Glockenläuten für Frieden in Jerusalem

Nach sechs Monaten überreicht der Brandenburger Pferdetreck in Jerusalem seine Friedensglocke. Nicht immer lief alles wie geplant, doch die Glocke schlägt nun in einer Schule.
Von Merle Hofer
Friedenstreck

JERUSALEM (inn) – Der deutsche Verein „Friedensglocken e.V.“ hat am Donnerstag eine 65 Kilogramm schwere Glocke an die Jerusalemer Schule „Hand in Hand“ übergeben. Die Glocke wurde 2020 aus eingeschmolzenem Militärschrott aus dem Zweiten Weltkrieg gegossen. Neben dem Wort „Frieden“, das in verschiedenen Sprachen auf der Glocke eingraviert ist, steht „Jerusalem 2025“ sowie der dem biblischen Hebräerbrief (12,14) entnommene Vers: „Jagt dem Frieden nach mit jedermann.“

Überbringer waren mehr als 20 Mitglieder und Freunde des Friedensglocken-Vereins, die seit dem 8. Mai, 80 Jahre nach Kriegsende, mit Kutschen und Tross auf dem Landweg von Deutschland nach Jerusalem unterwegs waren. Ursprünglich sollte die Glocke am 25. Dezember in Bethlehem übergeben werden, doch schon bald wurde klar, dass sie in der Jerusalemer Schule „Hand in Hand“ besser genutzt werden könne. In der Schule wird in Hebräisch und Arabisch unterrichtet. Mehr als 700 jüdische, christliche und muslimische Schüler lernen hier gemeinsam.

Foto: Israelnetz/mh
Ideengeber Helmut Kautz mit Übersetzerin Anat

Ideengeber Helmut Kautz strahlt über das ganze Gesicht, als er sich während der Glockenübergabe an die Gäste richtet. „Ich bin so froh, jetzt hier zu sein. Und schön, dass ihr Kinder hier seid. Ihr seid die nächste Generation und lernt, miteinander zu leben und zu reden. Wir haben Hoffnung, dass ihr erreicht, was wir als Erwachsene nicht geschafft haben. Ich habe Hoffnung, dass nach all dem Furchtbaren, was in der letzten Zeit passiert ist und was ihr erlebt habt, etwas Schönes entstehen kann.“

„Ein solches Treffen wäre vor 80 Jahren undenkbar gewesen!“

Der Pastor aus Brandenburg zitiert den Vers aus dem biblischen Buch Micha (4,3): „Es werden die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet und es wird Friede sein, der jetzt noch nicht da ist.“ Sichtlich bewegt sagt er über seine israelische Übersetzerin: „Vor 80 Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass Anat, die Tochter eines Holocaustüberlebenden, und ich, der Enkel eines Waffen-SS-Soldaten, hier zusammen vor euch stehen.“

Foto: Israelnetz/mh
Die Jerusalemer Schule „Hand in Hand“ unterrichtet Schüler in hebräischer und arabischer Sprache

Für Kautz als Deutschen ist es ein Geschenk, dass „wir seit 80 Jahren in Frieden leben, und dieser Frieden einen unglaublichen Wohlstand ermöglicht“. Auch die deutsch-deutsche Wiedervereinigung sieht er als Geschenk: „Wir haben erlebt, dass Friede und Begegnung sowie Zusammenleben möglich ist.“ Deshalb hat er Hoffnung, dass auch für die nachfolgenden Generationen in Jerusalem „Frieden und Miteinander“ möglich ist.

Der Pastor erzählt: „Die Glocke soll bei euch in der Schule hängen und ich hoffe, dass ihr sie jeden Tag läutet und sie euch dann daran erinnert: Wir jagen dem Frieden nach mit jedermann. Ich wünsche euch, dass ihr versöhnt lebt und ich sage euch: Wunder geschehen.“

Übersetzerin Anat fügt an: „Helmut hat vergessen zu sagen: Er hat immer von dieser Friedensglocke geträumt. Und er hat groß geträumt.“ An die Schüler gewandt, sagt sie: „Kinder, euch möchten wir sagen: Träumt groß, dann könnt ihr auch Großes erreichen.“

Die Friedenstreck-Teilnehmer singen ein eigens für die Reise gedichtetes Lied

Auch Schulleiterin Johaina Dakwar Salim ist bewegt: „So lange wie euer Weg war, ist auch unser Weg des Friedens. Wir alle sehnen uns nach Frieden und die Glocke ist eine Einladung, den Frieden zu suchen.“

Der Aufwand hat sich gelohnt

„Dass das mit dem Frieden gar nicht so leicht ist, wurde uns auf unserer Reise deutlich bewusst“, sagt eine Treck-Teilnehmerin. „Ich verstehe nun viel besser, warum Politiker so selten eine Einigung erreichen – stehen sie doch in der Öffentlichkeit und haben viel mehr zu verlieren.“

Zwei der Kutscher zeigen den Kindern mithilfe von Bildern den Weg der Glocke von Berlin nach Jerusalem. Einfühlsam beschreibt Christina Barth-Bußmann die Versorgung der Pferde während der langen Fahrt: „Die Pferde haben schwer für uns getragen, also mussten wir schauen, dass es auch ihnen gut geht.“ Die Pferde hätten immer im Freien übernachtet und so auch überwiegend ihre Kutscher und Begleiter. Barth-Bußmann wünscht sich: „Wenn ihr künftig die Glocke läutet, denkt bitte auch immer ein bisschen mit an die Pferde und das Hufgetrappel.“

Foto: Israelnetz/mh
Beim Läuten der Glocke sollen sich die Schüler an das Hufgetrappel der Pferde erinnern

Nach der Übergabe der Glocke zeigt sich die Kutscherin erleichtert: „Manches war lange überhaupt nicht klar. Und während der Fahrt haben wir uns manchmal gefragt, ob man sich in Jerusalem überhaupt auf uns und die Glocke freut.“ Doch nach der Übergabe ist sie überzeugt: „Der ganze Aufwand hat sich gelohnt. Und es war so schön zu sehen, wie die Kinder heute Morgen aufgeregt ihre Glocke läuteten.“

In den Berichten klingt auch an, dass die Reise nicht immer ganz nach Plan verlief. Vor einem halben Jahr war der Treck in Brandenburg und Berlin gestartet. Weiter ging es durch Österreich, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Doch an der Grenze zur Türkei bekam der Treck keine Einreisegenehmigung und die Vereinsmitglieder entschieden sich, nach Griechenland zu fahren.

Bis dahin hatten sie 3.500 Kilometer zurückgelegt. In Thessaloniki stellten die Kutscher fest, dass sie die Pferde nicht nach Israel einführen könnten. „Also schickten wir sie zurück nach Deutschland“, erzählt Barth-Bußmann.

„Die Reise unseres Lebens“

Dass die Glocke nicht etwa mit dem Auto oder Flieger, sondern mit Kutschen ins Land transportiert wurde, erklärt Vereinsmitglied Alexander Castell so: „Pferde sind Sympathieträger. Das haben wir auf der ganzen Strecke gemerkt, wo wir immer wieder viel Hilfe und Offenheit erfahren haben.“

Foto: Israelnetz/mh
Alexander Castell: „Hallelujah für die Bewahrung auf der langen Strecke“

Castell, dessen Frau als Kutscherin mitfuhr, ist froh, dass die Glocke nun ihr Ziel erreicht hat: „Für Viele war es die Reise unseres Lebens.“ Und nachdem die Schüler das Lied „Hallelujah“ von Leonard Cohen gesungen haben, fügt der Christ hinzu: „Diesem Aufruf möchte ich mich anschließen: Halleluja, Lob sei Gott, dass wir auf der langen Strecke bewahrt geblieben sind und in dieser schönen Stadt und Schule gesund und ohne größere Zwischenfälle angekommen sind.“

Foto: Israelnetz/mh
Friedenstreck-Teilnehmer Karl-Dietmar Plentz mit einer Lehrerin: „Die Glocke hat es nach Jerusalem geschafft.“

Als Kutscher Helge Bachmann die Glocke offiziell an die Schüler übergibt, läuten ein jüdisches und ein christliches Mädchen sowie ein muslimischer Schüler sie gemeinsam.

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