TEL AVIV (inn) – Der Chefredakteur der Tel Aviver Tageszeitung „Ha´aretz“, Hanoch Marmari, zieht sich von seinem Posten zurück. Anlass sind Meinungsverschiedenheiten mit Verleger Amos Schocken.
Wie „Ha´aretz“ berichtet, will Schocken das Wirtschaftsressort in einem Gebäude unterbringen, in dem sich auch seine Ökonomie-Website befindet. Marmari sehe darin eine Einschränkung seiner Autorität.
„Ich habe kürzlich Amos Schocken über meine Absicht informiert, meine Zeit als Chefredakteur zu beenden“, schreibt der 55-Jährige in einer Mitteilung an seine Angestellten. „Ich denke, dass es angemessen ist, meine Aufgabe mit guten Gefühlen zu beenden und es dem Verleger zu ermöglichen, die Zeitung auf seine Weise zu leiten.“ Er kündigte allerdings an, so lange zu bleiben, bis ein Nachfolger gefunden und eingearbeitet sei.
Schocken sagte, er wolle das Wirtschaftsressort aus technischen Gründen verlegen. Es gebe keinen Anlass für einen Disput mit Marmari. „Ich bedauere Hanochs Entscheidung“, fügte er hinzu. „Schließlich hat er den Posten lange Zeit innegehabt und ist sehr erfolgreich Chefredakteur gewesen. Ich habe vor, ihm eine weitere Amtsperiode anzubieten. Mein Kandidat für den nächsten Chefredakteur von ‚Ha´aretz‘ ist Hanoch Marmari.“
Einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zufolge sind inhaltliche Diskussionen der eigentliche Grund für den Rücktritt. „Marmari sieht sich der harten Kritik mancher Leser ausgesetzt, die der Zeitung eine zu kritische Haltung dem eigenen Land gegenüber vorwerfen“, heißt es in der FAZ. „Vor Monaten bekundete Marmari bei einem Vortrag, dass viele Leser offenbar meinten, die Redaktion sei wie besessen und ihnen gegenüber herablassend.“ Der Vorwurf laute „Nestbeschmutzung“. Schocken trete hingegen für einen „klaren, harten Journalismus ein, der die Wahrheit an den Tag bringen will und ideologische Rücksichten scheut“. Diesen Dissenz hätten die beiden zuweilen in der eigenen Zeitung ausgetragen.
Marmari ist seit 13 Jahren Chefredakteur der israelischen Zeitung. Mitte der 80er Jahre hatte er begonnen, für „Ha´aretz“ zu arbeiten.
