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Schluchzen bei Israels „Tagesschau“

Wie die Deutschen ihre „Tagesschau“ haben auch die Israelis ihre traditionsreiche Nachrichtensendung. Am Dienstag wurde diese jedoch ohne große Vorwarnung abgeschafft. Die Moderatoren reagieren emotional.
Nach 50 Jahren ist die israelische Nachrichtensendung „Mabat“ Geschichte

Zu den Merkmalen der Israelis gehört die „Sucht“, auf der Straße, im Bus oder im Taxi zu jeder vollen Stunde den Nachrichten zu lauschen. Derartiges haben Touristen noch nirgendwo anders erlebt. Ab sofort gibt es das nicht mehr.

Zumindest werden sie nicht mehr dem traditionsreichen ersten Sender zuhören können. Am Dienstag endete die letzte „Mabat“-Sendung im 1. Fernsehkanal, die der „Tagesschau“ vergleichbar ist, mit dem Absingen der Nationalhymne, nachdem sich im Studio auch Techniker and andere Mitarbeiter in T-Shirts und anderer Straßenkleidung versammelt hatten. Als die Liedzeile „wir haben die Hoffnung nicht verloren“ erklang, flossen die Tränen.

Der Moderatorin Michal verschlug es immer wieder die Stimme. Sie musste sich vor laufender Kamera immer wieder die Tränen wegwischen. Die Reporter verabschiedeten sich, einer nach dem Anderen. „Heute vor 38 Jahren habe ich hier begonnen“, sagte der Wirtschaftsreporter und bedankte sich bei den Technikern, Kameraleuten, Fahrern und allen anderen Mitarbeitern. Ähnlich klang es am Nachmittag in den Nachrichtensendungen. „Dies ist unsere letzte Sendung“, verlautete immer wieder.

Ankündigung: zwei Stunden vorher

Am Dienstagabend wurde die „Reschut HaSchidur“, die öffentlich-rechtliche „Sendebehörde“, völlig überraschend abgeschaltet. Nur zwei Stunden vor Beginn der abendlichen „Tagesschau“ wurde mitgeteilt, dass es die letzte Sendung sein würde.

Der Gesetzgeber hat beschlossen, die traditionsreiche Sendebehörde zu schließen und an ihrer Stelle eine „Sendekorporation“ ins Leben zu rufen. Die ist angeblich noch nicht bereit, die Sendungen nahtlos zu übernehmen. Fraglich ist vor allem, was mit den zahlreichen Reportern und anderen Mitarbeitern passieren wird. Viele werden in die Arbeitslosigkeit geschickt.

Bei den vielen Abschiedsreden der Reporter klang auch Wut heraus, weil die neue „Korporation“ vielen erfahrenen Mitarbeitern, Journalisten wie Technikern, eine „kalte Schulter gezeigt“ habe. „Kol Israel aus Jerusalem“, die „Stimme Israels“, hatte schon aus dem Untergrund vor der Staatsgründung 1948 gesendet. Vor genau 50 Jahren wurden die ersten Fernsehsendungen und die erste hebräische „Tagesschau“ produziert, zunächst in Schwarzweiß und später in Farbe.

Zahllose historische Augenblicke wurden mit den Mikrophonen der professionellen Reporter aufgeschnappt. Immer wieder waren sie die Ersten, die dramatische Nachrichten in die ganze Welt hinaustrugen.

Zukunft der Mitarbeiter ist unklar

Niemand weiß, wie es weitergehen wird. Bisher wurde der letzte Sendetermin immer wieder hinausgeschoben, weil die verantwortlichen Minister den Plänen zur Einrichtung der „Korporation“ Änderungen eingefügt und die Termine verschoben haben. Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat schaltete sich vor einigen Wochen ein, weil die neue „Korporation“ ihren Sitz nicht in Jerusalem haben werde. Aus der „Stimme Jerusalems“ könnte künftig eine „Stimme aus Modi’in“ oder aus einer anderen unbekannten Ortschaft werden. Am heutigen Mittwoch soll die Knesset die Gründung der „Korporation“ beschließen.

Der Beschluss der Regierung, den „öffentlich-rechtlichen Sender“ auszuschalten, wird zwar seit Monaten diskutiert, aber echte Klarheit hat wohl niemand. Einerseits sollte „gespart“ werden. Dann störten sich angeblich der Premierminister und Andere in der Regierung über Kritik, wobei die kommerziellen Sender, „Kanal 2“ und „Kanal 10“, wesentlich freier sind mit durchaus effektiver und schmerzhafter Kritik. Die werden weiter ungestört senden können.

Als würde die ARD abgeschafft

Eine der berühmtesten „Sehenswürdigkeiten“ Israels gibt es nicht mehr. Vergleichbar wäre es, wenn mit einer Vorwarnung von nur zwei Stunden in Deutschland plötzlich alle öffentlich-rechtlichen Sender, die ARD und ihre Dritten Programme auf einen Schlag abgeschafft würden.

Von: Ulrich W. Sahm

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