Israelische Analysten: „Israel und Europa auf Kollisionskurs“

JERUSALEM / BRÜSSEL (inn) – Israel driftet immer weiter auf eine politische Kollision mit Europa zu, warnen Experten des israelischen Außenministeriums. Sollte die Europäische Union an internationalem Einfluss gewinnen, würden die USA als wichtigster Verbündeter Israels zurückgedrängt werden, so die Analysten.

Israels Stellung in der Welt könnte sich im nächsten Jahrzehnt so sehr verschlechtern, dass es irgendwann ähnlich isoliert dastehe wie Südafrika zur Zeit der Apartheid, schreiben die Politikwissenschaftler des Außenministeriums. Der geheime Bericht wurde laut der Tageszeitung „Ha´aretz“ bereits im August verfasst.

„Unter extremen Umständen könnte es zu einer Konfrontation zwischen Israel und der Europäischen Union kommen. Eine solche Kollision birgt die Gefahr, dass Israel international an Legitimität verliert und isoliert wird, wie es bei Südafrika der Fall war“, so die Experten. Die Folge seien schwerwiegende wirtschaftliche und diplomatische Schäden für Israel.

„Die EU könnte ihre Anforderungen verstärken, Israel müsse sich an internationale Normen halten und die Bedeutung der UNO und ihrer Behörden hervorheben – dies könnte zu Reibungen führen“, heißt es in dem 25-seitigen Dossier. Die EU beabsichtige, ihren globalen Einfluss zu vergrößern. „Die USA, Israels wichtigster Verbündeter, könnten dadurch an internationalem Einfluss verlieren“.

Angesichts der fortwährenden Kritik Europas an der israelischen Politik im Westjordanland und im Gazastreifen könnte ein stärkeres Europa Israel schwächen. Die Wissenschaftler warnen zudem vor einer „neuen Form des Anti-Semitismus“ in Europa. Dieser spreche Israel das Existenzrecht als jüdischer Staat ab.

EU-Vertreter in Brüssel wiesen darauf hin, dass die EU und Israel gute Beziehungen auf den Gebieten des Handels und der Wissenschaft hätten. Doch es gebe unterschiedliche Auffassungen, was das Erreichen eines Friedens im Nahen Osten angehe. Die EU wolle zudem mehr Mitspracherecht, hieß es. „Was den Friedensprozess im Nahen Osten und unsere Beziehung zu Israel und den Palästinensern betrifft, gibt es keinen Zweifel, dass die Rolle der EU an Bedeutung gewonnen hat“, meinte die Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Javier Solana, Christina Gallach.

Solana legte währenddessen einen neuen Vier-Punkte-Plan für Frieden im Nahen Osten vor. Er sieht eine Unterstützung der palästinensischen Polizei vor, damit sie effektiver gegen Extremismus vorgehen kann, berichtet die „Tagesschau“. Die EU bietet demnach zudem Hilfe bei den Reformen im politischen und im wirtschaftlichen Bereich an. Außerdem wolle sich die EU bei der Vorbereitung von Wahlen engagieren.

Der britische Premierminister Tony Blair sagte indes am Mittwoch, neue Friedensinitiativen seien vor den US-Präsidentschaftswahlen nicht sinnvoll. Er würde eine Wiederbelebung des Friedensprozesses begrüßen, so Blair, „aber ich glaube, die Realität sieht so aus, dass wir erst wieder nach den Präsidentschaftswahlen am 2. November damit fortfahren können“. Er selbst setze den Nahen Osten auf seine „persönliche Prioritätenliste“, versprach der Premier.

Außenminister Jack Straw äußerte inzwischen „große Sorge“ über die Operation der israelischen Armee im nördlichen Gazastreifen. Er verurteile jede Form des Terrorismus, doch habe Israel „eine Verpflichtung gegenüber internationalem Recht, nach dem die Antwort auf Terrorismus in proportionalem Verhältnis zur Gefahr stehen muss, die von ihm ausgeht“. Er betonte, Israel habe die Pflicht, unschuldige Zivilisten zu verschonen. „Israel kommt diesen Verpflichtungen nicht nach“, so Straw. „Diese Operationen brachten den Tod von 115 Palästinensern mit sich, darunter viele Kinder“.

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