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Israels Meinungsmacher unter sich

Was beschäftigt Meinungsmacher in Israel, wenn sie einmal Pause machen beim Meinungmachen? - Zunächst einmal herrschte eine familiäre Atmosphäre im Hilton-Hotel in Eilat. Journalistenmütter stillten ihre Kinder. Journalistenopas führten stolz ihre Enkel den Kollegen vor. Alles, was Rang und Namen in Israels Medien hat, war versammelt. 1.200 Journalisten, Verleger, PR-Fachleute, Medienexperten, Militärs, Polizisten und natürlich Politiker aller Schattierungen - vom rechtsnationalen Avigdor Lieberman bis zum linkszionistischen Jossi Sarid - gaben sich zum Monatswechsel November-Dezember ein Stelldichein: in der südlichsten Stadt Israels zur zweiten Konferenz des israelischen Journalistenverbandes.

„Die grundlegenden Fragen des Journalismus, eben die Million Fragen, die unsere tägliche Arbeit begleiten“, fasst Chaim Javin bei der Eröffnungsveranstaltung den Inhalt der Konferenz zusammen. In Weimar als Heinz Kluge geboren, hat der in Israel als „Mr. Televisia“ bekannte Nachrichtensprecher wie kaum ein anderer die Geschichte des jüdischen Staates begleitet und geprägt. Dafür bekam er von seinen Kollegen den „Preis für das Lebenswerk“ verliehen – gemeinsam mit dem Reporter Ron Ben Jischai, der auch als Jude und Israeli Recherchearbeiten im Libanon und Syrien nicht scheute, und dem im vergangenen Sommer verstorbenen politpublizistischen Urgestein Israels, Josef „Tommy“ Lapid.

„Wie weit können wir als Sklaven des Geldes und der Herrschenden überhaupt noch die Wahrheit sagen?“, fragt Chaim Javin in seiner Dankesrede, und: „Kann ich überhaupt verstehen, was in unserem Land geschieht?“ Diese Gedanken waren Ausgangspunkt für den umstrittenen Film „Land der Siedler“, den Javin nach seiner Pensionierung in den vergangenen Monaten gedreht hatte, und dessen Entstehungsgeschichte er reflektiert. „Du filmst, was du denkst“, so der Fernsehjournalist selbstkritisch, „und du schreibst, was du im Kopf hast.“ Dann schließt der Mann, der als Junge vor dem Massenmord der Nazis nach Palästina geflohen war, mit einem Plädoyer für die Rechte der Araber und der steilen These: „20 Prozent der israelischen Bevölkerung bekommen nicht einmal ein Prozent der Rechte, die ihnen zustehen.“

„Krieg gegen Korruption in den Medien?“

Es ist die schonungslose, schier suizidal anmutende Selbstkritik, welche die Diskussionen der Konferenz wie ein roter Faden durchzieht. „Seker o Scheker?“ – „Sind Umfragen Lügen?“ Diese Fragen werden unter der Überschrift mit einem hebräischen Wortspiel genauso teils akademisch akribisch, teils salopp unter die Lupe genommen, wie das Verhältnis zur Wirtschaft, zu Interessenvertretungen, zu den Regierenden. Das meist besuchte Seminar war zweifellos: „Ist die Recherche der Korruption Krieg gegen die Korruption?“ Und allgegenwärtig war ganz selbstverständlich das Verhältnis des jüdischen Volkes zu seinen arabischen Nachbarn. „Sind die Medien ein Instrument der Delegitimisierung der Araber in Israel?“ Unter diesem Titel moderierte Chaim Javin eine Podiumsdiskussion.

Als dann aber am nächsten Tag eine arabische Korrespondentin den Vorwurf erhebt, alle israelischen Journalisten seien sowieso Zionisten und deshalb jeglicher Objektivität vollkommen unfähig, schreit die sonst grenzenlos zerstrittene Mehrheit der israelischen Meinungsmacher einstimmig empört auf: „Wir haben keine Wahl! Sonst hätten wir kein Existenzrecht! Wir wollen hier leben, weil wir keinen anderen Platz auf der Welt haben!“ „Da sind wir genau wie die Araber“, meint eine israelische Journalistin. „Aber bei uns gibt es auch Leute wie Gideon Levy oder Amira Hass“, die – und das ist selbst auf arabischer Seite unumstritten – die Sicht der Palästinenser vertreten. „Doch wo sind diese Leute bei Euch, die unsere Sicht vertreten?“, wird der Araberin von ihren jüdischen Kollegen an den Kopf geworfen.

Beim „Innehalten und Reflektieren, was wir Journalisten eigentlich täglich tun“ tauchen viele Fragen auf. „Politik und Medien“ werden als „Frage der persönlichen Beziehungen“ meditiert. „Schreiben Journalisten nur, was die Leser hören, die Hörer sehen und die Zuschauer lesen wollen? Oder haben Medien eine politische Agenda?“ Man einigt sich, entscheidend ist: Die politische Einstellung beeinflusst die Berichterstattung, bis hinein in die Körpersprache. Als fast immun dagegen, wie man persönlich im Nahostkonflikt behandelt wird, geben sich lediglich die Bürochefs von ausländischen Medienorganisationen. Sie beklagen, dass die israelische Regierung ausländischen Korrespondenten seit fast einem Monat ohne Begründung die Einreise in den Gazastreifen verweigert. Das am heftigsten und lautstärksten diskutierte Seminar war denn auch „Israel in den Augen des Auslands“.

Was sollen die Zuschauer sehen?

Unter der reißerischen Überschrift „die pornografische Recherche“ ging es nicht etwa um Pornografie im klassischen Sinne, sondern um die Frage, was der Öffentlichkeit gezeigt werden muss, um Informationen zu vermitteln: „Gibt es ein Recht der Zuschauer, etwas nicht sehen zu müssen?“, „Ist das Interessante wichtiger als das Wichtige?“, fragten sich die Diskussionsteilnehmer, und: „Wer bestimmt, was ‚wichtig’ ist – der Rucksack eines Mädchens, das von seinem eigenen Vater ermordet wurde, oder ein Treffen von Olmert und Abu Masen?“ Und: „Was wird letztlich an entscheidend Wichtigem durch das Spektakuläre verdrängt?“

Die Themenvielfalt scheint endlos: „Die Presse als Richter“, „Frauen in den Medien“, „Mediennachwuchs“, „die Stellung des Journalisten“ in der Gesellschaft, „Tourismus und Medien“… „Ist das Internet eine Bedrohung der Presse?“, wird die Sorge vieler professioneller Medienmacher aufgegriffen, die sich fragen, ob im Zeitalter des Internet letztendlich „jeder Blogger ein Journalist“ sei. „Vielleicht ist es an der Zeit, den Beruf des Journalisten gesetzlich zu schützen, genau wie die Berufsbezeichnungen Arzt oder Rechtsanwalt?“, schlägt einer vor.

Der während des Zweiten Libanonkrieges im Sommer 2006 in der israelischen Öffentlichkeit populäre Slogan „Verhindern die Medien den Sieg der israelischen Armee?“ wird genauso zum Seminarthema wie die Beziehung zwischen „Korrespondent und Redakteur“. Dass „Redakteure keine Ahnung haben, was draußen passiert“, wird behauptet und bestritten. Die Klage wird laut, dass das Volk des Buches die Sprache des Buches vergisst, beziehungsweise dieselbe im journalistischen Gebrauch verlottert.

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