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Hilflos abwarten: Ein Stimmungsbild aus Nordisrael

„Man kann nichts tun, einfach nur hilflos abwarten, wie sich die Lage entwickelt.“ Schula gehört zu den Einwohnern des Moschav Sarit, einer israelischen Gemeinschaftssiedlung direkt an der libanesischen Grenze. Wenige Hundert Meter auf der anderen Seite des Grenzzauns saßen bis vor ein paar Tagen noch die Kämpfer der Hisbollah. Mit dem Überfall auf die beiden Militärjeeps am frühen Mittwochmorgen ist die Ruhe dahin. „All die schlimmen Erinnerungen kommen zurück“, erzählt Schula, „an die Zeit vor 1982, als unsere Kinder unter täglichem Bombardement aufwachsen mussten.“

Dabei ist es gar nicht so sehr der mörderische Raketenhagel, der die Bewohner im Norden Israels frustriert, als vielmehr die Aussicht, dass sich auch dieses Mal nichts ändern wird. „Wenn wir reagieren, schreit die Welt auf und meint, dass wir überreagieren“, schimpft Alice, die aus Amerika eingewandert ist und seit 1976 in Naharija wohnt. Sie erinnert sich noch gut an die Zeit, als die PLO Nordisrael mit Raketen und Mörsergranaten beschoss. „Solange wir beschossen werden, kümmert sich niemand darum.“ Alice ist als Sozialarbeiterin viel unterwegs und kennt ihre Stadt. „Selbst politisch linksgerichtete Leute sind verärgert, weil wir uns nie wehren dürfen und das Problem so immer weitergehen wird.“

Naharija war bis vor wenigen Jahren noch als Stadt der „Jeckes“, der deutschstämmigen Juden bekannt. Und viele Einwohner von Naharija vergleichen die aktuelle Lage mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs. „Damals hätte niemand an ein Kriegsende gedacht, bevor die Nazis kapituliert haben“, erklärt Alice und weiß auch die Lösung des Problems: „Unsere Armee muss die ganze Hisbollah einschließlich der so genannten Zivilisten vollkommen vernichten.“

Ganz so radikal äußern sich nicht alle. Aber Juda bringt in seinem Haus mit Blick auf den See Genezareth, das plötzlich in die Reichweite der Hisbollah-Raketen geraten ist, auf den Punkt, was immer wieder zur Sprache kommt: „Wir müssen die andere Seite so hart schlagen, dass sie merken, dass es sich nicht lohnt, uns anzugreifen.“ Dabei sollte nach Judas Meinung dem Libanon klar gemacht werden, dass er dafür verantwortlich ist, was auf seinem Territorium geschieht und von seinem Territorium ausgeht.

Doch das wird nicht schnell zu erreichen sein. Darüber sind sich alle im Klaren. Deshalb richten sich die Bewohner Israels auf eine längere Zeit in Schutzräumen und Bunkern ein – sofern diese vorhanden sind. Apathisch oder gelassen haben die Holocaustüberlebenden in dem von Deutschen geführten Pflegeheim „Beit Elieser“ in Ma´alot, nur acht Kilometer von der Grenze mit dem Libanon entfernt, es über sich ergehen lassen, als sie mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und in den Bunker verlegt wurden. Aber die großen, Angst erfüllten Augen erzählen den deutschen Volontären, die sie betreuen, Bände.

Schon in den ersten Stunden nach Beginn der unüberhörbaren Kampfhandlungen fuhren die ersten Autos in Richtung Süden, möglichst weit weg von den gefährlichen und unberechenbaren Raketen. Auch Aviv überlegt, ob er seine Heimatstadt Naharijah verlassen soll. „Meine vierjährige Tochter reagierte hysterisch, als sie heute Morgen die Raketen einschlagen hörte. Jetzt ist sie ruhig. Aber wir können nicht mehr viel aushalten.“

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