„Ramadan“ heißt der neunte Monat des islamischen Kalenders, der Fastenmonat, der in diesem Jahr am 5. Oktober begann und am 2. November endet. Einen Monat lang enthalten sich gläubige Muslime vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang jeglicher Speisen und Getränke. Auch andere Annehmlichkeiten und Genussmittel, wie Rauchen oder Geschlechtsverkehr, sind in dieser Zeit verboten.
Am Ende eines jeden Tages wird das Fasten, arabisch „Saum“, mit einem Gebet und einer Mahlzeit, „Iftar“ genannt, gebrochen. Während der Nacht ist Essen und Trinken erlaubt, „solange, bis du durch das Tageslicht einen weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden kannst. Dann halte das Fasten bis zum Einbruch der Nacht“. Deshalb stehen Muslime während des Ramadan früh auf, um noch vor Sonnenaufgang eine Mahlzeit, „Suhur“ genannt, einzunehmen. Kranke, Reisende, Kinder und schwangere oder stillende Frauen sind von der Fastenpflicht ausgenommen. Abgesehen von den Kindern müssen sie das Fasten aber nachholen.
Mehr als eine Milliarde Muslime weltweit gedenken in dieser Zeit der Offenbarung des Koran an den Propheten Muhammad. Nach islamischer Lehre wurde am 27. Ramadan, in der „Lailat al-Qadr“, der „Nacht der Bestimmung“ oder auch „Nacht der Macht“, das heilige Buch des Islam, der Koran, vom Himmel herabgesandt, „als Rechtleitung für die Menschen, und als klare Beweise der Rechtleitung und der Rettung“ (Sure 2,185). Die Lailat al-Qadr fällt in diesem Jahr auf Sonntag, den 30. Oktober.
Der islamischen Tradition zufolge ist dem Propheten Muhammad in dieser Nacht erstmals Dschibril erschienen, in dem Muhammad den biblischen Engel Gabriel zu erkennen glaubte. „Lies!“, befahl Dschibril, worauf Muhammad antwortete: „Ich kann nicht lesen!“ Daraufhin ließ Dschibril an den darauffolgenden Tagen Muhammad die koranische Offenbarung auswendig lernen.
Der Islam berechnet die Jahre nach dem Lauf des Mondes und zählt das Jahr 1426 nach der ersten „Hadsch“, das heißt, der Übersiedlung des Propheten Mohammed im Jahre 622 von Mekka nach Medina. Da das Mondjahr ungefähr elf Tage kürzer ist als das Sonnenjahr, „wandern“ die islamischen Feiertage jedes Jahr um mehr als eine Woche rückwärts.
Neben dem moslemischen Glaubensbekenntnis, dem fünfmal täglich zu verrichtenden rituellen Gebet, der Pflicht, Almosen zu geben und der Pilgerfahrt nach Mekka und Medina, die jeder gläubige Muslim einmal im Leben vollziehen sollte, gehört der Fastenmonat Ramadan zu den „fünf Säulen des Islam“. Er wird als Zeit des Gebets und der Besinnung, als Zeit der Erneuerung der Beziehungen zwischen dem gläubigen Muslim und Allah, aber auch der zwischenmenschlichen Beziehungen verstanden. Deshalb sind gegenseitige Besuche von Freunden und Verwandten ein wichtiger Bestandteil dieser Zeit.
Muslime betonen, dass die Verdienste, die durch das Fasten am Ramadan erworben wurden, zerstört werden können durch eine Lüge, üble Nachrede, Verrat, Meineid, Habsucht oder Neid. Fromme Muslime verbringen während des Ramadan mehr Zeit in der Moschee im Gebet und mit dem Studium des Koran. Zusätzlich zu den fünf täglichen Gebeten verrichten sie in dieser Zeit das „Nachtgebet“, das „Tarawien“. Nach koranischer Aussage bestimmt Allah in dieser Nacht den Lauf der Welt für das kommende Jahr.
Israels Premierminister Ariel Scharon konnte gleich mit den besten Wünschen zum Ramadan reagieren, als der palästinensische Präsident Mahmud Abbas ihm in einem Telefongespräch alles Gute zum jüdischen Neujahrsfest wünschte. Die Zeit des jüdischen Neujahrs „Rosch HaSchanah“, des großen Versöhnungstages „Jom Kippur“ und des Laubhüttenfestes „Sukkot“ fällt in diesem Jahr auf den islamischen Fastenmonat Ramadan. Scharon und Abbas einigten sich auf ein baldiges Gipfeltreffen, möglicherweise noch während des Ramadan.
Erfahrungsgemäß ist der Ramadan eine Zeit der besonderen Spannung in der islamischen Welt. Radikale Muslime glauben, in dieser Zeit im Kampf gegen Ungläubige einen besonderen Segen zu erhalten, wenn sie etwa durch ein Selbstmordattentat ums Leben kommen. Insgesamt ist unter Muslimen in dieser Zeit eine erhöhte Konzentration auf religiöse Werte und manchmal auch eine Gereiztheit aufgrund des Fastens spürbar.
Auch wenn in diesem Jahr bislang keine speziellen „Ramadan-Drohungen“ von Extremisten bekannt sind, herrscht bei Sicherheitskräften in der gesamten islamischen Welt und vor allem in Israel höchste Alarmbereitschaft. Inwieweit die Fest- und Fastzeit sowohl auf den israelisch-palästinensischen Konflikt, als auch auf die innerpalästinensischen Spannungen und Machtkämpfe eine beruhigende oder anheizende Wirkung haben, wird erst im Rückblick beurteilt werden können.
Koranstellen: Sure 2,183-187
(Bild: Johannes Gerloff)