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Journalist Sahm: „Israelis haben kein Problem mit uns“

HEIDELBERG (inn) - "Jeden Tag, den man länger in Israel lebt, kapiert man mehr, dass man bislang noch gar nichts verstanden hat." Diese Erfahrung teilte der Journalist und Israelnetz-Autor Ulrich W. Sahm am Donnerstag bei einem Vortrag in Heidelberg mit seinen Zuhörern. Eingeladen hatte die Hochschule für Jüdische Studien.

Die Veranstaltung in der Neuen Universität stand unter dem Thema: „30 Jahre Leben in Israel als deutscher Journalist. Zwischen Krieg und Frieden, deutscher Vergangenheit und Schoah-Bewusstsein“. Sahm, der mit einer israelischen Frau verheiratet ist, ging dabei auch auf die Erlebnisse seiner Jugend ein, die ihn später nach Israel führten. Als Diplomatensohn besuchte er Schulen unter anderem in England und Frankreich, bevor er im südhessischen Heppenheim Abitur machte. An der internationalen Schule in Paris war er als 14-Jähriger mit sechs Israelis in der Klasse, mit denen er auch befreundet war. Er selbst war der einzige Deutsche und bekam die Vorbehalte der Franzosen zu spüren. Auf diese Weise wurde ihm schon früh seine deutsche Identität bewusst.

Mit 18 Jahren fuhr er 1968 das erste Mal nach Israel, weil dort seine Freunde lebten. Aufgrund der Erfahrungen seiner Jugend hatte er keinerlei Berührungsängste und sprach offen von seiner deutschen Herkunft. Bei Israelis stieß er damit auf keinen Widerstand. Er hatte einen Presseausweis von einer kleinen Heppenheimer Zeitung mitgenommen. Im Museum von Beit Alfa im Norden Israels teilte ihm der Kontrolleur mit, dass er ebenfalls aus diesem Ort stamme und lud ihn zu Pflaumenkuchen nach deutschem Rezept ein. Andererseits geht er bis heute oft beim Damaskustor in Ostjerusalem einkaufen. Ein arabischer Händler freut sich jedes Mal, ihn „mit einem netten ‚Heil Hitler‘ begrüßen zu können“.

Als in den 80er und 90er Jahren die Aufarbeitung der Schoah begann, hätten ihm die Überlebenden „die Haustür eingerannt“, so Sahm weiter. Teilweise schwiegen sie gegenüber ihrer Familie zu ihren Erlebnissen in der NS-Zeit, doch im Gespräch mit Deutschen wurden sie sehr mitteilsam und wollten unbedingt ihre Geschichte erzählen.

„Deutsche sollten sich in Israel ungezwungen benehmen“

Deutschen, die nach Israel reisen, rät Sahm, sich völlig normal zu verhalten. Die Israelis hätten kein Problem, die Beklemmung bestehe nur auf deutscher Seite. Das sei seine Erfahrung.

Zum Thema Objektivität beim Journalismus wies Sahm auf Recherchefahrten hin, die er in Israel mit Kollegen unternommen habe. Beide Reporter hätten die gleichen Interviews geführt, die gleichen Gesprächspartner gehabt und dieselben Dinge gesehen. Entstanden seien jedoch zwei vollkommen unterschiedliche Geschichten, die beide stimmten, aber nicht objektiv seien. Wer Objektivität wolle, müsse beide Artikel lesen.

Sahm informierte die Zuhörer darüber, dass es die „Palästinenser“ erst seit 1964 gebe. Denn in dem Jahr habe die PLO ihre erste Charta verabschiedet, in der sie vom „palästinensischen Volk“ sprach. In der britischen Mandatszeit wurden mit dem Begriff „Palästinenser“ alle Bewohner des damaligen Gebietes „Palästina“ bezeichnet – Araber, Juden und andere. Seit 1964 wird er nicht mehr auf Juden angewandt.

Ulrich W. Sahm ist Jahrgang 1950. Er hat Theologie, Judaistik und Linguistik studiert. An der Hebräischen Universität in Jerusalem widmete er sich zudem der hebräischen Literatur. Er arbeitet als Journalist für verschiedene Medien in Deutschland. Die Vorfahren seiner Ehefrau wurden 1492 aus Spanien vertrieben und gelangten über verschiedene Stationen ins „Heilige Land“. Dort lebt die Familie seit sieben Generationen und war zunächst in Hebron ansässig. Im Jahr 1929 konnte sie dem Massaker durch die Araber entkommen, weil sie von arabischen Familien gerettet und aus der Stadt gebracht wurde.

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