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Hintergrund Siedlungspolitik: Natürliches Wachstum, historische Rechte, freiwillige Bewegung

Der israelische Außenminister rechtfertigt die Siedlungspolitik seines Landes

Anfang April wurden die Pläne der Regierung Sharon bekannt. Im Jahr 2001 sollen Bauplätze für insgesamt 5.000 Wohnungen in Judäa und Samaria freigegeben werden. Im Vorjahr waren es noch 2.800 Bauplätze, die in den umstrittenen Gebieten verkauft wurden.

Dadurch konnte die israelische Regierung Einnahmen in Höhe von umgerechnet 40 Millionen DM verzeichnen. Diese Bauvorhaben liegen fast alle im Großraum Jerusalem, im Gush Etzion, in Maale Adumim und in Givat Zeev.

Diese Tatsachen scheinen der Politik zu widersprechen, die Außenminister Shimon Peres verkündet. „Keine neuen Siedlungen“ und die „Bereitschaft zu schmerzhaften Kompromissen“ um eines möglichen Friedens willen hatte seine sozialistische Arbeitspartei den rechten Koalitionspartnern unter Regierungschef Ariel Sharon als Bedingung für die nationale Einheitsregierung abverlangt. Vor Journalisten wiederholt der Friedensnobelpreisträger Mitte Mai seine Vorsätze, zu denen auch gehört, daß es keine weiteren Konfiszierungen von Land zum Ausbau von Siedlungen geben werde.

Ein Baustop schließe allerdings ein „natürliches Wachstum“ nicht aus. „Wenn junge Leute heiraten, wenn Kinder geboren werden, wenn Kindergärten gebaut werden müssen, dann kann man das nur schwer unterbinden.“ Der Profidiplomat zeigt sich in Hochform. In einem Schreiben an US-Außenminister Colin Powell verteidigt Peres seine Idee. „Die Siedlungen dürfen nicht als Grund für palästinensische Gewalttätigkeiten vorverurteilt werden“, fordert er von seinem amerikanischen Kollegen. Europäische Diplomaten sucht er zu beruhigen, indem er ihnen versichert, das „natürliche Wachstum“ bedeute nicht notwendigerweise eine territoriale Ausdehnung der jüdischen Siedlungsgebiete.

Das Außenministerium des Staates Israel legte in einem Positionspapier in der zweiten Maihälfte seine Gründe für die Rechtmäßigkeit jüdischer Siedlungen in „Yesha“ dar, wie die umstrittenen Gebiete Judäas, Samarias und des Gazastreifens hebräisch abgekürzt werden. „Seit undenklicher Zeit existiert eine jüdische Besiedlung der Westbank und des Gazastreifens“, argumentieren die israelischen Diplomaten. Einige jüdische Gemeinden, wie die in Hebron, haben während der ottomanischen Herrschaft Jahrhunderte lang existiert.

Viele israelische Siedler haben sich an Stellen niedergelassen, auf denen jüdische Gemeinden in früheren Generationen beheimatet waren. Diese Menschen haben eine tiefe historische und religiöse Bindung an das Land Israel.

In mehr als tausend Jahren war nur während der jordanischen Besatzungszeit 1948 bis 1967 die Besiedlung des Landes durch Juden untersagt. Die Jordanier bestraften den Verkauf von Land an Juden mit dem Tode. „Weder die jordanische noch die ägyptische Besatzung können die juristischen Dokumente, die das Recht von Juden, sich in dieser Gegend niederzulassen, bezeugen, ungültig machen“, meint das israelische Außenministerium und verweist auf das vom Völkerbund abgesegnete Mandat des britischen Weltreiches.

Die Mandatsverordnung legte fest, daß die Verwaltung Palästinas „jüdische Einwanderung ermöglichen“ und „die Ansiedlung von Juden auf dem Land, einschließlich Staatsland, das nicht von der Öffentlichkeit benötigt wird“ fördern soll.

Dies galt nicht nur für das Staatsgebiet Israel, einschließlich „Yesha“, sondern auch für das heutige Staatsgebiet des haschemitischen Königreichs Jordanien, das ursprünglich zum britischen Mandatsgebiet Palästina gehört hatte.

Das israelische Außenministerium verweist darauf, daß Siedlungen wie Neve Yaakov im Norden von Jerusalem, der Gush Etzion, die Gemeinden am Nordende des Toten Meeres und Kfar Darom im Gazastreifen bereits vor der Gründung des Staates Israel existiert haben.

Den Bezug auf Artikel 49 der 4. Genfer Konvention weist Israel entschieden zurück. Diese internationalen Vereinbarungen wurden im Blick auf die Zwangsumsiedlungen während des Zweiten Weltkrieges in der Tschechoslowakei, in Polen und Ungarn getroffen.

Damit gebe es aber bei den Vorgängen in der Westbank und im Gazastreifen eindeutig keinerlei Parallele zur Lebensraum-Politik Adolf Hitlers. Die „freiwillige Rückkehr von Einzelpersonen in Städte und Dörfer, aus denen sie selbst oder ihre Vorfahren vertrieben wurden“ sei in keiner Weise mit einer in der Genfer Konvention verbotenen Zwangsumsiedlung gleichzusetzen. Auch habe die israelische Siedlungsbewegung nicht den Zweck, die arabische Bevölkerung zu vertreiben.

Im Namen der Regierung Sharon ist aus dem Ministerium von Shimon Peres zu vernehmen, daß „die israelische Wiederbesiedlung des Landes unter der strikten Kontrolle des Obersten Gerichts in Israel stattfindet, das sicherstellt, daß keine jüdischen Gemeinden auf arabischem Privatland errichtet werden.“

Auch enthalten die bislang unterzeichneten israelisch-palästinensischen Abkommen kein Verbot für den Ausbau vorhandener jüdischer Siedlungen. Im Gegenteil, die Siedlungsfrage werde ausdrücklich für die Endstatusverhandlungen reserviert.

Wenn das Verbot von einseitigen Maßnahmen zur Veränderung des Status quo bedeuten würde, daß keine Wohnungen gebaut werden dürfen, dann träfe dies ja auch für die arabische Seite zu, was das Positionspapier als „lächerlich“ zurückweist.

Den Vorwurf, die israelische Siedlungsbewegung sei illegal, verwirft das israelische Außenministerium als „politisch motiviert“. Die Westbank, das biblische Judäa und Samaria, und der Gazastreifen seien „umstrittene Gebiete“, auf die unterschiedliche Parteien einen Anspruch erheben. Der israelische Friedensdiplomat Peres besteht darauf: „Die Zukunft der Siedlungen muß am Verhandlungstisch geregelt werden.“

Die offizielle israelische Stellungnahme unterstreicht die Rechtmäßigkeit ihres Standpunktes dadurch, daß die umstrittenen Gebiete keinem international anerkannten Staat angehört haben, bevor sie unter israelische Herrschaft kamen. Die Annexion des Westjordanlandes durch Jordanien Anfang der 50er Jahre war nur von Pakistan und Großbritannien anerkannt worden.

Außerdem habe Israel die Gebiete in einem Verteidigungskrieg erobert, der dem jüdischen Staat aufgezwungen wurde. Die Parallele mit den deutschen Ostgebieten wird zwar nicht erwähnt, steht aber unausgesprochen im Raum.

„Die Araber wollen das Land nicht!“ Nein, so kraß drückt sich der Altmeister israelischer Friedenspolitik nicht aus, um die arabische Politik der letzten dreieinhalb Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts zu umschreiben.

Auch die Tatsache, daß bereits 1967, wenige Wochen nach dem Sechstagekrieg, Israel seinen arabischen Nachbarn „Land für Frieden“ geboten hat, wird nicht zu Rate gezogen. Es waren die Araber, die damals im sudanesischen Khartoum mit einem dreifachen „Nein“ dieses Angebot zurückwiesen: „Nein zum Frieden! Nein zu Verhandlungen! Und: Nein zu einer Anerkennung des jüdischen Staates!“

Und doch wird Peres seinen journalistischen Gesprächspartnern gegenüber polemisch: „Die Araber haben den Palästinensern nie einen eigenen Staat angeboten. Das haben nur wir getan!“, spielt er auf die Zeit vom Mai 1948 bis zum Juni 1967 an, in denen die umstrittenen Gebiete von Jordanien verwaltet wurden. Er gibt sich selbstbewußt: „Unsere Bilanz ist nicht so schlecht, daß ich mich entschuldigen müßte!“, und kommt dann noch einmal auf die letzte ernsthafte Verhandlungsrunde im Sommer 2000 im amerikanischen Camp David zu sprechen: „Ich bin mir nicht sicher, daß Ehud Barak das politische Mandat dafür hatte“, den Palästinensern 97 Prozent von „Yesha“, einschließlich des strategisch unverzichtbaren Jordantals und einschließlich eines Mitspracherechts über Jerusalem anzubieten.

Trotzdem hat Arafat abgelehnt. Warum? Darüber zerbrechen sich politische Beobachter heute die Köpfe. Klar ist aber, und darin ist sich Shimon Peres mit seinem ideologischen Erzrivalen Ariel Sharon einig: „Der Clinton-Vorschlag wurde abgelehnt und ist deshalb endgültig vom Tisch.“

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