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Jerusalemer Trend: Palästinenser werden Israelis

JERUSALEM (inn) – Immer mehr Palästinenser in Ostjerusalem beantragen die israelische Staatsbürgerschaft – oft ohne Kenntnis ihrer Angehörigen. Die Gründe für den Trend sind vielfältig.
In Ostjerusalem ist die Zahl der Anträge auf israelische Staatsbürgerschaft deutlich gestiegen.
Vor etwa einem Jahr legte eine 46-jährige Lehrerin diesen Eid ab: „Ich erkläre, dass ich ein loyaler Bürger des Staates Israel sein werde.“ Die Palästinenserin aus Ostjerusalem habe sich bei dem Treueschwur „sehr schlecht“ gefühlt, sagt sie der Nachrichtenagentur Reuters. Doch trotz aller Vorbehalte habe sie gewusst: Die Entscheidung sei richtig für ihre Stabilität und ihre Karriereaussichten. „Wir wollen einfach nur unser Leben leben. Letztlich bringt einen Politik nirgendwo hin“, ergänzt die Araberin. In Ostjerusalem haben die Palästinenser blaue Ausweise von den israelischen Behörden, die ihnen eine Daueraufenthaltsgenehmigung garantieren. Doch sind sie dadurch nicht automatisch israelische Staatsbürger, und die Mehrheit von ihnen lehnt dies auch ab. Allerdings hat sich im vergangenen Jahrzehnt die Zahl derjenigen, die Israelis werden wollen, deutlich erhöht. Wurden 2003 noch 114 entsprechende Anträge gestellt, liegt die Zahl jetzt zwischen 800 und 1.000 pro Jahr. Etwa die Hälfte von ihnen wird genehmigt, wie aus Daten des Jerusalemer Institutes für Israelstudien hervorgeht.

Nüchterner Pragmatismus und Sehnsucht nach Sicherheit

Reuters zählt unterschiedliche Gründe für den Trend auf. Einer sei der Verlust der Hoffnung auf einen eigenen Palästinenserstaat. Aber auch nüchterner Pragmatismus führe oft zu der Entscheidung. Denn Israelis können leichter einen Arbeitsplatz bekommen oder wechseln, Häuser kaufen und ins Ausland reisen. Ferner befürchten viele Ostjerusalemer, Israel könnte ihre blauen Ausweise jederzeit widerrufen. Bedingung für das Dokument ist, dass der Inhaber seinen Lebensmittelpunkt in Jerusalem hat. Wenn er hingegen viel Zeit im Ausland verbringt, könnte der Ausweis seine Gültigkeit verlieren. Bei einer Staatsbürgerschaft besteht diese Gefahr hingegen nicht. Adi Lustigman nennt noch einen weiteren Grund. Der Anwalt vertritt Palästinenser, wenn sie die israelische Staatsbürgerschaft beantragen wollen. Im Stadtteil Schuafat etwa seien die Bewohner durch die Sperranlage gegen den Terror eingeschränkt, weil sich ihre Häuser nun teilweise dahinter befänden. „Die Mauer hat Panik gebracht.“ Die Leute befürchteten, dass ihnen das Wohnrecht entzogen werde. Die Staatsbürgerschaft sähen sie als Schutz dagegen an.

Tabubruch kein Gesprächsthema

Seit 1967 sind rund 24.000 Palästinenser aus Ostjerusalem zu israelischen Staatsbürgern geworden. Diese Zahl entspricht fast 10 Prozent der palästinensischen Bewohner im Osten der Stadt. Deren Kinder sind gebürtige Israelis. Die meisten Palästinenser wollen nicht über ihre Anträge sprechen, der Treueschwur fällt ihnen nicht leicht. Sich dem „Feind“ anzuschließen, sei tabu. Manche fürchteten die Reaktion ihrer Gemeinschaft auf diesen Tabubruch, also halten sie die Entscheidung selbst vor Familie und Freunden geheim, heißt es weiter.

Straßenbahn zeigt erfolgreiche Integration

Doch Reuters beobachtet nicht nur eine Zunahme der Anträge, sondern auch der Integration. Das sichtbarste Zeichen dafür sei die Jerusalemer Straßenbahn. Durch sie erhielten ultra-orthodoxe Juden, säkulare Israelis, Palästinenser und Touristen einen schnelle Zugang zu Einkaufszentren, Märkten und Parks im Westen der Stadt. Überdies zögen mehr Palästinenser in jüdisch dominierte Viertel und sogar in Siedlungen, auch wenn der Anstieg hier gering sei. (eh)

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