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In Jordanien steigt der Druck

Außer Israel war bislang Jordanien der einzige Staat im Nahen Osten, der die Palästinenser als Menschen behandelt hat. Nur in diesen beiden Staaten haben "Palästinenser", die auf dem jeweiligen Staatsgebiet wohnten, die Möglichkeit bekommen, eine Staatsbürgerschaft zu erhalten und somit ein normales Leben zu führen.

Konkret erteilte Jordanien Palästinensern, die vor 1988 auf seinem Staatsgebiet gewohnt hatten, gelbe Personalausweise und damit Bürgerrechte im Land. Wer familiäre Verbindungen zum Westjordanland hatte, bekam einen grünen Personalausweis und damit einen zeitweiligen jordanischen Pass, der wenigstens Auslandsreisen ermöglichte – aber keine Bürgerrechte. In allen anderen Staaten des Nahen Ostens wird den arabischen Flüchtlingen des israelisch-arabischen Konflikts jegliche Eingliederung unmöglich gemacht.

In der zweiten Julihälfte machten Gerüchte die Runde, das Haschemitenkönigreich wolle seinen palästinensischen Bürgern die Staatsbürgerschaft entziehen. Die Betroffenen sind „in einem Zustand der Panik und Verwirrung“, ist aus Jordanien zu hören, weil sie „befürchten deportiert zu werden“, wenn sie staatenlos wären. Jordanische Palästinenser haben Angst, abgelaufene Pässe zu erneuern.

Jordanische Regierungsstellen haben sich mittlerweile bemüht, klar zu stellen, man habe nur Jordanier palästinensischen Ursprungs aufgefordert, ihre israelischen Genehmigungen zu erneuern, die sie als Bürger des israelisch besetzten Westjordanlandes ausweisen. Damit wolle man Bemühungen des jüdischen Staates, Palästinenser aus den umstrittenen Gebieten zu vertreiben, zuvorkommen.

Konkret wurden zwischen März und Juni 2009 5.130 grüne Personalausweise gegen gelbe ausgetauscht, während 190 Palästinenser ihre jordanische Staatsbürgerschaft verloren. 2008 war 204 Palästinensern die jordanische Staatsbürgerschaft aberkannt worden, während 4.139 Menschen palästinensischen Ursprungs die jordanische Staatsbürgerschaft gewährt wurde. Zudem verliert die jordanische Staatsbürgerschaft, wer einen palästinensischen Pass führt oder für die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO arbeitet.

„Jordanien will Identität der Palästinenser wahren“

Gegenüber der arabischen Tageszeitung „Al-Hajat“ gab der jordanische Innenminister Najef Kadi unumwunden zu, dass es bei der Umsetzung dieser seit langem beschlossenen Verwaltungsmaßnahmen darum gehe, „die Identität der Palästinenser zu bewahren“ – im Klartext: ihnen jede endgültige Eingliederung in die jordanische Gesellschaft zu verwehren. Die Regierung Netanjahu wolle den israelisch-palästinensischen Konflikt auf Kosten seines Landes lösen. Israel betrachte, so der jordanische Innenminister, Jordanien als „Heimatalternative für die Palästinenser“ und wolle Tausende Flüchtlinge dort ansiedeln.

Damit qualifizierte Al-Kadi die jordanische „Verwaltungsmaßnahme“ als Antwort auf die programmatische Rede von Benjamin Netanjahu. Der israelische Premierminister hatte Mitte Juni klar gestellt, dass eine Lösung des palästinensischen Flüchtlingsproblems nur außerhalb der Grenzen des jüdischen Staates Israel in Frage kommen werde.

Jordanier palästinensischer Abstammung scheinen also zu Recht um ihre Zukunft zu bangen. Besonders problematisch ist die Lage von Palästinensern mit jordanischer Staatsbürgerschaft, die im Ausland arbeiten.

Innerjordanischer Machkampf?

Unabhängige Experten glauben allerdings, dass der Streit um die Bürgerrechte in Jordanien weniger mit Entwicklungen in Israel zusammenhängen, als vielmehr Ausdruck eines innerjordanischen Machtkampfes sind. Sie stellen die Legalität der Verwaltungsmaßnahmen grundsätzlich in Frage.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte der Völkerbund das Vereinigte Königreich Großbritannien beauftragt, dem jüdischen Volk eine Heimstätte zu schaffen. Zu diesem Zweck wurde nach dem Ersten Weltkrieg das „Mandat Palästina“ eingerichtet. Tatsache ist, dass das Mandatsgebiet ursprünglich nicht nur die Territorien des heutigen Staates Israel und der Palästinensischen Autonomie umfasste, sondern auch das gesamte heutige Königreich Jordanien.

Mit dem Staat Israel entstand 1948 auch das palästinensische Flüchtlingsproblem. Als einzige Volksgruppe weltweit bekamen die arabischen Flüchtlinge aus Israel im Rahmen der Vereinten Nationen ein eigenes Flüchtlingshilfswerk, die „United Nations Relief and Works Agency“ (UNRWA). Anfang der 1950er Jahre richtete die UNRWA auch in Jordanien Flüchtlingslager ein, die heute mit den umliegenden Städten und Dörfern zusammengewachsen sind.

Arafat: „Palästinenser und Araber sind ein Volk“

Insofern ist es wenig erstaunlich, wenn eine Bloggerin aus Jordanien schreibt: „In Jordanien scheint fast jeder irgendwie palästinensischer Abstammung zu sein.“ Jasser Arafat hatte 1986 noch dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ erklärt: „Tatsächlich sind Palästinenser und Jordanier ein Volk. Niemand kann uns trennen.“

Die Angaben darüber, wie viele Palästinenser es in Jordanien tatsächlich gibt, schwanken, und jede Zahl ist ein Politikum. Je nach Quelle sind zwischen 60 und 85 Prozent der jordanischen Staatsbürger „Palästinenser“. „Echte Jordanier“ beklagen, zur Minderheit im eigenen Land geworden zu sein. Was ein „echter Jordanier“ ist, hatte der 1999 verstorbene König Hussein erklärt und ist bis heute auf dessen Internetseite nachzulesen: „Die Mehrheit der jordanischen Bevölkerung sind Araber aus verschiedenen Stämmen, die im Laufe der Jahre aus allen Richtungen in diesem Gebiet eingewandert sind.“

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