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Tragödie ohne menschlichen Ausweg: Gastarbeiter in Israel

„Wir lieben den Staat Israel. Alle meine Freunde sind aus Tel Aviv und Holon. Meine Mutter und ich sind ganze Israelis. Ich möchte hier bleiben.“ Der 13jährige Kolumbianer wohnt im Süden von Tel Aviv, spricht fließend Hebräisch und geht in die Realschule. Vor neun Jahren war er mit seiner Mutter als Tourist ins Land gekommen und einfach geblieben.

Diese beiden Kolumbianer sind zwei von 300.000 Ausländern, die in Israel einer Beschäftigung nachgehen, davon schätzungsweise 50.000 ohne offizielle Genehmigung. Hinzu kommen noch 150.000 Palästinenser, die dauerhaft in Israel leben, illegal und ohne Staatsbürgerschaft.

Insgesamt 12,8 Prozent der Arbeitnehmer Israels sind Gastarbeiter, vor allem aus China, Rumänien, Bulgarien, der Türkei, den Philippinen und Thailand. Damit steht Israel mit der Zahl von Gastarbeitern in Relation zur Einwohnerzahl weltweit an zweiter Stelle nach der Schweiz, gefolgt von Österreich, Belgien und Deutschland.

Wie kommen diese Menschen ins Land? Als Touristen, legal als Gastarbeiter, die dann nach Ablauf ihres Vertrages einfach nicht in ihre Heimat zurückkehren, und auf vielen anderen Wegen.

Ende September berichtete die ägyptische Polizei, daß 16 chinesische Touristen während eines Besuches auf der Sinaihalbinsel „verschwunden“ seien. Die Chinesen waren über den Flughafen Kairo eingereist und hatten an einem Programm der „Vienna Tours“ in Kairo teilgenommen.

Am vergangenen Samstagabend fand die Polizei in el-Arish im Nordsinai zwar den Bus, den Fahrer und den Tourguide, nicht aber die Reisegruppe. Sie seien mit Beduinen auf eine Wüstentour gegangen, berichtete der ägyptische Reiseleiter. Zu dem Ausflug in Geländewagen gehöre auch ein Kamelritt.

Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP äußerten Sicherheitsbeamte die Vermutung, die Beduinen hätten die Chinesen ins benachbarte Israel gebracht, um dort Arbeit für sie zu finden. Russische Staatsangehörige, vor allem Frauen, sind so schon öfters in das Land ihrer Träume gelangt.

Mit dem Heer von Illegalen ist eine Flut von Problemen verbunden. Orthodoxe Juden sehen durch die nicht-jüdischen Ausländer eine langsame aber sichere Veränderung der demographischen Zusammensetzung des jüdischen Staates.

Für den finanziell angeschlagenen Staat Israel sind die illegalen Gastarbeiter ein zusätzlicher Kostenfaktor. Im Falle eines US-Angriffs auf den Irak, sieht sich beispielsweise das Gesundheitsministerium nicht nur allen Israelis verantwortlich, sondern will auch Touristen und Gastarbeiter gegen Pocken impfen.

Und schließlich sind diese billigen Arbeitskräfte, die oftmals unterbezahlt sind und für die weder Steuern noch Sozialabgaben entrichtet werden, eine zusätzliche Belastung für den Arbeitsmarkt.

Israel hat in etwa so viele Arbeitslose wie Gastarbeiter, was die hebräische Tageszeitung Ma’ariv in einem Leitartikel vom 20. Februar als „moralischen Bankrott der israelischen Gesellschaft“ bezeichnete. Arbeits- und Wohlfahrtsminister Shlomo Benizri von der ultra-orthodoxen Shass-Partei verfolgt seit Monaten einen harten Kurs, um die Zahl der Gastarbeiter in Israel zu senken.

Die Kehrseite der Medaille ist, daß die Ausländer vor allem in Bereichen tätig sind, in denen Israelis nicht arbeiten wollen: in der Landwirtschaft und im Baugewerbe.

Die Sicherheitslage und die dadurch bedingten Abriegelungen der palästinensischen Autonomiegebiete haben die israelische Wirtschaft durch den Ausfall der arabischen Arbeiter schwer getroffen. Viele palästinensische Arbeitskräfte wurden durch Gastarbeiter ersetzt. So kamen im Jahr 2000 52.200 Gastarbeiter legal nach Israel, 2001 waren es noch einmal 74.400.

Im Jahr 2001 mußten 4.500 Landwirte, das sind 20 Prozent aller Farmer in Israel, Bankrott anmelden oder wandten sich aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage einer anderen Beschäftigung zu. „Die Wut der Landwirte über das Verbot neuer Gastarbeiter ist augenfällig“, schrieb die Jerusalem Post Anfang Februar. „Aber was kann getan werden, um die Tragödien und Verzerrungen der Arbeitsmarktlage wieder in Ordnung zu bringen?“

Mitte August beschloß die Regierung Sharon, daß alle illegalen Gastarbeiter bis Ende Dezember das Land verlassen haben müssen. Anfang September wurde deshalb innerhalb der israelischen Polizei eine Sondereinheit eingerichtet. Bislang wurden 700 illegale Gastarbeiter verhaftet, 450 bereits abgeschoben. Und jetzt sollen erstmals Tausende Kinder von illegalen Gastarbeitern aus Israel ausgewiesen werden.

Die Behörden sehen sich der Aufgabe in keiner Weise gewachsen. Endlose Gerichtsverfahren, nicht zuletzt von Ausländern gegen ihre israelischen Arbeitgeber, die sie ins Land gebracht haben, Schwierigkeiten mit den Fluggesellschaften, die sich weigern, große Gruppen von Ausländern zu deportieren, und diplomatische Querelen mit ausländischen Vertretungen stehen ins Haus.

Wie andere entwickelte Länder wird Israel wahrscheinlich nicht umhin kommen, eine Reihe von Gastarbeitern der zweiten Generation zu integrieren. Doch Israel hat, wie alle anderen Industrienationen, keine andere Wahl, als der Zuwanderung Grenzen zu setzen. Das spüren alle Ausländer, die – aus welchen Gründen auch immer – im jüdischen Staat leben wollen.

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