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Öffentliche Wasserschlacht

Die Bemerkung von EU-Parlamentspräsident Schulz vor der Knesset zur Wasserverteilung zwischen Israelis und Palästinensern im Februar hat in den Medien eine regelrechte Wasserschlacht ausgelöst. Ungeachtet aller Zahlen, Verträge und Fakten wird die Wasserknappheit als gefährlicher Funke zur Auslösung des nächsten Nahostkriegs beschrieben. Eine Medienkritik.
Bei diesen Wasserspielen im Westjordanland ist vom angeblichen palästinensischen Mangel nichts zu sehen.

Der Grundtenor ist simpel: Böse Juden stehlen armen Palästinensern das Wasser. Jüdische Siedler verschwenden Unmengen von Wasser, während Palästinenser das lebensnotwendige Nass mühsam und eimerweise aus Wasserlöchern ziehen, bis die israelische Armee kommt und diese zerstört. Somit wird der Kampf gegen Israel für die verdurstenden Palästinenser zur Überlebensfrage.
Die Internetseite „Spiegel Online“ berichtete vom Eklat um Martin Schulz‘ Rede, nennt als Grund dafür aber nicht die Wasserfrage, sondern „die Kritik des EU-Parlamentspräsidenten am Siedlungsbau“. Im Text heißt es: „Unter anderem habe der SPD-Politiker wahrheitswidrig behauptet, dass den Palästinensern weniger Wasser zur Verfügung stehe als den Israelis.“ So formuliert, hätten selbst die rechtesten Abgeordneten Schulz zugestimmt. Unstrittig ist nämlich, dass Palästinenser weniger Wasser haben als Israelis. „Wahrheitswidrig“ war lediglich die Behauptung, Palästinenser hätten nur 17 Liter pro Tag und Kopf. Interessanterweise ist der für den Eklat entscheidende Passus aus dem auf „Spiegel Online“ mitgelieferten Video der Rede herausgeschnitten.

Den Zahlen ausgewichen

Die deutsche Nachrichtenagentur dpa verbreitete infolge des Eklats deutschlandweit „Fakten zu Israels Wasserstreit“ – was so klingt, also würden sich Israelis untereinander streiten. Dabei unterschlägt die Autorin Sara Lemel ebenfalls die von Schulz behaupteten 17 Liter, um dann fortzufahren: „Der Deutsche hatte kritisiert, dass Israel dem eigenen Volk deutlich mehr Wasser pro Tag zur Verfügung stellt als den Palästinensern. Da Schulz sich dabei auf falsche Zahlen berief, machte er sich zum Opfer von Spott und Kritik. Doch auch wenn Schulz’ Zahlen nicht korrekt waren, halten Israel-Kenner die Empörung für inszeniert: Denn die Ungleichverteilung gibt es.“ So wird nicht Schulz vorgeworfen, ungeprüfte und falsche Zahlen verkündet zu haben. Vielmehr meinen von Lemel namentlich nicht genannte „Israel-Kenner“, Knessetabgeordnete hätten den Eklat „inszeniert“.
Lemel verschweigt die marode Infrastruktur. Laut dpa entstehen 30<nonbreaking-space>Prozent Wasserverlust durch „Anzapfen von Wasserleitungen durch palästinensische Landwirte“. Das mag einer von vielen Gründen sein. Diese Darstellung klingt aber so, als wolle die dpa die Not der palästinensischen Bauern demonstrieren und gleichzeitig Vorwürfen gegen die Palästinensische Autonomiebehörde ausweichen. Auch andere von der dpa genannte „Fakten“ sind fragwürdig.
Anders als „Spiegel Online“ und dpa schreibt Kathrin Haimerl in der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) korrekt, dass es die von Schulz genannten Zahlen waren, die den Eklat in der Knesset ausgelöst haben. „Kabale nach Zahlen“ titelt die SZ. Der Artikel verweist auf unterschiedliche Berechnungsgrundlagen als Ursache für widersprüchliche Angaben. Doch anstatt offizielle Informationen einzuholen, beruft sich die SZ dann vor allem auf UNO, Amnesty International und Nichtregierungsorganisationen, denen nur bedingt zu trauen ist. Eigentümlich mutet an, wenn dabei ein israelisches Forschungsinstitut als „israelfreundlich“ bezeichnet wird, während andere Institutionen trotz eindeutigen politischen Standpunkts nicht eingeordnet werden. So beschreibt Haimerl das „Begin-Sadat Center for Strategic Studies“ (BESA), das die umfassende Wasserstudie von Haim Gvirtzman veröffentlicht hat, als „israelfreundlich“ – was nur als klare Warnung an den Leser im Blick auf die Vertrauenswürdigkeit von Gvirtzman verstanden werden kann.
Noch deutlicher wird der „unverheiratete, bekennende Atheist und in Palästina lebende“ Hydrologe Clemens Messerschmid in einem Artikel der SZ, der auch von der Deutsch-Arabischen Gesellschaft wiedergegeben wird. Gvirtzman sei „Siedler“, warnt er dort und in einem Interview mit dem islamistischen Internetportal „Muslim Markt“. Messerschmid behauptet, israelische Siedler im besetzten Westjordanland verbrauchten „13.000 Liter pro Person und Tag“, während sich ein Israeli anderswo mit „nur“ 278 Litern pro Tag begnügen müsse. Ein Palästinenser bekomme gleichzeitig 77 Liter, obgleich nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation mit 100 Litern die Grenze „für ein menschenwürdiges Leben“ unterschritten werde.
Mit 13.000 Litern pro Tag und Kopf könnte eine Siedlerfamilie jeden zweiten Tag ein Schwimmbad mit olympischen Ausmaßen füllen. Rund 300.000 Siedler würden laut Messerschmids Angaben genauso viel Wasser verbrauchen, wie alle acht Millionen Einwohner Israels – inklusive der Siedler – gemeinsam, nämlich etwa 1,5 Milliarden Kubikmeter pro Tag. Den 80 Millionen Einwohnern Deutschlands stehen mit 3,5 Milliarden Kubikmetern gleichzeitig nur dreimal so viel Wasser zur Verfügung.
Messerschmids Rechnung beinhaltet im Fall der Israelis „gewerbliches Brauchwasser“, also geklärtes Abwasser, das in einem separaten Rohrsystem ausschließlich für landwirtschaftliche Zwecke verwendet wird. Dass die Palästinenser ihre Abwässer aus offensichtlich ideologischen Gründen nicht klären und sich weigern, israelisches Brauchwasser zur Bewässerung ihrer Felder zu verwenden, verschweigt der deutsche Wasserexperte. Gleichzeitig sind bei der Angabe von 77 Litern für die Palästinenser schon etwa 30 Prozent Wasserverlust durch gebrochene Rohre abgezogen.
Fast im Gleichschritt griffen ARD und ZDF das Schulz-Motiv von 70 Liter für Israelis bei 17 Litern für Palästinenser auf.

Siedler werden nicht befragt

Beide Anstalten befragten einen beliebigen palästinensischen Bauern aus der Nähe von Jericho zu seiner Wassernot, zeigten verrostete Rohre und gleichzeitig auf benachbarte israelische Siedlungen, wo es Wasser im Überfluss gebe. Anstelle einer Stellungnahme aus einer Siedlung oder der israelischen Wassergesellschaft, ließ die ARD eine linksgerichtete israelische Menschenrechtsaktivistin von „BeTselem“ zu Wort kommen, die selbstverständlich die Unterdrückung der Palästinenser durch die israelischen Besatzer bestätigte. Christian Sievers vom ZDF bot sogar eine Lösung: Wenn die Israelis den seit Jahrzehnten zum verdreckten Rinnsal verkommenen Jordan am See Genezareth nicht gestaut und gleichzeitig Palästinensern den Zugang zum „Fluss“ verboten hätten, bräuchten diese nicht zu verdursten und ihre Felder verdorren zu lassen. Beide Dokumentationen sind so einleuchtend aufgebaut, dass dem Zuschauer keine Chance bleibt, Fragen zu stellen. Angesichts der Tatsache, dass nicht einmal die erwähnten „Fakten“ stimmen, kann dies nur als einseitige Propaganda bezeichnet werden.
In der Wochenzeitung „Die Zeit“ stellte der israelische Journalist Gil Yaron die Kontroverse gut belegt dar. Dabei machen die Kontrahenten sowohl bei Wassermengen als auch bei Bevölkerungszahlen unterschiedliche Angaben und gelangen deshalb zu divergierenden Schlüssen.
Hans-Christian Rössler schreibt in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) über „verwirrende Wasserzahlen“ und stellt widersprüchliche Angaben von UNO und Menschenrechtsorganisationen den abweichenden offiziellen israelischen oder palästinensischen Zahlen gegenüber. „Zahlen sind im Nahost-Konflikt immer hochpolitisch und selten wirklich verlässlich“, erkennt der FAZ-Korrespondent und bescheinigt Schulz „eigenartig niedrige Zahlen“.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) stellte mit Quellenangaben aus Studien und Presseartikeln schlüssig die Widersprüche in der israelisch-palästinensischen Wasserfrage dar. Dabei dienen eine Zusammenfassung der israelischen Botschaft und die Gvirtzman-Studie als Basis für die Darstellung der israelischen Seite, wobei der Botschaftsreport auch auf Vertragstexte hinweist. Die KAS analysiert die Diskussion in israelischen Medien, verweist auf Nichtregierungsorganisationen, nennt aber keine palästinensischen Quellen.
Viel zitiert, aber eindeutig politisch gefärbt, sind Berichte von Amnesty International und der Weltbank. Technisch langweilig, aber lesenswert und ausgewogen ist ein Report der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD), der sich zudem mit einer Vielzahl von Problemen wie Klimawandel, Technologien und gesetzlichen Maßnahmen auseinandersetzt.

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