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In Israel „stinkt“ es nach Neuwahlen

JERUSALEM (inn) - Ehemalige Geheimdienstchefs haben teils ausfällige Kritik an der jetzigen Regierung und speziell am Premierminister Benjamin Netanjahu und an Verteidigungsminister Ehud Barak geäußert. Oppositionspolitiker greifen die Gelegenheit auf, der Regierung das "Misstrauen" auszusprechen und Neuwahlen anzustreben.

"Ich rieche nichts", sagte Matan Vilnai, Ex-General und stellvertretender Verteidigungsminister, zu Behauptungen von Oppositionspolitikern, dass es in Israel nach Neuwahlen "stinke". Auch in Israel mangelt es nicht an Kritik am Kurs der Regierung Netanjahus. Er tue nichts für den Frieden und vernachlässige sträflich Verhandlungen mit den Palästinensern. Mit unzulässigen Holocaustvergleichen betreibe der Premier eine Panikmache und versetze die Israelis in Kriegsstimmung, um einen militärischen Schlag gegen Iran zu rechtfertigen.

Am Wochenende hat nun der ehemalige Geheimdienstchef Juval Diskin einen vernichtenden Schlag gegen die politische Führung Israels geprobt. "Die sollten nicht am Steuerrad sitzen, falls es zu einem Krieg kommt", warnte Diskin und meinte "jene beiden von den Kirovtürmen und der Villa in Caesarea", womit er die Luxuswohnungen von Barak und Netanjahu meinte. "Ein Militärschlag gegen den Iran könnte dessen Atomprogramm sogar beschleunigen", warnte Diskin.

Jener Geheimdienstchef hat vor einem Jahr seinen Dienst quittiert. Aber jahrelang saß er mit am Tisch bei Besprechungen zu den delikatesten Entscheidungen Israels. Ihm wird vorgeworfen, nicht zurückgetreten zu sein, wenn er heute die von ihm kritisierten Spitzenpolitiker für derart "gefährlich" und "unberechenbar" hält.

Aus Regierungskreisen verlautete, dass Diskin wohl "frustriert" sei, weil er nicht den Posten des Mossad-Chefs erhalten habe. Diskin werden unlautere politische Absichten unterstellt, indem er aus dem Nähkästchen der geheimsten Gremien plaudert.

Stabile Mehrheit im Parlament

Ob es in Israel infolge dieser ausgiebig breitgetretenen Kritik tatsächlich zu vorgezogenen Neuwahlen kommt, ist nicht abzusehen. Eine erste Voraussetzung wäre die Auflösung der Knesset, des Parlaments, wo freilich Netanjahu über eine fast präzedenzlos stabile Mehrheit verfügt. Nur wenn der Regierungschef selber an Neuwahlen interessiert wäre, dürften die Abgeordneten die formalen Schritte in Richtung Urnengang beschließen.

Die Koalitionspartner halten vorläufig zu der Regierung, sowohl die Frommen, wie auch die "Israel-Unser-Haus"-Partei von Außenminister Avigdor Lieberman. Das geringste Interesse an Neuwahlen dürfte Verteidigungsminister Ehud Barak haben. Der ehemalige Chef der Arbeitspartei hat sich von den Sozialisten abgespalten und eine eigene Fraktion gegründet. Umfragen prophezeien Baraks neuer Partei "Unabhängigkeit" den Untergang.

In der Opposition scheint nur Schelly Jachimowitsch, die neue Vorsitzende der Arbeitspartei, an Wahlen interessiert zu sein. Die ehemalige Journalistin genießt Popularität dank ihrer sozialen Pläne im Gefolge des "Hüttenkäse-Aufstands" vom letzten Sommer, bei dem sich die Mittelklasse gegen die überhöhten Preise für Nahrungsmittel und Mietwohnungen aufgelehnt hat.

Die größte Partei Israels, Kadima, hat vor kurzem bei einer Stichwahl die erfolglose Zippi Livni abgewählt und Ex-General Schaul Mofas zum neuen Vorsitzenden gewählt. Diese Partei ohne Konzept und Programm hat dem Wähler nur wenig zu bieten und muss sich erst einmal unter Mofas neu konstituieren. Weitere linke Parteien wie Meretz kratzen laut Umfragen hart an der in Israel üblichen 2-Prozent-Sperrklausel.

Zerreißproben: Wehrpflichtsgesetz und Siedlungsurteil

Zwar stehen innenpolitische Zerreißproben an. Doch ob sie Neuwahlen rechtfertigen, wird von Kommentatoren stark bezweifelt. So muss ein neues Gesetz zur allgemeinen Wehrpflicht formuliert werden, was die bislang vom Militärdienst befreiten Ultraorthodoxen und deren Politiker zum Austritt aus der Koalition bewegen könnte.

Ebenso steht ein Beschluss zu der Siedlung Migron an. Das Oberste Gericht hat entschieden, dass das Ulpana-Viertel jener Siedlung auf privatem palästinensischen Grundbesitz stehe. Seit 1977 gelten für Israels Regierungen zwei geheiligte Grundsätze: keine Siedlung auf palästinensischem Privatbesitz zu errichten und Gerichtsurteile blindlings zu befolgen. Die Regierung strebt im Fall von Migron jedoch einen "Aufschub" des Urteils an und sucht nach einer alternativen "Lösung", zum Beispiel finanzielle Kompensation für den palästinensischen Grundbesitzer. Sollte Netanjahu eine Räumung des Ulpana-Viertels verfügen, könnte das die Partei von Außenministers Lieberman zum Austritt aus der Koalition bewegen.

"Alles ist im Fluss", meinte am Sonntag ein Experte für Israels komplizierte Parteienpolitik und wagte nicht, zu diesem Zeitpunkt ein Votum für oder gegen Neuwahlen abzugeben.

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