Es geht um Wein aus dem Salesianer-Kloster Cremisan bei Jerusalem. Soldaten hätten Lastwagen des Klosters aus „Sicherheitsgründen“ die Durchreise nach Israel verweigert. So sei der Wein nicht zum Hafen von Haifa und von dort nach Europa gelangt. Kenner wissen freilich, dass der Wein von Cremisan noch nicht einmal für die Herstellung von Glühwein geeignet ist, weil ziemlich ungenießbar.
Doch in der Oxfam-Pressemitteilung wird der Wein aus Cremisan wegen seiner Qualität angepriesen, hergestellt nach „klassischen italienischen Methoden“, biologisch angebaut, rein und ungepantscht, vom lateinischen Patriarchat empfohlen als Messwein. Einer spanischen Zeitung erzählte der verantwortliche Pater Franco Ronzanni, dass Cremisan bis Ausbruch der Intifada etwa 700.000 Flaschen Wein produziert habe. Heute seien es nur noch knapp 100.000.
Pater redet von „technischen Problemen“
Sheldon ist fest von der Richtigkeit ihrer Angaben überzeugt und beklagt die „schlechte Weihnachtsnachricht“ für die britischen Christen. Sie gestand, nur von den Mönchen des Klosters informiert worden zu sein. Doch Pater Franco von Cremisan redete auf Anfrage lediglich von „technischen Problemen bei der Weinherstellung und kaputten Maschinen“. Er dementierte Probleme an den Straßensperren. Ebenso redete er von guten Kontakten mit den Israelis. Für Sheldon war diese Aussage des Paters kein „Beweis“. Die Mönche hätten Angst vor den Israelis und könnten nicht die Wahrheit sagen.
Die nächste Anlaufstelle zur Aufklärung des Mysteriums um den ungenießbaren Cremisan-Wein waren die verantwortlichen israelischen Stellen. Ein hoher Militär, der verantwortlich ist für die Beziehungen zwischen der israelischen „Zivilverwaltung“ und der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland, kannte den Vorfall. Er gab eine völlig andere Version wieder. Das Cremisan-Kloster liege direkt an der Grenze zwischen dem von Israel 1967 erweiterten und annektierten Stadtgebiet Jerusalems und dem palästinensisch verwalteten Bethlehem. Auf dem Klostergelände soll die berüchtigte Sperrmauer hochgezogen werden. Offen ist, ob die Klosterschule künftig unzugänglich für die palästinensischen Kinder aus Bethlehem werde, oder aber ob die Mönche, die als Lehrer dienen, von ihrer Schule ausgesperrt bleiben.
Nach Angaben jenes Offiziers helfe Israel vor allem Christen in der Gegend von Bethlehem. Jeden Morgen gegen elf Uhr sammeln sich mit „Jerusalem-Stein“ beladene Lastwagen vor dem Checkpoint „Tunnel-Straße“ vor Jerusalem und werden dann durchgewunken. Der so genannte „Jerusalem-Stein“ wird in Bethlehem geschnitten, geschliffen und behauen. Er ist neben dem Tourismus die wichtigste Einkommensquelle der Geburtsstadt Jesu. Die Steinindustrie funktionierte auch in den schlimmsten Zeiten der Intifada dank einer israelischen Politik der „offenen Tür“ für diesen Wirtschaftszweig. Wegen eines alten britischen Gesetzes müssen alle Häuserfassaden in Jerusalem wie in Jordaniens Hauptstadt Amman mit dem goldbraunen Stein verkleidet werden.
Israelisches oder palästinensisches Gebiet?
„Wir lassen nur mit Steinen beladene Lastwagen durch, sonst absolut nichts“, sagte der für die Übergänge verantwortliche israelische Offizier. Sein Vorgesetzter verriet jedoch im Privatgespräch, vor einigen Wochen persönlich die Genehmigung für die Durchfahrt von zwei Kleinlastern mit 12.000 Wein Flaschen erteilt zu haben. Weil Cremisan auf „israelischem“ Gebiet liege, gelten nicht die Beschränkungen für palästinensische Produkte. Der Wein sei „made in Israel“.
Dieser Darstellung widersprach Samir Hasbun, Leiter der Bethlehemer Handelskammer und ein Christ mit vorzüglichen Kontakten zu den Israelis. Cremisan gehöre zu den palästinensischen Gebieten. Der Wein-Export laufe über seine Handelskammer „wegen des vorgeschriebenen Urprungsland-Zertifikats ‚made in Palestine'“. Hasbun erzählte, dass der Cremisan-Wein schlechte Qualität habe. Deshalb habe die Handelskammer 15 Mitarbeiter des klösterlichen Weinkellers zur Fortbildung nach Italien geschickt. Dort sollten sie auch neue Maschinen für Cremisan besorgen. Das Kloster exportiere nur kleine Mengen. „Dann koordinieren wir mit den israelischen Militärbehörden die Passage durch die Sperren.“ Zu dem angeblichen Vorfall um den Messwein sagte Hasbun nichts, wusste aber von Problemen beim Export des seit 350 Jahren in Bethlehem gebrauten Anis-Schnaps. Muslime und Juden lehnen das Getränk aus Glaubensgründen ab. „Für die Palästinenser ist das Alkohol, für die Israelis ist der Schnaps nicht koscher.“
Ob die Briten und Deutschen den Cremisan-Wein rechtzeitig zu Weihnachten erhielten oder auf den „Genuss“ verzichten mussten, ließ sich anhand der Widersprüche aller Beteiligten nicht ermitteln. Offen bleibt auch, ob das Kloster „technische Probleme“ hatte, oder ob das israelische Militär die Durchfahrt blockiert hat.