten einen gewaltlosen Volkswiderstand gegen die Besatzung für sinnvoller als eine gewaltsame Intifada. Und schließlich offenbart diese jüngste Umfrage: Die momentanen Spannungen schaden der Hamas.
Rund 80 Prozent der Palästinenser wünschen sich mehr Arbeitsmöglichkeiten in Israel. Ungefähr die Hälfte wäre bereit, einen „gut bezahlten Job in Israel“ anzunehmen. Während eine knappe Mehrheit der Palästinenser einen Wirtschaftsboykott gegen Israel befürwortet, wünscht sich gleichzeitig eine klare Mehrheit, dass israelische Firmen mehr Arbeitsplätze in der Westbank und in Gaza schaffen.
Innerpalästinensische Kriminalität ist für viele Palästinenser ein größeres Problem als die Behinderung durch Straßensperren. Sie halten die Korruption innerhalb der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) für schwerwiegender als die Bedrohung durch israelische Soldaten oder jüdische Siedler. Die Freilassung von Gefangenen ist Palästinensern wichtiger als ein Siedlungsbaustopp, die Jerusalem-Frage, mehr Bewegungsfreiheit oder ein hartes israelisches Vorgehen gegen Siedlergewalt. Auch scheint die Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung in Gaza und dem Westjordanland kein Interesse an der Auflösung der Autonomiebehörde zu haben, die ihr Präsident Mahmud Abbas in den vergangenen Wochen mehrfach angedroht hat.

Keine Mehrheit für Zweistaatenlösung

Weniger als 30 Prozent der Palästinenser unterstützen eine Zweistaatenlösung. Eine Zweidrittelmehrheit der Palästinenser betrachtet die Befreiung des „historischen Palästina“ „vom Fluss zum Meer“ als wichtigstes nationales Ziel in den nächsten fünf Jahren. Eine Zweistaatenlösung ist für die überwältigende Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung erklärterweise kein „Ende des Konflikts“, sondern lediglich ein Stadium im Rahmen eines Programms zur Befreiung von ganz Palästina. So ist es kein Widerspruch, wenn eine Mehrheit der Palästinenser Präsident Abbas unterstützt, gleichzeitig aber die von ihm propagierte Zweistaatenlösung ablehnt.
Weniger als ein Drittel aller Palästinenser können sich ein „Ende der Besatzung durch eine Zweistaatenlösung“ vorstellen. Zehn Prozent wären für eine Einstaatenlösung, in der „Araber und Juden gleiche Rechte in einem Staat zwischen Fluss und Meer“ genießen würden.

Rivlin: „Zum Zusammenleben bestimmt“

Nimmt man die Wahl von Reuven Rivlin zum Staatspräsidenten Israels als Indikator für die öffentliche Meinung, ist die Tendenz zu kurzfristigem Pragmatismus und langfristigem Maximalismus auch auf jüdischer Seite sichtbar. Auf einem „Jüdischen Mediengipfel“ im Jerusalemer Ramada-Hotel meinte das designierte Oberhaupt des jüdischen Staates am 25. Juni: „Araber und Juden sind dazu bestimmt, miteinander zu leben!“ Araber und Juden im Nahen Osten müssten verstehen lernen, dass es „kein grausames Schicksal“, sondern ihre „Bestimmung“ sei, zusammenzuleben, meinte Rivlin und forderte eine „ständige Kommunikation und gegenseitiges Verständnis“.
Unmittelbar nach seiner Wahl hatte der als ausgesprochener Siedlerbefürworter bekannte Politiker, der sich mehrfach gegen die Einrichtung eines palästinensischen Staates ausgesprochen hat, eine Gratulation des palästinensischen Präsidenten Abbas. Jetzt sieht Rivlin in der Rede Abbas‘ in Saudi-Arabien eine Chance, das Vertrauen zwischen Israel und der PA wiederherzustellen.
Die Meinungsforscher des „Washington Institute“ kommen zu dem Schluss, dass die überraschende Kombination „von kurzfristigem Pragmatismus und langfristigem Maximalismus“ unter Palästinensern jede Hoffnung auf einen dauerhaften palästinensisch-israelischen Friedensvertrag zunichte macht. Sie raten ihrer Regierung, sich auf unmittelbare Schritte zu konzentrieren, die Spannungen abbauen und praktisch Bedingungen verbessern. So könne langfristig vielleicht eine Atmosphäre für gemäßigtere Einstellungen und fruchtbare Diskussionen geschaffen werden.

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