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Israelis machen Fortschritte bei Impfstoff-Entwicklung

Nach einer großen Ankündigung will die israelische Forschungseinrichtung MIGAL nun liefern: Ihr Impfstoff gegen das Coronavirus soll in weniger als zwei Monaten für Tests an Menschen bereitstehen.
Kannten die zukünftige Bedeutung ihrer Forschung noch nicht: Das MIGAL-Team beim Empfang des damaligen US-Botschafters Daniel Shapiro (Archivbild)

KIRIAT SCHMONA (inn) – Das israelische Forschungsinstitut MIGAL hat verkündet, es werde mit einem Impfstoff gegen COVID-19 bald Tests an Menschen vornehmen. Bereits am 1. Juni könne die Erprobung beginnen. Das Institut machte Ende Februar Schlagzeilen mit der Ansage, binnen Wochen einen Impfstoff gegen das Coronavirus vorstellen zu können.

Die israelischen Forscher reihen sich damit in eine Gruppe von Firmen und Forschungseinrichtungen, die bei der Impfstoff-Entwicklung weit fortgeschritten sind. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte am 4. April eine Liste mit 62 Instituten, die daran forschen. Während die meisten noch in der präklinischen Phase stecken, hat eine Handvoll mit klinischen Tests begonnen.

Auch andere Israelis forschen

In den USA startete eine Studie an Menschen mit einem Stoff, den das Unternehmen Moderna in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium entwickelt hat, am 16. März. Einen Tag später begann auch CanSino Biologics aus China mit der Testphase. Die amerikanische Firma Inovio sowie die Universität Oxford wollen im April beginnen, ebenso der amerikanische Pfizer-Konzern in Kooperation mit der deutschen Firma BionTech. Die Tübinger Firma CureVac hat eine Erprobung ab dem Frühsommer angekündigt.

In Israel forschen außer MIGAL auch ein Team der Technischen Hochschule (Technion) in Haifa sowie das Israelische Institut für Biologische Forschung (IIBR) an einem Impfstoff. Das IIBR ist eine Forschungseinrichtung, die dem Büro des Premierministers unterstellt ist und laut Medienberichten an geheimen biologischen und chemischen Kampfstoffen sowie deren Gegenmitteln forscht.

Premierminister Benjamin Netanjahu hatte im Februar angeordnet, das IIBR solle seine Kräfte für den Kampf gegen das Coronavirus mobilisieren. Er sagte: „Wenn wir schnell genug arbeiten, mit einer angemessenen Finanzierung und den talentierten Menschen, die wir haben, kann Israel sogar in dieser Sache der Welt voraus sein.“ Die israelischen Zeitung „Ha’aretz“ sorgte dann Anfang März für Wirbel, weil sie einen Durchbruch bei der Forschung des IIBR verkündete. Das Verteidigungsministerium dementierte dies kurz darauf.

Erwartungen schüren und zugleich dämpfen

MIGAL hatte Ende Februar auch einen Durchbruch verkündet. Institutsleiter Chen Katz wiederholte diese Mitteilung Ende März. Nun will er mit Tests beginnen. Sein Team arbeitet in Galiläa, nur einen Kilometer von der libanesischen Grenze entfernt, seit vier Jahren an einem Impfstoff gegen Vogelseuchen. Laut der Zeitung „Jüdische Allgemeine“ hatte MIGAL diesen Auftrag vom Landwirtschaftsministerium bekommen, weil die Israelis pro Jahr und Kopf 87 Kilogramm Hühnchen, Truthahn und sonstiges Geflügel verzehren. Damit liegen sie an der Weltspitze und eine Geflügel-Impfung hat große wirtschaftliche Bedeutung für das Land.

Die Wissenschaftler von MIGAL fanden heraus, dass das Sars-CoV-2-Virus ihren Laborviren erstaunlich ähnelt. Es ist fast so, als hätten sie bereits seit vier Jahren an einem Impfstoff gegen das Coronavirus geforscht. Da sie nun quasi schon ein Mittel in der Schublade haben, brauche es nur noch kleine Anpassungen – und die COVID-19-Impfung sei fertig. Vergangene Woche gab das Amerikanisch-Jüdische Komitee bekannt, es werde MIGALs Arbeit mitfinanzieren. MIGAL warnte auf seiner Facebook-Seite jedoch auch vor Falschmeldungen. Viele Internetnutzer hatten wohl gedacht, der Impfstoff sei schon auf dem Markt und sorgten mit ihren „Fake News“ für Aufregung.

Zeitraubende Zulassung

So schnell wird es nicht gehen. Bevorstehende Tests an Menschen mögen sich anhören, als ob das Mittel kurz vor der Marktreife stehe. Bedenkt man, dass diese Tests im Normalfall durchschnittlich zehn Jahre dauern, relativiert sich das wieder. Wenn die amerikanische Gesundheitsbehörde anlässlich der begonnen Tests von Moderna mitteilt, dass es etwa 18 Monate für eine etwaige Zulassung brauche, ist das ein Verfahren im Eiltempo. Das Wissenschaftsmagazin „Quarks“ des „Westdeutschen Rundfunks“ urteilt für alle Impfstoffkandidaten: „Eine Zulassung vor 2022 scheint unwahrscheinlich.“

Chen Katz sieht das Hauptproblem daher nicht in der Wissenschaft, sondern in der Gesundheitsbürokratie. Ihm zufolge könnten die Tests an Menschen in 30 Tagen abgeschlossen werden. Doch dann folge weitere zeitraubende Bürokratie. Der israelische Wissenschaftsminister Ofir Akunis versprach, sein Ministerium werde die Prozesse maximal beschleunigen.

Der Leiter des Instituts für Medizinische Virologie an der Universität Gießen, John Ziebuhr, sagte gegenüber Israelnetz, es handele sich bei der Arbeit von MIGAL um einen „interessanten Forschungsansatz“, der „ganz grundsätzlich erfolgversprechend“ klinge. Dies lasse sich jedoch auch von anderen Ansätzen behaupten: „Ich sehe nicht, warum die Zuslassung hier schneller abgeschlossen sein könnte als bei anderen Tests. Eine Zulassung innerhalb weniger Monate halte ich nicht für realistisch, es sei denn, man lässt sich auf Kompromisse im Zulassungsverfahren ein.“

Einige gehen volles Risiko

Es geht letztlich ohnehin um mehr, als nur möglichst schnell einen wirksamen Stoff zu finden. Der Verband der forschenden Pharmaunternehmen in Deutschland schreibt, es sei „nicht entscheidend, wer mit dem ersten Impfstoff die Zulassung erreicht, sondern dass möglichst viele Impfstoffe die Zulassung erreichen und unter Nutzung vieler Produktionsanlagen hergestellt werden können“.

Es nützt nichts, einen wirksamen Stoff finden, aber nur kleine Mengen davon bereitstellen zu können. Eine einzelne Firma wird nicht die Kapazitäten haben, gegen eine weltweite Pandemie anzuproduzieren. Einige Unternehmen, wie Johnson & Johnson und Kentucky BioProcessing, haben deswegen angekündigt, ihren Stoff bereits großtechnisch zu produzieren, noch bevor er zugelassen ist. Sie gehen bewusst das Risiko ein, nach negativen Testergebnissen vielleicht alles vernichten zu müssen.

Dauerhaft mit Corona leben?

Bei der Impfstoffforschung erweisen sich normalerweise nur 6 Prozent aller Kandidaten als geeignet. Bei den übrigen fällt die Wirkung zu gering oder die Nebenwirkung zu stark aus. Daher ist es notwendig, dass mehrere Institute und Unternehmen an dem Wettlauf teilnehmen. Die Bill-&-Melinda-Gates-Stiftung will Milliarden von Dollar zum Aufbau von Produktionsanlagen für sieben ausgewählte Stoffe bereitstellen, noch während klinische Studien mit ihnen laufen. Das Kalkül ist, dass hinterher wenigstens zwei von ihnen zugelassen werden.

„Herdenimmunität“ stellt sich erst ein, wenn die Bevölkerung großflächig „durchimpft“ ist. Damit lassen sich die Infektionsketten unterbrechen und Krankheiten sogar ausrotten. Europa ist zum Beispiel seit 2002 offiziell frei von Polio. Möglich machten das Impfkampagnen seit Beginn der 1960er Jahre.

Dabei gehen viele Forscher davon aus, dass das Coronavirus nicht verschwindet, sondern sich dauerhaft einnistet. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sagte gegenüber der Zeitung „Passauer Neue Presse“: „In ein paar Jahren werden wir mit einer weiteren grippeartigen Erkrankung leben, die Covid-19 heißt und gegen die wir impfen können.“ Wenn ein Impfstoff existiert, lässt sich dieser auch leichter an künftige Mutationen anpassen. So gibt es auch gegen neue Grippe-Viren immer rasch einen neuen Stoff. Zudem gewöhnt sich das Immunsystem der Bevölkerung an den Erreger und kann es leichter bekämpfen.

Von: tk

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