Am letzten Schultag vor den Schavuot-Ferien sammeln die Mütter im Garten oder in der Natur Blumen, um dann für ihre Töchter Blumenkränze zu flechten. Ganz in weiß gekleidet gehen die Kinder in den Kindergarten oder in die Schule. Sie sind mit Blumen geschmückt und tragen Körbe mit buntem Obst und Gemüse, das lecker aussieht. Es ist Zeit, Gott für die erste Ernte zu danken.
Das „Wochenfest“, hebräisch „Schavuot“, wird am 6. Sivan des jüdischen Kalenders gefeiert, der in diesem Jahr auf den 26. Mai fällt. In Israel ist schon richtig Sommer und es gibt eine große Auswahl an Obst. Zu den Orangen, Grapefruits, Mandarinen und Zitronen, die uns im Winter das nötige Vitamin C geliefert haben, kommen schon im Januar und Februar die Erdbeeren. In der Zeit vor Schavuot, im Mai und Juni, wenn man in Deutschland anfängt, sich auf die Erdbeeren zu freuen, reifen hier schon die ersten Aprikosen, Pfirsiche, Zwetschgen, Trauben und Melonen. Gott hat seinem Volk ein Land gegeben, das nicht nur von Milch und Honig fließt, sondern auch viele verschiedene Arten von Obst, Gemüse und anderen Früchten bietet.
Doch was wären alle diese Früchte ohne das Brot. In 3. Mose 23,15-22 wird genau beschrieben, wann und wie dieses Fest der Ernte und der Erstlinge zu feiern ist. Als Erstlingsgabe hatte man ursprünglich zwei Brote als Schwingopfer dargebracht. Da man nach dem Pessach-Fest in der so genannten „Omerzählung“ sieben Wochen plus einen Tag zählt, wird dieses Fest „Wochenfest“, „Schavuot“, oder nach dem griechischen Wort für „Fünfzig“, „Pentekostos“, auch „Pfingsten“ genannt.
Schavuot ist nach dem Pessach-Fest das zweite große Wallfahrtsfest der Bibel. Deswegen waren 50 Tage nach dem Tode Jesu am Pfingstfest, an das sich die Christen erinnern, in Jerusalem auch Juden „aus allen Völkern unter dem Himmel“ versammelt (Apostelgeschichte 2). Bis heute pilgern Juden aus der ganzen Welt zu den drei großen Hauptfesten, Pessach, Schavuot und dem Laubhüttenfest (Sukkot), nach Jerusalem.
Aber, „der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von allem, was aus dem Mund des Herrn geht“ (5. Mose 8,3). Deshalb ist Schavuot als „Fest der Erstlingsfrüchte“ auch ein Fest des Wortes Gottes. Das jüdische Volk feiert an diesem Tag, dass ihm am Sinai die Tora gegeben wurde (2. Mose 19). Nach jüdischer Tradition wird während dieses Festes eine ganze Nacht dem Schriftstudium gewidmet. Unter anderem wird das Buch Rut vorgelesen, weil diese Geschichte während der Ernte spielt. Die bewusste Hinwendung der Moabiterin Rut zum Gott Israels passt zum Torafest und ist eine „Erstlingsfrucht“ unter den vielen Heiden, die in den nachfolgenden Jahrhunderten ihrem Beispiel gefolgt sind (vergleiche Rut 1,16-17).
Zu jedem Fest in Israel gehören bestimmte Speisen. „Schavuot“ ist undenkbar ohne Käsekuchen und Milchprodukte. Diese Sitte wird ganz unterschiedlich erklärt. So lernen die Schulkinder, dass das Volk Israel „vorsichtshalber“ am Anfang nur Milch gegessen habe, weil die Tora noch ganz neu war und die einzelnen Gesetze noch nicht bekannt waren. Deshalb war auch nicht klar, wie die heute penibelst eingehaltene Trennung von Milch und Fleisch im Einzelnen eingehalten werden sollte.
Andere sehen die Milchspeisen als Symbol für die Trennung von allem „Fleischlichen“, die im Zusammenhang mit dem goldenen Kalb vollzogen werden sollte (2. Mose 32). Wer das Hohe Lied auf seine Beziehung zum Wort Gottes überträgt, denkt bei den Milchspeisen an den Satz: „Honig und Milch sind unter deiner Zunge“ (Hoheslied 4,11). Wieder andere verweisen darauf, dass der Zahlenwert des hebräischen Wortes „Chalav“, Milch, 40 ist. Vierzig Tage war Mose auf dem Berg Sinai.