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Die Fortsetzungsgeschichte der Anne Frank

An ihrem 15. Geburtstag wird die Jüdin Eva Geiringer von der Gestapo verhaftet. Die Nazis deportieren sie ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Die dortigen Grausamkeiten überlebt die Stiefschwester der Tagebuchschreiberin Anne Frank. Ihre Erlebnisse hat sie in dem Buch „Evas Geschichte“ aufgeschrieben. Eine Rezension von Johannes Weil
Auch in der Talksendung "Markus Lanz" hat Eva Schloss ihre Lebensgeschichte erzählt.
Das Buch „Evas Geschichte“ erzählt die Biographie des jüdischen Mädchens Eva Geiringer. Sie erlebt in Wien zunächst eine unbeschwerte Kindheit. Ihre Familie ist in der Mittelschicht integriert. Mit dem Einmarsch der Nazis in Österreich beginnt für sie, wie für viele andere Juden auch, eine qualvolle Odyssee. Die Familie verlässt im Juni 1938 Österreich und flieht in die Niederlande.Nach dem Umzug nach Amsterdam scheint die Familie ein geordnetes Leben führen zu können. Doch bis Eva die Sprache lernt und Freunde findet, dauert es einige Monate. Sie kommt auch in Kontakt mit Anne Frank und deren beiden Freundinnen. Als gute Sportlerin kann Eva einige Erfolge feiern. Dies bringt ihr aber nichts mehr, als die Juden auch in den Niederlanden immer neuen Schikanen ausgesetzt werden. Zwar solidarisieren sich einige Holländer mit der jüdischen Bevölkerung und tragen freiwillig den gelben Judenstern. Doch das nutzt alles nichts. Die Familie erhält gefälschte Pässe, die sie als gebürtige Holländer ausgeben. Trotzdem nimmt das Unheil seinen Lauf. Der Leser kann im Telegramm-Stil verfolgen, welche historischen Ereignisse sich gerade abspielen und wie Adolf Hitler immer mehr Teile Europas für sich vereinnahmt. Die Familie erlebt ein Wechselbad der Gefühle, der Trennungen und des Versteckspiels, das für alle Familienmitglieder zur Belastung wird. Mitten in einem Glücksmoment – während des Frühstücks an Evas 15. Geburtstag – wird ein Teil der mittlerweile getrennten Familie von der Gestapo überwältigt.

Massive Einschüchterungen

Die Haft führt Eva in hoffnungslos überfüllte Gefängnisse. Von dort geht es unter unmenschlichen hygienischen Bedingungen in das Konzentrationslager Birkenau. Dort erlebt Eva massive Einschüchterungen und stundenlange Prozeduren. Sogar die dringende Notdurft darf sie nur auf Geheiß der Aufseherinnen verrichten. Im Lager selbst erlebt sie eine emotionale Achterbahnfahrt. Dazu gehören die wenigen entspannten und beinahe heiteren Momenten in einem System, das eigentlich auf Vernichtung ausgerichtet ist, aber auch Zeiten, in denen sie hoffnungslos ist und bereit zum Sterben. Sie wünscht sich sehnlichst, dass sie ihren Vater und ihren Bruder wiedersieht und fühlt sich auf der anderen Seite durch dessen Gebete getragen. An einem Tag begegnet sie sogar Josef Mengele, dem KZ-Arzt, der von den Häftlingen nur „Dr. Tod“ genannt wird. Mit der Zeit wächst die Hoffnung auf die Befreiung durch die Russen, die im Frühjahr 1945 Realität wird.

Quälende Sorgen um die Verwandtschaft

Für Eva geht das Auf und Ab der Gefühle weiter. Es folgt eine Irrfahrt durch halb Europa. Sie muss stark bleiben, Gott werde sie beschützen, hatte ihr ihre Mitgefangene Olga mit auf den Weg gegeben. Als sie begreift, dass sie frei ist, beginnt sie auch wieder, sich wie ein Mensch zu fühlen. Was bleibt, sind Albträume und quälende Sorgen um die Angehörigen. Sie trifft ihre Mutter wieder. Am 8. August 1945 erfahren sie in einem Brief, dass Evas Bruder Heinz den Gewaltmarsch von Auschwitz nach Mauthausen nicht überlebt hat. Auch Evas Vater überlebt das Martyrium nicht. Die Mutter heiratete später Anne Franks Vater Otto. Somit wurde Eva nachträglich zur Stiefschwester der Tagebuchschreiberin, die im Konzentrationslager Bergen-Belsen ermordet worden war. „Wir beide hatten wieder eine Hoffnung und ein neues Glück gefunden“, sagt Evas Mutter in der Rückschau zur Heirat mit Otto Frank. In einem Interview mit dem amerikanischen Verleger des Buches bekennt Eva für sich selbst, dass das Buch und ihre Geschichte Anne Franks Geschichte dort weitererzählt, wo deren Tagebuch endet. Es ist ein Buch, das eine Wundergeschichte beschreibt, von denen es noch viel mehr während des Krieges hätte geben dürfen: Das Wunder des Überlebens. Der Stoff ist sicher nicht neu, aber sich das Geschehene während der Nazi-Diktatur in Erinnerung zu rufen immer wieder wichtig. „Evas Geschichte“ ist ein packendes Buch einer Betroffenen, die sachlich berichtet, aber der es trotzdem gelingt, Emotionen beim Leser zu wecken. Eva Schloss: „Evas Geschichte: Anne Franks Stiefschwester und Überlebende von Auschwitz erzählt“, Brunnen-Verlag, ISBN 978-3-7655-4250-3.

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