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Jerusalem, das Herz des jüdischen Volks

Jerusalem ist die heiligste Stadt im Judentum. An seiner Klagemauer in der Altstadt fühlen sich Juden Gott besonders nahe. Doch das Volk hat ein zwiegespaltenes Verhältnis zu seiner Hauptstadt. Vor allem vielen jungen Israelis ist sie fremd.
Seit der Eroberung der Jerusalemer Altstadt von Jordanien im Juni 1967 dürfen Juden wieder an der Klagemauer beten.
„Der Tempelberg ist in unserer Hand!“ Dieser Satz, den der israelische Kommandeur Motta Gur im Juni 1967 an seinen Generalstab funkte, berührt den tiefsten Nerv der jüdischen Seele. Die fassungslosen Gesichter der erschöpften Fallschirmspringer an der Klagemauer wurden zum Symbol für die Verwirklichung des uralten Traums von der Rückkehr des jüdischen Volks in die Heilige Stadt. Täglich beten orthodoxe Juden: „Baue Jeruschalajim, die Heilige Stadt, schnell in unseren Tagen! Erbarme dich, Ewiger, unser Gott, über dein Volk Israel, über deine Stadt Jeruschalajim, über Zion, die Stätte deiner Herrlichkeit, über das Reich des Hauses Davids, deines Gesalbten, und über das große und heilige Haus, über dem dein Name genannt wird … Zeige uns, Ewiger, unser Gott, die Tröstung deiner Stadt Zion und die Erbauung Jeruschalajims, deiner heiligen Stadt … Gelobt seist du, Ewiger, der du in deinem Erbarmen Jeruschalajim erbaust. Amen.“ Seit König Salomo bei der Einweihung des Ersten Tempels diesen Ort zum Fokus des Gebets erklärt hat (1. Könige 8; 2. Chronik 5-6), sind der Ablauf eines jeden Tages, alle Gottesdienste, der Jahreszyklus und die biblischen Feste des Volkes Israel geprägt von der Sehnsucht nach Jerusalem. In der babylonischen Gefangenschaft setzte der Prophet Daniel sein Leben aufs Spiel, weil er dreimal täglich am offenen Fenster in Richtung Jerusalem beten wollte (Daniel 6,11). Davon leitete später Rabbi Chija Ben Abba mit Berufung auf Rabbi Jochanan ab, dass man in einem Raum, der keine Fenster hat, nicht beten sollte (Babylonischer Talmud, Traktat Berachot 34b). Keine andere Gemeinschaft auf dieser Welt hat eine so tiefgehende Beziehung zu irgendeinem Ort.

Eine ambivalente Liebe

Dabei ist die Liebesbeziehung zwischen Volk und Land Israel im besten Falle ambivalent. Rational begründbar ist sie nicht. Tatsächlich sind es nur Verrückte, die sich nach Zion sehnen, noch dazu, wenn sie gerade „an den Wassern von Babel“ sitzen (Psalm 137). Schon im Altertum wussten die Gelehrten, dass Jerusalem weder „die Früchte des Sees Genezareth“ noch „die Thermalquellen von Tiberias“ zu bieten hat (Babylonischer Talmud, Pesahim 8b). Mitte des 19. Jahrhunderts beschrieb ein christlicher Pilger Jerusalem nicht etwa als Stadt der drei Weltreligionen, sondern als „vergessenes und von aller Welt verlassenes Bergnest“. Das Land Israel hat nichts zu bieten, keine Bodenschätze, nicht einmal Wasser. Davor hatte Mose schon vor dem Einzug ins Land Kanaan gewarnt (5. Mose 11,10-12). Die Natur des Landes ist unzuverlässig, unberechenbar. Deshalb weint, wer in diesen harten Boden kostbaren Samen investieren muss (Psalm 126,5). Auch aktuell haben Israelis ein zwiespältiges Verhältnis zu ihrer Hauptstadt. Umfragen ergeben, dass die Jugend sie als „weit entfernt“ und „fremd“ empfindet, als Hauptstadt der Ultraorthodoxen und Araber, als Stadt eines anderen Volkes und eines anderen Staates. 2008 stellte sich heraus, dass die Hälfte aller Jugendlichen vor ihrem Militärdienst noch nie die Heilige Stadt besucht hat. Diese Zahlen sind kein Zufall, sondern Symptom. Jerusalem als Hauptstadt des jüdischen Staates war von Anfang an auch innerhalb des jüdischen Volkes umstritten. So erklärte David Ben-Gurion Jerusalem im Dezember 1949 zur Hauptstadt, gegen den Widerstand des ersten Staatspräsidenten Chaim Weizman. Der damalige Außenminister, Mosche Scharet, reichte deshalb seinen Rücktritt ein. Ben-Gurion wusste das zu verhindern und weigerte sich, die Rücktrittserklärung anzunehmen. Seit ein paar Jahren müssen alle Schüler Israels mindestens zweimal während ihrer Schulzeit Jerusalem besuchen. Die Lehrer des jüdischen Volks waren sich seit jeher darüber im Klaren, dass die Liebe zur „Stadt des großen Königs“ keine Selbstverständlichkeit ist. Sie gaben sich große Mühe, ihr Volk täglich an sein Herz zu erinnern. Deshalb zertritt ein Bräutigam unter dem Hochzeitsbaldachin ein Glas und gelobt mit Psalm 137,5: „Vergesse ich Jerusalem, so soll meine rechte Hand ihren Dienst versagen!“. (jg)

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