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Jüdische Reaktionen auf Papstwahl

JERUSALEM (inn) – „Der neugewählte Papst repräsentiert Hingebung, die Liebe Gottes, Friedensliebe, eine heilige Bescheidenheit und einen neuen erwachenden Kontinent. Möge der Herr den neuen Papst segnen.“ Das war die offizielle Reaktion Israels zu Franziskus I., formuliert von Staatspräsident Schimon Peres.
Weckt Hoffnung bei Juden: der neue Papst (hier 2008 mit der argentinischen Präsidentin Kirchner bei einer Messe)

Dem Gratulationsschreiben fügte Peres auch eine Einladung an den neuen Papst bei, „dem Heiligen Land so bald wie möglich einen Besuch abzustatten. Er wird ein willkommener Gast sein“. Peres hatte die Glückwünsche gegenüber katholischen Priestern aus Polen geäußert, die er an seinem Jerusalemer Amtssitz empfing. Der Papst sei ein „Mann der Inspiration“ und könne einen Beitrag leisten, „in dieser stürmischen Region Frieden zu bringen“. Über den zurückgetretenen Papst Benedikt XVI. sagte Peres bei der Gelegenheit, dass dieser „ein lieber Freund unseres Volkes und ein tiefer Denker“ sei, der wirklich viel getan habe, „um historisch und anders die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem jüdischen Volk zu fördern“.

Gratulationen aus der jüdischen Welt

Auch die großen jüdischen Organisationen in der Welt gratulierten dem neuen Papst. Der jüdische Weltkongress (WJC) fügte einer Pressemitteilung sogar ein Foto von WJC-Präsident Ronald S. Lauder mit dem argentinischen Kardinal Jorge Mario Bergoglio bei, dem heutigen Papst Franziskus I. Aufgenommen wurde es 2008 in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Im Namen des WJC und der angeschlossenen jüdischen Organisationen in hundert Ländern schickte Lauder „herzliche Glückwünsche“ und erwartet eine weitere Vertiefung der engen Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und den Juden, wie in den vergangenen zwei Jahrzehnten. „Papst Franziskus I. ist für uns kein Unbekannter“, heißt es da weiter. Der neue Papst sei ein offen denkender (open minded) Mann des Dialogs mit der Fähigkeit, Brücken zu anderen Konfessionen zu bauen.
Rabbi Marvin Hier hat im Namen des Simon Wiesenthal Center (SWC) eine Eilmeldung veröffentlicht, um Kardinal Jorge Bergoglio anlässlich der Wahl zum „Höchsten Pontifex“ zu gratulieren. „Wir haben einen guten Grund, darauf zu vertrauen, dass Papst Franziskus I. ein unermüdlicher Verteidiger der historischen Nostra Aetate sein wird, der Deklaration zur Beziehung zwischen der Kirche und den nicht-christlichen Religionen, während des Zweiten Vatikanischen Konzils verabschiedet.“
Abraham H. Foxman, Direktor der einflussreichen jüdisch-amerikanischen „Anti-Defamation League“ (ADL) wünschte dem Papst alles Gute für seine neue wichtige Verantwortung. Wie die anderen jüdischen Sprecher erwartet Foxman eine weitere Stärkung der katholisch-jüdischen Beziehungen. „Er hat da schon viele Verdienste. Das lässt uns beruhigt in die Zukunft schauen.“ Foxman zählt mehrere jüdische Feiertage auf, an denen sich Kardinal Bergoglio in der jüdischen Gemeinde von Argentinien beteiligt habe. 2010 habe er auch an einer Gedenkfeier für die Toten des 1994 durch Selbstmordattentäter der Hisbollah im jüdischen Gemeindezentrum von Buenos Aires ermordeten Juden teilgenommen. Das, so Foxman, sei ein Zeichen, dass der Papst sich gegen Extremismus stemmen werde.
Der Direktor für interreligiöse Beziehungen des Amerikanisch-Jüdischen Komitees, Rabbi David Rosen, charakterisierte den neuen Papst als „warmherzigen und süßen und bescheidenen Mann“. Er sei in Buenos Aires dafür bekannt, dass er selbst koche und Anrufe persönlich entgegennehme, sagte der Rabbiner der jüdischen Nachrichtenagentur JTA.
Nach dem Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum 1994 habe Bergoglio „Solidarität mit der jüdischen Gemeinde“ gezeigt, fügte Rosen hinzu. 2005 habe er in dem Zusammenhang als erste Person der Öffentlichkeit eine Petition für Gerechtigkeit unterzeichnet. Auch habe er sich zum 11. Jahrestag an der Aktion „85 Opfer, 85 Unterschriften“ beteiligt und im Juni 2010 das wiedererrichtete Gebäude besucht, um mit führenden jüdischen Persönlichkeiten zu sprechen.

Mitarbeit bei jüdisch-katholischem Projekt

Der frühere Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses, Israel Singer, hat Anfang des 21. Jahrhunderts mit dem neuen Papst bei einem sozialen Projekt zusammengearbeitet. In Buenos Aires verteilten sie Hilfe an die Armen – im Rahmen eines jüdisch-katholischen Programmes namens „Tzedaka“ (Gerechtigkeit). „Sie seien in die ärmeren Viertel hinausgegangen, „wo Juden und Katholiken gemeinsam litten“, zitiert die JTA den Juden. „Wenn jeder auf einem Stuhl mit Lehne saß, wollte er in dem ohne sitzen. Er schaute immer danach, bescheidener zu sein. Es wird hart für ihn sein, all diese Uniformen zu tragen.“
Bergoglio hat auch das Vorwort für ein Buch des Rabbiners Sergio Bergman aus der argentinischen Hauptstadt verfasst. Darin bezeichnete er den Autor als „einen meiner Lehrer“. Im vergangenen November nahm der neue Papst an einer Gedenkveranstaltung für die Reichspogromnacht von 1938 in einer Kathedrale mit einem Rabbi teil.
Der Direktor des Lateinamerikanischen Jüdischen Kongresses, Claudio Epelman, äußerte seine Wertschätzung für das katholische Kirchenoberhaupt. Der Kongress „hatte mehrere Jahre lang eine enge Verbindung mit Jorge Bergoglio. Wir kennen seine Werte und Stärken. Wir haben keinen Zweifel, dass er die katholische Kirche gut leiten wird“.

Zentralrat zuversichtlich

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland beglückwünschte Franziskus I. zu seiner Wahl. „Auf den neuen Papst warten große Aufgaben innerhalb der katholischen Kirche. Dafür wünschen wir ihm eine glückliche Hand und Gottes Segen“, heißt es in einer Stellungnahme von Zentralratspräsident Dieter Graumann. „Zugleich hoffen wir, dass Papst Franziskus den Kurs der Annäherung, der Freundschaft und des Vertrauens zwischen Christentum und Judentum fortsetzt und sogar noch weiter verstärkt.“
Weiter schreibt Graumann: „Der neue Papst hat bisher schon gezeigt, dass er der jüdischen Gemeinschaft mit ganz besonderer Wärme und Herzlichkeit begegnet. Wir gehen deshalb davon aus dass er dem katholisch-jüdischen Verhältnis während seines Pontifikats eine große Bedeutung zukommen lassen wird. Unsere Hände sind weit ausgestreckt, um den intensiven und freundschaftlichen Dialog mit der katholischen Kirche weiterzuführen. Wir sind sehr zuversichtlich, dass sich bei gutem Willen und gegenseitigem Respekt auch für schwierige Fragen gemeinsame Lösungen finden lassen. Mit Papst Franziskus verbinden wir daher besonders große Hoffnungen, die tief aus dem Herzen kommen.“

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