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Wie Israel international ins Unrecht gesetzt wird

Wenn es um israelische Siedlungen geht, kommen viele schnell mit dem Begriff „völkerrechtswidrig“. Doch aus Sicht des Theologen Josias Terschüren gibt es keinen Anlass, den jüdischen Staat dafür zu verurteilen. Argumente dafür hat er in einem Seminar in Berlin dargelegt.
Referent Josias Terschüren vor einer Landkarte – sie zeigt die Waffenstillstandslinien zwischen Israel und den arabischen Ländern nach dem Unabhängigkeitskrieg, der 1949 endete

BERLIN (inn) – „Eigentlich ist alles ganz klar“, sagt Josias Terschüren. In seinem Seminar über „Israel im internationalen Recht“ weist er auf die fundamentale Bedeutung der Entscheidungen der internationalen Gemeinschaft nach dem Ersten Weltkrieg hin. Diese sprechen dem jüdischen Staat das Recht auf das gesamte Staatsgebiet des heutigen Israels, das Westjordanland und den Gazastreifen zu, aus dem sich Israel in 2005 unilateral zurückgezogen hat. Die rechtliche Grundlage Syriens, Iraks und des Libanons sei die gleiche, wie die Israels. Die rechtliche Legitimation dieser Nationen speise sich schließlich aus denselben rechtlichen Dokumenten und Entscheidungen der damaligen Zeit.

Ausgangspunkt ist für den politischen Analysten und Theologen nicht die weltbekannte „Balfour-Erklärung“ vom 2. November 1917, in der die britische Regierung den Juden ihre Unterstützung einer Heimstätte in Palästina zusicherte. Bereits am 4. Juni 1917 hatte der Generalsekretär des französischen Außenministeriums, Jules Cambon, an den führenden Zionisten Nahum Sokolow geschrieben. In dem Brief bekundete er sein Wohlwollen gegenüber einer „Wiedergeburt“ jüdischen Lebens in dem Land, „aus dem das Volk Israel vor so vielen Jahrhunderten vertrieben worden ist“. Frankreich habe also anerkannt, dass die Juden ein Recht auf Rückkehr hätten. Das gehe über die Worte des britischen Außenministers Arthur James Balfour hinaus.

Weiter heißt es in dem Schreiben: „Die französische Regierung, die in den aktuellen Krieg eingetreten ist, ein fälschlicherweise angegriffenes Volk zu verteidigen, und die den Kampf fortsetzt, um den Sieg des Rechts über Macht zu gewährleisten, kann nichts als Sympathie für Ihr Anliegen empfinden, dessen Triumph mit dem der Alliierten eng verknüpft ist.“

Die Unterstützung des britischen Kabinetts, die sich im Schreiben des Außenministers Arthur Balfour ausdrückte, sei vor dem Hintergrund dieses französischen Schreibens zu verstehen, man wollte den Franzosen nicht nachstehen, führt Terschüren weiter aus. Auch der Vatikan in Person von Papst Benedikt XV. und die Vereinigten Staaten unter US-Präsident Woodrow Wilson hätten das Anliegen unterstützt, ebenso wie China und Siam, wie Thailand damals hieß.

San Remo: „Bestes Gründungsdokument des Staates Israel“

Terschüren engagiert sich seit acht Jahren als politischer Verbindungsmann verschiedener Organisationen in der Politik, seit 2015 bei der „Initiative 27. Januar“, die das Gedenken an den Holocaust lebendig halten will. Gleichzeitig tritt sie gegen Antisemitismus und für gute Beziehungen zwischen Deutschland und Israel ein. Deshalb ist es ihm wichtig, über historische Fakten im Bezug auf die Vorgeschichte der israelischen Staatsgründung aufzuklären, damit ein fairer Umgang mit Israel möglich wird. Ein wichtiger Grundstein ist dabei seiner Meinung nach die Konferenz der Entente-Mächte in San Remo, deren Beschlüsse ernst zu nehmen seien.

In der nordwestitalienischen Stadt trafen sich am 25. April 1920 Vertreter der Länder Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan. Die USA waren als Beobachter ebenfalls repräsentiert. Die Abschlusserklärung ist bislang nicht offiziell ins Deutsche übersetzt, was Terschüren bezeichnend findet. In San Remo wurde beschlossen, dass die Balfour-Erklärung umgesetzt werden und Großbritannien das entsprechende Mandat dafür erhalten sollte. Das Mandatsgebiet Palästina, in dem die jüdische Heimstätte entstehen sollte, umfasste damals das heutige Israel inklusive Jerusalem, die palästinensischen Autonomiegebiete und Jordanien. Die im Abschluss-Memorandum der Resolution von San Remo wortwörtlich zitierte Balfour-Erklärung habe sich durch die Annahme der Siegernationen des Ersten Weltkrieges auf der Konferenz von einer unilateralen Absichtserklärung Großbritanniens zu bindendem internationalem Recht gewandelt.

Um dieses Gebiet ging es 1920 in San Remo Foto: Public Domain
Um dieses Gebiet ging es 1920 in San Remo

Der Experte für internationales Recht Howard Grief betrachtet die Resolution von San Remo als „das hervorragendste Gründungsdokument des Staates Israel und die krönende Errungenschaft des prä-staatlichen Zionismus“. Sie sei „der beste Beweis dafür, dass das ganze Land Palästina und das Land Israel anhand von internationalem Recht exklusiv dem jüdischen Volk gehören“.

Zwei Jahre später bestätigte der Völkerbund die in San Remo ausgehandelte Entscheidung und kreierte das britische Mandat für Palästina. Die Präambel des Mandatstextes spricht von der „historischen Verbindung des jüdischen Volkes mit Palästina“ und nutzt explizit den Terminus der „Wiederherstellung ihrer Nationalen Heimstätte“, merkt der Referent an. Damit habe der Völkerbund ein bestehendes Anrecht des jüdischen Volkes am Land Palästina und damit implizit auch an Jerusalem aufgrund historischer Tatsachen anerkannt. Artikel 11 des Mandats wiederum ermutige expressis verbis zur Errichtung jüdischer Siedlungen. Die USA, die damals nicht Teil des Völkerbundes waren, übernahmen das Mandat 1924 in der Anglo-Amerikanischen Konvention in amerikanisches Recht.

Großbritannien nutzt Paragraphen über Ostgrenze für Teilung

Doch anstatt einen jüdischen Staat zu errichten, teilte Großbritannien das Mandatsgebiet und übergab zwei Drittel davon an die Araber – Transjordanien entstand, das später zum Königreich Jordanien wurde. Dafür hätten sich die Briten auf Artikel 25 gestützt, erklärt Terschüren bei dem Seminar, das auf Einladung von „Christen an der Seite Israels“ in der Methodistengemeinde in Berlin-Lankwitz stattfand. Darin heißt es: „In den zwischen dem Jordan und der endgültig festgelegten Ostgrenze Palästinas gelegenen Landstrichen soll der Mandatar mit Genehmigung des Völkerbundsrates berechtigt sein, die Durchführung von Mandatsbestimmungen, die ihm mit den bestehenden lokalen Verhältnissen unvereinbar erscheinen, aufzuschieben oder zurückzuhalten und solche Verfügungen für die Verwaltung dieser Länder zu treffen, die er für diese Verhältnisse für geeignet hält.“

Nun besteht der Völkerbund seit April 1946 nicht mehr. Doch die Nachfolgeorganisation, also die Vereinten Nationen, habe in Artikel 80 ihrer Charta alle Resolutionen des Völkerbundes übernommen, betont Terschüren. Deshalb seien die erwähnten Bestimmungen bis heute gültig, auch wenn sie in relevanten EU- und UN-Resolutionen grundsätzlich beiseitegelassen werden. Vor diesem Hintergrund könne nach internationalem Recht von „illegalen Siedlungen“ keine Rede sein. Auch den Rechtsanspruch Israels auf den Golan, sieht der Referent als begründet an: Das Gebiet hat es 1967 in einem Verteidigungskrieg von Syrien erobert, nachdem es von dort beschossen worden war. Es stehe also einer Lösung gemäß der Resolution 242 des UN-Sicherheitsrats nicht entgegen, wie jüngst auch die US-Regierung in ihrer Anerkennung israelischer Souveränität über die Golanhöhen argumentiert habe.

Wer israelische Siedlungen im Westjordanland als „völkerrechtswidrig“ bezeichnet, müsste dieselbe Formulierung auch mit Bezug auf den Irak und Syrien anwenden. Denn es gab gleichzeitig drei Mandate, bei denen europäische Länder als „Geburtshelfer“ für orientalische Staaten dienen sollten: Frankreich für Syrien und den Libanon sowie Großbritannien für den Irak in Mesopotamien und für den jüdischen Staat in Palästina. Syrien, der Libanon und der Irak sind heute weltweit anerkannt. Israels Existenzrecht und Anrecht an dem ihm zugesprochenen Land hingegen würden regelmäßig infrage gestellt und das obwohl die Juden bereits auf zwei Drittel des ihnen nach internationalem Recht damals zugesprochenen Gebietes verzichtet hätten.

Biblischer Hintergrund

Bereits zum Auftakt des Seminars am 15. Juni wird deutlich, dass selbst zu biblischen Zeiten das Land von Anfang an umkämpft war. Und das, obwohl Gott seine diesbezüglichen Verheißungen an Abraham, Isaak und Jakob laut der Hebräischen Bibel mehrmals wiederholte. Hingegen habe sich Israel schon in alter Zeit „humanistischer als Gott“ verhalten, indem es götzendienerische Völker nicht austilgte. „Kein Volk führt so humanistisch Krieg – zu seinem Nachteil“, nimmt der Referent Bezug auf die heutige Zeit. Das lasse sich an dem im weltweiten Vergleich geringen Verhältnis von zivilen Opfern zu getöteten Kämpfern feststellen.

Besonders umstritten war Jerusalem, auch in der Antike. Die besiegten Jebusiter kamen immer wieder zurück, um es erneut einzunehmen. Als David den Tempelberg erwerben wollte, war das Gelände in der Hand eines Jebusiters. Dieser wollte es dem König kostenfrei überlassen. Doch David bestand auf einem rechtlich abgesicherten Verkauf, ähnlich wie Abraham, als er die Höhle Machpela in Hebron erwarb. Bis heute verzichte Israel auf die Souveränität auf dem Tempelberg, obwohl er zu seinem Staatsgebiet gehöre. Die muslimische Aufsichtsbehörde Waqf habe dort das Sagen, führt Terschüren aus. Nach dem Sechs-Tage-Krieg habe Israel dies entschieden, um einen dritten Weltkrieg zu verhindern. Glaubensfreiheit herrsche dort im Gegensatz zu den israelisch kontrollierten Gebieten nur für Muslime.

Während des Osmanischen Reiches sei Jerusalem eine unbedeutende Provinzhauptstadt gewesen. Juden in aller Welt hätten bei Hochzeiten und am Pessachfest ihre Sehnsucht nach der Stadt ausgedrückt. 1863 sei mehr als die Hälfte der Bevölkerung, 8.000 von etwa 15.000 Einwohnern Jerusalems, jüdisch gewesen. Das muslimische Interesse sei hingegen erst erwacht, nachdem Israel 1967 im Sechs-Tage-Krieg den Ostteil der Stadt von Jordanien erobert hatte.

Schon damals: Israels Gegner verdrehten Tatsachen

Das internationale Recht beginnt für Terschüren ab der babylonischen Gefangenschaft Israels eine Rolle zu spielen, der jüdische Prophet Daniel sagt das Edikt des persischen Königs Kyros voraus, der den Juden Jahrzehnte später erlaubt, nach Jerusalem zurückzukehren und den Tempel wieder aufzubauen. Doch die Kontrahenten verunglimpfen die Bauleute und sprechen ihnen das Recht auf das Land ab (Esra 4,4–5,17). Bis heute nutzten Israels Gegner genau zu diesem Zweck ähnliche Strategien und verdrehten Tatsachen. Esra hingegen habe sich in Kapitel 5,17 auf internationales Recht berufen – nämlich auf besagtes Kyros-Edikt.

Die Landesverheißungen Gottes an die Patriarchen waren schon in biblischer Zeit von einer übereinstimmenden Legitimität im internationalen Recht begleitet, führt Terschüren aus. Das Prinzip „Land für Frieden“ hält er nicht nur für die Aufforderung der Weltgemeinschaft an Israel, göttliche Verheißung aufzugeben, sondern auch seine international verbrieften Rechte. Eigentlich sollte alles ganz klar sein, ist der Referent überzeugt.

Von: Elisabeth Hausen

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