„Das ist reine Routine“, sagt auf Anfrage ein Militärsprecher. Jedes Jahr werde eine solche Übung abgehalten. Auf die Frage, wieso denn niemand in den vergangenen Jahrzehnten davon gehört habe, gestand der Soldat, dass diesmal der Umfang der Übung besonders groß sei und die ganze Bevölkerung Israels von den Golanhöhen im Norden und bis Eilat am Roten Meer im Süden umfasse. „Als Schüler haben wir immer wieder mal geprobt, so schnell wie möglich die Luftschutzkeller aufzusuchen“, erinnert er sich. Wieso diesmal im ganzen Land geprobt wird, konnte er nicht sagen.
Im benachbarten Libanon wird die einwöchige israelische Übung nicht auf die leichte Schulter genommen. 25.000 libanesische Soldaten im Süden des Landes wurden in Alarmbereitschaft versetzt und sollen „besonders aufmerksam“ militärische Bewegungen aus Richtung Israel beobachten. Auch die islamistische Miliz Hisbollah habe ihre Kämpfer erstmals seit dem Libanonkrieg im Sommer 2006 in höchste Alarmbereitschaft versetzt.
Beteiligung der israelischen Bevölkerung befragt
Generalmajor Jair Golan forderte in einer Pressemitteilung die ganze Öffentlichkeit auf, zu kooperieren und sich an der Übung zu beteiligen: „Es ist wichtig, dass jeder Zivilist, jede Institution und jeder Arbeitsplatz ernsthaft probt, um unsere Bereitschaft und nationale Abwehrkraft zu verbessern.“
Seit Tagen werden die Israelis per Rundfunk und Fernsehen aufgefordert, einen Schutzraum auszuwählen und vorzubereiten, um ihn beim Heulen der Sirenen aufzusuchen. Obgleich offiziell weder die Möglichkeit erneuter Raketenangriffe der Hisbollah im Libanon oder der Hamas im Gazastreifen noch gar die allgemeine Angst vor einer iranischen Atombombe erwähnt wird, ist klar, dass das israelische Militär mit dieser umfassenden „Routineübung“ auch den Ernstfall eines Krieges proben lässt.
Landkarte zeigt, wie viel Zeit bei Alarm bleibt
Auf der Internetseite der Heimatfront, die für den Zivilschutz zuständig ist, werden für jede Region unterschiedliche Zeiten angegeben, innerhalb derer man im Schutzraum sitzen sollte. Auf einer bunten Landkarte ist angemerkt, wie viel Zeit bei einem Raketenangriff verbleibt. Entlang der Grenzen zu Libanon und Syrien sollte man „sofort“ im Schutzraum sein. Nahe dem Gazastreifen sind es 15 bis 60 Sekunden. In Tel Aviv darf man sich 2 Minuten Zeit lassen, in Jerusalem, Dimona und in der Negevwüste sind es 3 Minuten.
Auf der Homepage werden auf Hebräisch, Arabisch, Russisch und Englisch sowohl Naturkatastrophen wie auch kriegerische Notstände beschrieben, mitsamt Empfehlungen zur Vorbereitung. Alle Familienmitglieder sollten beispielsweise wissen, wo das Wasser zugedreht oder der Strom ausgeschaltet wird. Nicht Erdbeben bedeuteten Gefahr, sondern einstürzende Wände, Erdrutsch und Feuer durch gebrochene Gasleitungen, heißt es in der entsprechenden Rubrik.
Bei der Beschreibung unterschiedlicher Gefahren durch Terror, Angriffe mit unkonventionellen Waffen, Überschwemmungen und Feuer heißt es zum Beispiel im aufklärenden Text über chemische Waffen, dass solche schon im Altertum eingesetzt worden seien. So habe man Wasserquellen vergiftet, um Plagen und Seuchen auszulösen. Im Ersten Weltkrieg seien Soldaten mit Chlorgas paralysiert worden. Inzwischen seien chemische Waffen weiterentwickelt worden. Während des Iran-Irak-Kriegs seien unkonventionelle Waffen in großem Ausmaß eingesetzt worden und hätten „furchtbaren Schaden unter der Bevölkerung“ angerichtet. Auch der Einsatz biologischer Waffen sei eine „gültige Gefahr“. Als Beispiel wird der Versand von Briefumschlägen mit Anthrax-Bakterien in den USA zwischen Oktober und November 2001 genannt. Neben Krankheit und Tod verursachen biologische Waffen auch „wirtschaftlichen Schaden und öffentliche Panik“.