Auf die Frage, wie man seine Freunde bei der Stange halten könne, antwortete Kocks: „Kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren. Auf allen Wegen. Schweigen hilft überhaupt nicht. Auch die falschen Töne, die lauten Töne, die schrillen Töne – Gruß an Henryk Broder – alle sind sie besser als Schweigen. Das Schweigen ist der Existenzboden des Ressentiments. Das Schweigen ist der Raum, in dem der andere schreit. Die Dschihad-Rufe finden in dem Schweigen der anderen statt.“
Israel schweige viel, fügte der Honorarprofessor hinzu, der unter anderem an der Fachhochschule Osnabrück lehrt. „Auch die Juden im Ausland schweigen viel. Aber die Devise muss lauten: reden, reden, reden. Und zwar in allen Formen, die diese Zeit zulässt: Satiren auf YouTube, relativ schrille, auch böse, pro-israelische Videos, Kommentare, die das Thema berühren. Ich glaube, dass die halben Töne, die Höflichkeiten, die vermeintlichen Rücksichtnahmen und Political Correctness alle Unsinn sind in dieser Debatte. Wir haben einen Propagandakrieg gigantischen Ausmaßes da draußen. Die Gaza-Flottille war ein gigantisches PR-Unternehmen, in der Inszenierung Greenpeace ebenbürtig. Was wir im Moment erleben, das ist die Übermacht des islamistischen, kriegstreibenden, hasstreibenden Diskurses in sehr kreativen, modernen Formen. Vom Stand der Propaganda ist das fünf Klassen besser als das, was man sonst sieht. Handwerklich richtig gut. Und das darf man nicht alleine stehen lassen.“
Das frühere Vorstandsmitglied des VW-Konzerns ist überzeugt, „dass man auf eine bestimmte Art von entwickelter PR nur mit genauso entwickelter PR antworten kann. Da nützt es nicht, wenn Sie einen israelischen Regierungssprecher, der aussieht wie ein Schülersprecher aus Dahlem, mit einem kleinen Zettel vor eine Kamera stellen und der da sein Ding abliest, was nicht mal CNN sendet“.
Kocks rät Israelis und der jüdischen Diaspora von Selbstmitleid ab, weil es bei anderen eine falsche Scheu der Kritik erzeuge. „Seid laut, frech, selbstbewusst, das ist meine Empfehlung. Das heißt, ich muss bereit sein zu diskutieren, auch um den Preis, dass ich einen falschen Ton treffe. Ich finde, dass man die Debatte führen muss, selbst, wenn sie erfolglos wäre. Aber sie wird nicht erfolglos sein.“
Elementare Bedrohung steht PR im Wege“
Für Israels schlechte Öffentlichkeit macht der PR-Berater auch die Sicherheitslage verantwortlich. Der jüdische Staat habe andere Sorgen, nämlich die der elementaren Verteidigung: „Ich möchte auch nicht mein Kind in eine Schule geben, die mit Raketen von einer anderen Schule aus beschossen wird, und wenn du dann zurückschießt, bist du für die Weltöffentlichkeit ein Kindermörder. Es besteht dabei eine große Gefahr: Sie neigen angesichts einer so massiven äußeren Bedrohung dazu, den innenpolitischen Ton gegenüber ihrer politischen Klientel auch zum außenpolitischen Ton zu machen. Und der klingt dann sehr, sehr martialisch.“
In bestimmten Situationen hätten Vorurteile und Antisemitismus eine gewisse Anziehungskraft, sagte Kocks weiter. „Aber die Menschen werden nicht vorurteilsbeladen geboren.“ Man müsse den deutschen Lehrer, den Deutschen Bundestag, den deutschen Journalisten „an den Ohren ziehen“. Und: „Wir müssen uns selbst an den Ohren ziehen und sagen: Guck da hin! Das ist keine außenpolitische Frage des Staates Israel, sondern eine staatsbürgerliche für mich. Warum mache ich mich zum Opfer eines solchen Propagandamechanismus? Warum habe ich in der Tagesschau über die Hintergründe der Gaza-Flottille nichts erfahren? Wenn ich Hamas-PR sehen will, gehe ich ins Internet, dafür schalte ich nicht die Tagesschau ein. Aber das muss gesagt werden. Wer in dieser Welt schweigt, hat unrecht.“
Klaus Kocks wurde 1952 in Oberhausen geboren. Er war in der Öffentlichkeitsarbeit namhafter deutscher Unternehmen tätig, zuletzt von 1996 bis 2001 bei VW. Seit 2002 betreibt er ein eigenes Unternehmen für Kommunikationsberatung. Er lehrt Strategisches Kommunikationsmanagement an verschiedenen Hochschulen. Als Kolumnist schreibt er unter anderem regelmäßig für die „Frankfurter Rundschau“.
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