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Innere Probleme und unvereinbare Erwartungen

„Unter dem Strich“, meint Generalmajor (d. Res.) Giora Eiland, „sehe ich die Zukunft des israelisch-palästinensischen Verhältnisses eher pessimistisch.“ Seit Januar 2004 leitet das ehemalige Mitglied des israelischen Generalstabs Israels Nationalen Sicherheitsrat und fungiert als Sicherheitsberater von Premierminister Ariel Scharon. Generalmajor Eiland sieht große innere Schwierigkeiten auf beiden Seiten und schier unvereinbare Erwartungen bei Israelis und Palästinensern.

Das größte interne Problem der Palästinenser ist nach Einschätzung Eilands die radikal-islamische Hamas-Bewegung. Nach eigener Aussage bekämpft die Hamas nicht die israelische Besatzung, sondern grundsätzlich die Existenz des Staates Israel. Weder militärisch noch ideologisch nehme die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) diese Herausforderung an. „Nach wie vor ist das offizielle Ziel der PA die Zerstörung Israels. Abgesehen von Versprechungen wurden die offiziellen Dokumente der Palästinensischen Befreiungsbewegung PLO bislang nicht verändert.“ Und: „Kein arabischer Führer hat je gesagt, dass der Staat Israel als jüdischer Staat ein Existenzrecht habe“, konstatiert Giora Eiland nüchtern die Tatsachen auf der politischen Bühne des Nahen Ostens.

Da die PA gleichzeitig keinerlei Anstalten mache, die Hamas oder auch andere radikale palästinensische Milizen zu entwaffnen, kann nach Ansicht des Regierungsberaters die Gewalt jederzeit, spätestens aber kurz nach dem Rückzug aus Gaza wieder zum Ausbruch kommen. „Die Akzeptanz der Hamas als politische Partei und gleichzeitig als militärische Kraft ist ein Rezept für Instabilität“, fasst Eiland seine Analyse der internen palästinensischen Situation zusammen. Bislang sei die radikal-islamische Widerstandsbewegung in der Lage, alle Anstrengungen guten Willens von Seiten der PA gegenüber Israel zu unterminieren. „Und das ist zu allererst ein internes palästinensisches Problem.“

Israel sieht sich derweil auf dem Weg zur Umsetzung einer „der umstrittensten Entscheidungen, die eine israelische Regierung je getroffen hat“. Zu den Aufgaben von Generalmajor Giora Eiland gehört die Vorbereitung, Planung und Beaufsichtigung des israelischen Rückzugs aus dem Gazastreifen und Teilen Nordsamarias. Er weiß: „Tausende Israelis werden Widerstand leisten. Für die Räumung brauchen wir Tausende von Polizisten und Soldaten. Die Räumung wird nicht Tage, sondern Wochen dauern.“

Die Sorge des Leiters des Nationalen Sicherheitsrates ist, wie die Sicherheit der Räumungsaktion gewährleistet werden kann, sollten Palästinenser aus dem weniger als einen Kilometer von den jüdischen Ortschaften entfernt liegenden Städten und Flüchtlingslagern das Feuer mit Raketen und Mörsergranaten auf die israelische Menschenmasse eröffnen. „Wir werden zwölf Jahre nach unserem Rückzug aus Chan Junis nicht umhin kommen, wieder dort einzumarschieren, um unseren Rückzug zu sichern“, deutet Eiland ein Szenario an, das Beobachtern des Nahostkonflikts nur allzu vertraut ist. Der zu erwartende palästinensische Widerstand und die unvermeidlichen Todesopfer auf palästinensischer Seite werden in den Augen der Weltöffentlichkeit allen guten Willen auf Seiten Israels in den Schatten stellen.

Abgesehen von den inneren Problemen auf israelischer und palästinensischer Seite sieht General Eiland aber auch eine entscheidende Erwartungskluft zwischen Israelis und Palästinensern. Das Grundprinzip des Oslo-Prozesses war, dass ein politischer Prozess und Zugeständnisse an die Palästinenser zu mehr Sicherheit führen werden. „Nach Ansicht vieler Israelis ist dieser Prozess zusammengebrochen“, sagt Giora Eiland. „Seit drei Jahren sprechen wir jetzt über die Roadmap, die viele Ähnlichkeiten mit dem Oslo-Prozess aufweist, sich aber an einer ganz entscheidenden Stelle unterscheidet: Während Oslo davon ausging, dass Frieden Sicherheit bringt, erwartet die Roadmap Sicherheit, bevor man zu politischen Verhandlungen übergehen wird.“ So zumindest ist die israelische Interpretation der Roadmap.

Die Palästinenser dagegen sehen überhaupt keine Möglichkeit, mit der für die Sicherheit Israels unabdingbaren Entwaffnung palästinensischer Milizen zu beginnen, solange das Volk nicht irgendeine Hoffnung auf eine Verbesserung der Lage erkennen kann. Sie verweisen auf den Demokratisierungsprozess, ihre Verwaltungsrevolution und die Reorganisation der PA-Sicherheitsorgane und betonen jetzt, referiert der israelische General die palästinensische Erwartungshaltung, „ohne politischen Prozess können wir die terroristischen Fähigkeiten nicht abbauen.“ Eine Forderung, die unvereinbar ist mit der israelischen Forderung: Zuerst Sicherheit, dann politische Zugeständnisse.

Trotz dieser komplizierten und stellenweise düsteren Analyse will Generalmajor Giora Eiland die Hoffnung nicht aufgeben. Dafür sieht er auch gute Gründe: Die Einstellung der einfachen Menschen auf beiden Seiten, die schlicht kriegsmüde sind; den gegenseitigen Respekt und das Vertrauen, das zwischen israelischer und palästinensischer Führung in der Ära nach Arafat trotz allem herrscht; und schließlich die zwei Monate alte Entscheidung der Palästinenser, während des israelischen Rückzugs trotz aller Bedenken nun doch wirtschaftlich und vor allem im Sicherheitsbereich zu kooperieren. Voraussagen für die nahe Zukunft wagt der Sicherheitsstratege indes keine. Selbst die endgültigen militärischen Entscheidungen über das weitere Vorgehen können erst in letzter Minute getroffen werden.

(Bild: Johannes Gerloff)

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