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Wasserstreit im Nahen Osten

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat mit seinen Bemerkungen zur Wasserversorgung der Palästinenser im Februar dieses Jahres einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Haim Gvirtzman, Professor für Hydrologie an der Hebräischen Universität Jerusalem, antwortet dem SPD-Politiker in einem Artikel, den wir im Folgenden zusammengefasst haben.
Wasser ist in Nahost ein strittiges Thema.

In seiner Rede vor dem israelischen Parlament am 12. Februar bemängelte Schulz Israels Verhalten gegenüber den Palästinensern. Er zitierte einen jungen Palästinenser: „Wie kann es sein, dass Israelis 70 Liter Wasser am Tag benutzen dürfen und Palästinenser nur 17?“
Zunächst ist bemerkenswert, dass der israelische Wasserexperte Gvirtzmann, der Mitglied des Rates der israelischen Wasserbehörde und langjähriger Berater des gemeinsamen israelisch-palästinensischen Wasserausschusses ist, den gravierenden Unterschied im Blick auf die Wasserversorgung der Bevölkerung Israels und der palästinensischen Autonomiegebiete mit keinem Wort in Frage stellt. Entscheidend sind aus seiner Sicht die Gründe, die zu diesem Ungleichgewicht führen. Die Wasserfragen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) sind in den Oslo-Abkommen vertraglich geregelt. Demnach haben die Palästinenser das Recht, aus dem Aquifer, dem Grundwasserträger, in den östlichen Hebronbergen 70 Millionen Liter Wasser pro Jahr zu pumpen. Trotz finanzieller Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft hat die PA in den vergangenen zwei Jahrzehnten nur an einem Drittel der vereinbarten Stellen gebohrt. Der Großteil dieses Wassers läuft ungenutzt ins Tote Meer.

Hausgemacht: Wasserverlust

Ein Drittel des palästinensischen Wassers geht durch undichte Wasserleitungen verloren. Laut Gvirtzman geben sich die Palästinenser keine Mühe, ihre Wasserrohre zu reparieren. In Israel hingegen liegt der Wasserverlust durch schadhafte Leitungen bei nur 10 Prozent.
Die Palästinenser weigern sich, Wasseraufbereitungsanlagen zu bauen, obwohl sie nach den Oslo-Abkommen dazu verpflichtet sind. Vielfach fließt das Abwasser ungeklärt in die Bach- und Flussläufe. Die Folgen für die Umwelt sind katastrophal. Obwohl Geberländer bereit sind, den Bau von Kläranlagen vollständig zu finanzieren, entziehen sich die Palästinenser dieser Pflicht. Erst seit zwei Jahren ändert sich in dieser Hinsicht allmählich etwas, weil Israel Druck ausübt.
Bislang weigern sich die Palästinenser außerdem, ihre Felder mit geklärtem Abwasser zu bewässern. In Israel dagegen wird mehr als die Hälfte aller landwirtschaftlichen Flächen mit aufbereitetem Abwasser versorgt.
Einige palästinensische Bauern bewässern ihre Felder durch Überflutung. Durch Tropfbewässerung würde der Wasserverbrauch um mehr als 50 Prozent reduziert. Eine Überflutung der Felder ist eine enorme Wasserverschwendung, nicht zuletzt durch die große Verdunstung.
Die Internationale Gemeinschaft hat angeboten, im Gazastreifen eine Meerwasserentsalzungsanlage zu bauen. Die Palästinenser haben dieses Geschenk abgelehnt, obwohl eine solche Anlage das Wasserproblem für den gesamten Gazastreifen lösen könnte.
Die Palästinenser konsumieren im Westjordanland heute etwa 200 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Sie könnten diese Menge ohne weiteres um mindestens 50 Prozent erhöhen, ohne jegliche Unterstützung von außen oder weitere Wasserzuteilung durch den Staat Israel.

Hilfreich: Einfache Maßnahmen

Dafür sind, laut Gvirtzman, einige einfache Maßnahmen erforderlich:

Die Erschließung der Wasservorkommen in den östlichen Hebronbergen könnte schnell zusätzliche 50 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich liefern.
Durch die Reparatur der großen Lecks in den städtischen Wasserleitungen könnte der Verlust von 33 auf 20 Prozent reduziert werden, was ohne großen Aufwand weitere 10 Millionen Kubikmeter pro Jahr erbrächte.
Durch das Sammeln und die Aufbereitung von Abwasser aus den palästinensischen Städten würden unmittelbar 30 Millionen Kubikmeter Frischwasser für private Haushalte freigesetzt und eine Erweiterung der landwirtschaftlichen Nutzflächen ermöglicht.
Durch den Einsatz von Tropfbewässerung könnten die Palästinenser weitere 10 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr sparen.
Im Gazastreifen könnte eine Meerwasserentsalzungsanlage, die Reparatur von schadhaften Rohrleitungen, Abwasseraufbereitung und der Einsatz von Tropfbewässerung die bislang zur Verfügung stehenden 60 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr nahezu verdoppeln.

Gvirtzman folgert: Die Wasserknappheit in den Autonomiegebieten ist das Ergebnis einer palästinensischen Politik, die Wasser verschwendet und die regionale Wasserökologie zerstört. Der Hydrologe spricht von einem „Wasserkrieg gegen Israel“ und wirft den Palästinensern vor, Wasser als Waffe einzusetzen. Er meint, die PA sei mehr daran interessiert, Israel das Wasser abzugraben, natürliche Wasserreserven zu verschmutzen, israelischen Landwirten Schaden zuzufügen und Israels Ruf in der Welt zu schaden, als das Wasserproblem der Palästinenser zu lösen. Vor diesem Hintergrund erklären sich einige weitere, ansonsten völlig irrationale Phänomene.

Nicht existent: Wasserrechnungen

Bis 2010 hatten die Palästinenser mehr als 250 Brunnen im westlichen und nördlichen Aquifer gebohrt. Das ist eine Verletzung der Abkommen von Oslo. Seither hat das Bohren illegaler Brunnen mit alarmierender Geschwindigkeit zugenommen. Dadurch wurde etwa der natürliche Fluss von Wasser durch die Täler von Beit Schean und Harod in Israel verringert. Israelische Landwirte wurden gezwungen, ihre landwirtschaftlichen Pflanzungen zu reduzieren. Der Staat Israel musste die Wassermenge, die aus dem Aquifer in den Bergen gepumpt wird, von jährlich 500 Millionen Kubikmetern im Jahr 1967 auf heute 400 Millionen Kubikmeter reduzieren.
Palästinenser stehlen Wasser, indem sie Leitungen der staatlichen israelischen Wassergesellschaft Mekorot anzapfen. Infolgedessen bekam Mekorot Schwierigkeiten bei der Lieferung von Wasser – nicht nur an Israelis, sondern auch an Palästinenser.
Zur Weigerung, Wasserleitungen zu reparieren, Abwasser zu sammeln und aufzubereiten, aufbereitetes Wasser in der Landwirtschaft zu nutzen, kommt noch, dass die PA ihren Bürgern keine Wasserrechnungen ausstellt. In vielen Pumpstationen und Privathäusern gibt es nicht einmal Wasseruhren. So ist es unmöglich, den Wasserverbrauch einzelner Kunden festzustellen. Die meisten palästinensischen Einwohner im Westjordanland und im Gazastreifen bezahlen – im Gegensatz zu ihren jüdischen Nachbarn – nichts für das Wasser, das sie zu Hause oder auf ihren Feldern verbrauchen. Dies führt selbstverständlich zu einer ungeheuren Wasserverschwendung.

Undurchsichtig: Die Verwaltung

Die PA kauft jedes Jahr 50 Millionen Kubikmeter Wasser von Israels Wassergesellschaft Mekorot. Dieses Wasser wird aber nicht direkt, sondern zunächst vom Staat Israel bezahlt. Der jüdische Staat zieht dann diese Kosten von Steuer- und Zolleinnahmen ab, die er für die PA an israelischen Häfen einnimmt. Tatsächlich bezahlt die PA auf diese Weise aber nur 80 Prozent des von ihr verbrauchten Wassers. Da der palästinensische Wassermarkt auf undurchsichtige Art geführt wird, bezuschusst so letztendlich der israelische Verbraucher den palästinensischen Verbraucher. Ein Israeli bezahlt im Durchschnitt zehn Schekel pro Kubikmeter Wasser. 0,2 Schekel davon bezuschussen das Wasser der Palästinenser.
Nur in Israel, dem Westjordanland und den Golf-Staaten gibt es in 96 Prozent der Haushalte ausreichend trinkbares Leitungswasser. Die Bewohner in fast jedem anderen Land der Region Nahost leiden unter schrecklicher Wasserknappheit. In der jordanischen Hauptstadt Amman etwa werden Privathaushalte nur einmal in zwei Wochen mit Wasser beliefert. Weil die Türken das Wasser der Ströme Euphrat und Tigris umleiten, trocknen landwirtschaftliche Flächen in Syrien und im Irak aus. Millionen von Bauern verlieren im eigentlich fruchtbaren Zweistromland ihre Lebensgrundlage. In den Jahren unmittelbar vor Beginn des „arabischen Frühlings“ sind mehr als drei Millionen Landwirte aus den Euphrat-Tälern in die Vororte von Damaskus ausgewandert. Doch dort wird das Flusswasser, das als Trinkwasser genutzt wird, mit Abwasser vermischt.
In Ägypten gehen enorme Mengen Wasser durch Überflutungsbewässerung verloren. Der Nil stellt dreißig Mal mehr Wasser zur Verfügung, als Israels jährlicher Wasserverbrauch umfasst. Die Bevölkerung Ägyptens ist nur zehn Mal so groß wie die Israels. Dennoch leidet Ägypten an Hunger und Durst. Der Grund dafür ist eine schwerwiegende Wasserverschwendung. Ähnliches gilt für ganz Nordafrika.
In Israel dagegen gibt es trotz einer Reihe von Trockenjahren keine Wasserknappheit, weil der Staat Meerwasser entsalzt, Abwasser aufbereitet und mit den Ressourcen sparsam und effektiv umgeht. Israel wurde so sogar zum Wasserexporteur. Mittlerweile liefert es jährlich 55 Millionen Kubikmeter Wasser an Jordanien und verkauft weitere 50 Millionen Kubikmeter an die Palästinenser. Frieden und regionale Kooperation würden dem Staat Israel ermöglichen, seinen Nachbarn zu helfen, ihre Notlage in den Griff zu bekommen.

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