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Israel und Deutschland: Freunde oder Fremde?

BERLIN (inn) - Verbindet Deutschland eine Freundschaft zu Israel? Darüber diskutierten israelische und deutsche Experten am Freitag in der Berliner "Heinrich-Böll-Stiftung". Auch wenn sie in dieser Frage keine Einigung erzielten, machten sie vor allem Aspekte aus, die beide Kulturen trennen: Das Verständnis von Staat, Religion und dem Einsatz des Militärs.

Auf die Frage, ob Israel und Deutschland tatsächlich so etwas wie "Fremde Freunde" sind, wie es der Titel der Tagung suggerierte, fanden die eingeladenen Sprecher unterschiedliche Antworten. Israel sei der Staat der Juden und habe damit ein universalistisches, ethnisch-religiöses Selbstverständnis, führte etwa der Historiker Michael Wolffsohn aus. Für Israel sei der Staat eine "große Errungenschaft", die Religion sei dort unentbehrlich. Deutschland hingegen habe den Glauben an einen Staat seit dem Nationalsozialismus abgelegt.

Weil die christlichen Kirchen im Zweiten Weltkrieg als ethische Instanzen versagt hätten, sei auch die religiöse Säule des israelischen Staatsverständnisses in Deutschland nicht mehr tragend. Während die Deutschen Landverzicht als friedensschaffend erlebt hätten, machten die Israelis nach wie vor die Erfahrung: Land bringt uns Sicherheit, Landverzicht bringt keinen Frieden. Wolffsohn sprach von einer "wechselseitigen Fremdheit" beider Völker. Spätestens seit den 80er Jahren distanziere sich die deutsche Öffentlichkeit massiv von Israel. Umfragen zeigten, dass die Deutschen Israel als einen der unbeliebtesten Staaten einstuften.

Der Knessetabgeordnete Nitzan Horowitz (Meretz) plädierte dafür, die "Dinge in die richtigen Verhältnisse zu rücken". Israel sei ein junges Land, sagte er und fragte, wie lange Europa gebraucht habe, um Abstand von der Religion zu gewinnen. Die Vielfalt der Religionen im "Heiligen Land" sei eine "schwere Last". Schließlich wolle Israel ein moderner Staat sein, sei aber gezwungen, mit den "alten Konstrukten" umzugehen. So sprach er sich für eine Balance zwischen Staat und Religion aus.

Militär als Bremse der Freundschaft

Doch nicht nur in Fragen des Staats- und Religionsrechts unterscheiden sich Israel und Deutschland. Die Präsenz von Soldaten und Militärgewalt ist im einen Land Normalität, im anderen seit dem Nationalsozialismus eher verpönt. Der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour erklärte, die Deutschen verbinde die Erkenntnis, dass militärische Gewalt verheerend sein könne. Die israelische Lage sei Deutschland daher fremd, auch wenn das Verständnis durch zunehmende Auslandseinsätze deutscher Soldaten gewachsen sei. Israel sei hingegen mit einer permanenten realen Bedrohung konfrontiert, die eine ständige Militärpräsenz notwendig mache.

Der Vorstand der "Heinrich-Böll-Stiftung", Ralf Fücks, erklärte, Israel sei ein Projekt "jüdischer Stärke", geboren aus dem Wunsch, "nie wieder Opfer" sein zu wollen. "Ich verstehe die israelische Atomwaffe als eine Rückversicherung gegen die existenzielle Bedrohung", sagte er und nannte sie "nachvollziehbar". Sollte der Iran sich nuklear bewaffnen, fürchtet er eine aggressive Hegemonialpolitik Mahmud Ahmadinedschads in der Region. Für Fücks liegt die Lösung für diese Frage in der Schaffung eines jüdischen und palästinensischen Staates – im Gegenzug solle Israel in die NATO aufgenommen werden.

Wie mit dem Iran umgehen?

"Die Anwendung militärischer Gewalt ist immer ein Übel", stellte Nouripour klar. Manchmal sei sie dennoch notwendig – im Falle Iran forderte er aber, davon abzusehen. Zunächst müssten "zivile und diplomatische" Mittel ausgeschöpft werden. Ob ein Angriff auf den Iran die israelische Bevölkerung schützen könne, sei zudem fraglich. Nur weil Deutschland sich Israel verbunden fühle, müsse es ihm nicht in einen Krieg folgen. Das zeige das Beispiel USA, zu denen Deutschland ebenfalls eine "dicke Freundschaft" pflege, den Irakkrieg aber dennoch abgelehnt habe.

Der soziale Aktivist und Historiker, Gadi Algazi, wies darauf hin, dass nicht nur der Iran aufrüsten wolle. Auch in Israel gebe es atomare Waffen. Gewalt existiere auch im Inneren Israels, etwa gegen die arabische Bevölkerung in Hebron. Algazi sieht eine Diskriminierung von Arabern und Beduinen durch den Staatsapparat. Den Vorschlag Fücks, Israel in die NATO aufzunehmen, nannte er "imperiales Gehabe".

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