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Imageverbesserung durch Kompetenz: Die neue palästinensische Tourismusministerin im Gespräch

Chulud Daibes-Abu Dajjeh ist die einzige Christin in der neuen Einheitsregierung der Palästinenser. Die Katholikin aus Bethlehem ist mit einem lutherischen Protestanten verheiratet und hat am 20. März ihr Amt als Ministerin für Tourismus und Altertümer angetreten. Sie ist eine von vier parteilosen Ministern im neuen Kabinett der Palästinensischen Autonomiebehörde, das von der radikal-islamischen Hamas dominiert wird.

Chulud Daibes hat die evangelisch-lutherische Schule Talitha Kumi in Beit Dschalla besucht und dort Deutsch gelernt, nachdem sie einen Großteil ihrer Kindheit in Jerusalem verbracht hatte, wo ihr Vater Lehrer an der Martin-Luther-Schule war. Als Stipendiatin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) hat sie in den 80er Jahren in Hannover Architektur studiert und über das Thema „Bewahrung des palästinensischen kulturellen Erbes – Strategien und vorläufige Lösungen“ promoviert.

Nach zwölf Jahren in Deutschland kehrte sie 1994 voller Hoffnung in die neu gegründete Palästinensische Autonomie zurück, um beim Aufbau ihres Landes zu helfen. Mit Erfahrungen in verschiedenen deutschen und palästinensischen Architekturbüros ausgerüstet kümmerte sie sich im Rahmen des Projektes „Bethlehem 2000“ um die Denkmalpflege und Stadtplanung der Geburtsstadt Jesu Christi und brachte es schließlich bis zur Direktorin des Bethlehemer Zentrums zur Erhaltung des Kulturerbes (Centre for Cultural Heritage Preservation, CCHP).

Die neue palästinensische Tourismusministerin ist Mutter von drei Kindern und wohnt mit ihrer Familie zeitweise in der palästinensischen Autonomiestadt Beit Dschalla, zeitweise aber auch im Osten der Stadt Jerusalem, die von Israel als Hauptstadt beansprucht wird und in der Chulud Daibes ebenfalls ein Haus besitzt. Aufgrund ihres israelischen Personalausweises kann sie relativ frei zwischen ihren beiden Wohnsitzen pendeln.

An ihrem ersten Arbeitstag als Tourismus- und Antiquien-Ministerin erzählte Dr. Chulud Daibes-Abu Dajjeh in ihrem Büro in Bethlehem von sich, ihrer Arbeit, ihren Vorstellungen und ihrer Sicht der aktuellen politischen Lage:

Zu ihrem politischen Engagement:

Ich bin nicht parteipolitisch aktiv. Aber ich bin in mein Land zurückgekehrt, weil ich überzeugt bin, dass dies hier mein Platz ist. Natürlich wäre es einfacher gewesen, in Deutschland zu bleiben. Ich bin einer der Technokraten in der Einheitsregierung, die das gesamte politische und gesellschaftliche Spektrum des palästinensischen Volkes repräsentieren soll.

Zur neuen palästinensischen Einheitsregierung:

Es war nicht einfach, sich in einer schwierigen Zeit auf ein Programm zu einigen. Aber alle haben erkannt, dass wir eine gemeinsame Sprache finden müssen. Wir haben uns geeinigt, Probleme künftig durch Dialog zu lösen. Was im Regierungsprogramm steht, ist für mich als Ausgangsposition akzeptabel. Jetzt müssen wir als erstes die Isolation durchbrechen.

Zum Widerstandsrecht der Palästinenser gegen Israel:

Besatzung ist illegal und man hat ein Recht auf Freiheit. Im Regierungsprogramm steht festgeschrieben, dass man das palästinensische Problem lösen will. Verhandlungen sind Sache der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO und des Präsidenten Mahmud Abbas (Abu Masen). Er hat volle Autorität, mit Israel zu verhandeln, um einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 zu erreichen. Aber solange das nicht geschieht, muss man dafür kämpfen.

Zu Verhandlungen mit Israel:

Die neue Einheitsregierung wird Abu Masen in den Verhandlungen mit Israel voll unterstützen. Im Endeffekt wird aber das Volk selbst über seine Zukunft – beispielsweise durch ein Referendum – entscheiden.

Zur israelisch-palästinensischen Wortklauberei:

[Die neue PA-Regierung hat sich bereit erklärt, bestehende Verträge zwischen Israel und der PLO zu „respektieren“. Das Wort „anerkennen“ wird vermieden – was von Israel so interpretiert wird, dass die Palästinenser eine „Anerkennung“ der bestehenden Verträge ablehnen. Unter Willy Brandt hat die Bundesrepublik Deutschland eine diplomatische „Anerkennung“ der DDR vermieden, politische Kontakte allerdings durch eine „Respektierung“ ermöglicht.]

Der „Respekt“ hat für uns einen sehr hohen symbolischen Wert, so „respektiert“ man beispielsweise seine Eltern. „Respekt“ ist ein sehr starkes Wort. Das ist eine sehr positive Entwicklung in der Sprache der Hamas, die von der Welt unterstützt werden sollte, damit die gemäßigten Kräfte innerhalb der Hamas und der Einheitsregierung Fuß fassen können und eine weitere Stärkung des Extremismus verhindert wird. Nur so werden die Bedingungen der Weltgemeinschaft für eine Lösung des Konflikts gefördert.

Zum jüngsten Hamas-Anschlag auf einen Israeli am Rande des Gazastreifens:

Es muss eine sofortige Entlastung der Palästinenser geben, sonst werden die Radikalen innerhalb der Hamas an Macht gewinnen. Uns ist bewusst, dass die Sicherheitslage in den palästinensischen Gebieten sehr explosiv ist. Die Entschärfung dieser Situation ist eine der Prioritäten der neuen Regierung, und Präsident Abbas wird entschieden vorgehen. Ich glaube, dass er Erfolg haben wird, und bin sehr optimistisch.

Zu Israels Verhalten gegenüber den Palästinensern:

Von Israel bekommen wir gar nichts. Israel spielt mit Worten und das muss ein Ende haben. Israel nimmt das Ganze nicht ernst und will immer einen Grund haben, um nicht weiter zu verhandeln. Warum sonst ist in all den Jahren ein Staat Palästina durch Verhandlungen nicht zustande gekommen?! Wie sonst ist es zu dieser schwierigen Situation gekommen, mit der Mauer und den Siedlungen?! Die Realität des täglichen Lebens zeigt, dass Israel es nicht ernst meint, wenn es von einem Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat spricht.

Zur Stellung der Frau in der palästinensischen Gesellschaft:

Ich arbeite seit zwölf Jahren in einem typischen Männerberuf. Es ist meine Aufgabe, die Männer zu erziehen und ihnen zu zeigen, dass eine Frau in unserer Gesellschaft auch in hohen Positionen eine wichtige Rolle spielen kann. Politisch ist die Gleichberechtigung der Frau festgeschrieben. Aber gesellschaftlich ist es nicht einfach, auch wenn es möglich ist, sich als Frau durch Kompetenz Respekt zu verschaffen. Aber es gibt noch viel zu tun.

Zur Lage der Christen:

Wir sind zu einer kleinen Minderheit von ein bis zwei Prozent in unserer Gesellschaft geworden. Die Christen wandern aus, weil sie hier keine Arbeit haben. Dem wollen wir durch Förderung des Tourismus und der Schaffung von Arbeitsplätzen entgegenwirken.

Zur Perspektive ihrer Arbeit als Tourismusministerin:

Der Tourismus ist unsere Verbindung zur Außenwelt. Durch den Tourismus können wir ein besseres Image von Palästina vermitteln. Tourismus hat einen kulturellen Wert, eine religiöse Bedeutung und ist für uns auch ökonomisch sehr wichtig. Der Tourismus wird immer eine unserer wichtigsten Ressourcen sein. Unsere erste Priorität ist, Palästina auf die touristische Landkarte zurückzubringen.

Doch die Lage ist sehr schwierig. Alle unsere Mitarbeiter haben im vergangenen Jahr nur einen Teil ihres Gehalts bekommen und deshalb eine sehr schwere Zeit durchlebt. Unsere Aufgabe ist es jetzt, diese Mitarbeiter neu zu motivieren und auch den Menschen auf der Straße zu vermitteln, dass es hier Menschen gibt, die wissen, was sie wollen und konkrete Ergebnisse schaffen können.

Ohne eine politische Lösung ist es natürlich schwer, den Tourismus zu fördern, wenn man beispielsweise an die eingeschränkte Bewegungsfreiheit und den Mauerbau denkt. Wir hoffen aber sehr auf die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft.

(Foto: Johannes Gerloff)

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