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„Konvertieren? Lassen Sie die Finger davon!“

Wenn Eliyah Havemann gewusst hätte, was auf ihn zukommt, wenn er orthodoxer Jude wird, – er hätte es sich wohl nochmals überlegt. „Lassen Sie es mit dem Konvertieren! Ich werden Ihnen versuchen deutlich zu machen, warum.“ Gleich auf den ersten Seiten seines Buches „Wie werde ich Jude und wenn ja, warum?“, warnt der 38-Jährige davor, es ihm gleich zu tun.
Stammt aus einer atheistisch geprägten Familie und ist zum orthodoxen Judentum konvertiert – Eliyah Havemann.

Nirgendwo auf der Welt gibt es so viele Konvertiten wie in Deutschland, sagt Havemann. Doch nach den orthodoxen Regeln zu leben, habe seinen Preis. „Abzuraten entspricht der jüdischen Tradition, konvertieren ist theologisch nicht notwendig. Mir ist auch abgeraten worden. Wenn es jemand machen will, muss es gewollt und ernst sein“, so Havemann. Ganz offen redet er in seinem Buch darüber, was es für ihn und seine Familie bedeutet. „Das Problem ist, alleine dadurch, dass man koscher isst und den Schabbat hält, muss man sich aus vielen Dingen raushalten. Man fühlt sich dadurch schnell von anderen getrennt“, erzählt der IT-Spezialist.
Vor allem für seine Eltern – Wolf Biermann und Sibylle Havemann – sei seine Hinwendung zum orthodoxen Judentum nicht einfach gewesen. „Dass ich an einen Gott glaube, kann meine atheistisch geprägte Familie nicht nachvollziehen.“ Dabei spielt das Judentum in seiner Familie durchaus eine Rolle. Sein Großvater väterlicherseits, Dagobert Biermann, kam als Jude in Auschwitz ums Leben. Sein Vater, Wolf Biermann, hat den Verlust des Vaters in seinen Gedichten und Erzählungen verarbeitet. Spätestens seit dem Holocaust könne man nicht mehr an einen Gott glauben, so seine Überzeugung. Der Großvater mütterlicherseits, Robert Havemann, half während der NS-Zeit Juden und wurde dafür später von Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet. Mit dieser Prägung wächst der junge Eliyah – damals noch Felix – auf. In der DDR geboren, kommt er nach der Ausbürgerung seines Vaters nach Westdeutschland. Seine Mutter zieht häufig mit ihm um. „Irgendwie war ich immer ein Außenseiter“, erinnert er sich. Wie viele andere Familien in Deutschland feierte auch seine Weihnachten, ohne etwas mit der Bedeutung des Festes anfangen zu können. „Das Christliche in meiner Umgebung blieb mir fremd.“

Das Gefühl von Heimat

Mit 20 geht Havemann für mehrere Monate nach Israel, um dort in einem Kibbutz zu arbeiten. Zum ersten Mal in seinem Leben fand er etwas, wonach er immer gesucht hatte: Geborgenheit und das Gefühl von Heimat. Er beschließt, in Israel bleiben zu wollen. Das wäre auch durchaus ohne die Konvertierung zum orthodoxen Judentum gegangen. Er hätte sich auf die jüdische Herkunft seines Großvaters berufen können. Das liberale Judentum erkennt die väterliche Abstammung an. Außerdem kann man den jüdischen Glauben an einen Gott und die Torah auch leben, ohne zum jüdischen Volk zu gehören. „Aber ich wollte, dass mich alle akzeptieren und das geht nur, wenn man orthodox konvertiert“, begründet Havemann seine Entscheidung.
Zurück in Hamburg schließt er sich einer jüdischen Gemeinde an. Er beginnt, die Torah zu studieren und lernt, die 613 biblischen Gebote im Alltag anzuwenden. Drei Jahre lang dauert der Prozess. Insgesamt drei Mal muss er vor dem „Beit Din“, einem jüdischen Rabbiner-Gericht, das den Konvertierungswillen überprüft, vorsprechen. Erst dann wird er in die Mikwe, das jüdische Ritualbad, geschickt, wo durch Untertauchen der Prozess endgültig abgeschlossen wurde. Zuvor hatte Havemann sich auch beschneiden lassen.

„Bloß kein Hugo Boss kaufen“

Konvertieren sei durchaus teuer, meint er schmunzelnd. Eventuell muss man umziehen, um in der Nähe einer Synagoge zu wohnen. Auch die Küche muss koscher sein und dafür umgebaut werden. Nicht überall gebe es koschere Lebensmittel zu kaufen. Lediglich beim Kleiderkauf könne ein jüdischer Mann Geld sparen, verrät Havemann mit einem Augenzwinkern. Laut jüdischem Gesetz dürfen Leinen und Wolle nicht gleichzeitig in einem Kleidungsstück verarbeitet sein. “Jeanshosen tragen geht, aber beim Sakko fängt das Problem an.“ Je billiger, desto eher sei es in Ordnung. „Bloß kein Hugo Boss kaufen, die vermischen alles.“
Viele Gesetze klingen für Außenstehende bizarr und sind schwer nachzuvollziehen, weiß Havemann aus eigener Erfahrung und nennt das Beispiel einer Ampel. Als orthodoxer Jude darf er sie am Schabbat nicht bedienen. Als er noch in Hamburg lebte, sei sein kürzester Weg zur Synagoge über eine Ampelkreuzung gewesen. War niemand anderes da, um den Knopf zu drücken, musste er einen großen Umweg gehen. Niemals hätte er die Ampel selbst bedient.

Wenig Verständnis in der Familie

Vor allem seine Familie habe sich mit seiner Konvertierung schwer getan. Als er seiner Mutter erklärte, dass nach jüdischem Verständnis jetzt Abraham und Sara seine spirituellen Eltern seien, war sie sehr verärgert. Sie dachte, er habe sich neue Eltern ausgesucht. Das schmerzte sie sehr. Sein Vater reagierte zunächst positiver. Doch als er merkte, dass sein Sohn sich dem orthodoxen Glauben zugewendet hat, war er wütend: „Wenn du glaubst, dass ich an Gott glauben werde, dann hast du dich geschnitten“. „Ich kann es ihnen nicht übel nehmen“, meint Havemann. Immerhin sei er früher auch Atheist gewesen. Inzwischen haben sie wieder einen Weg zueinander gefunden. „Natürlich mache ich meine Gebete und esse koscher, wenn ich bei meiner Familie bin“, erzählt Havemann. „Aber mir ist auch wichtig, dass ich für sie der Sohn und Bruder bin.“
Vor seiner Konvertierung arbeitete Havemann als IT-Spezialist. In dieser Position musste er rund um die Uhr erreichbar sein. Als er anfing Schabbat zu halten, sei es schwierig gewesen, seinen Kollegen beizubringen, dass er an diesem Tag auf keinen Fall ans Handy geht und sie die alleinige Verantwortung tragen.
Inzwischen wohnt Havemann mit Frau und Sohn in Israel. Dort sei es wesentlich einfacher, seinen orthodoxen Glauben zu leben. Im Supermarkt sind koschere Lebensmittel selbstverständlich und überall gibt es koschere Restaurants. Auch wenn Havemann in seinem Buch vor einem voreiligen Entschluss zum Konvertieren warnt – er selbst kann sich ein anderes Leben nicht mehr vorstellen.
Eliyah Havemann, Wie werde ich Jude? Und wenn ja, warum?, Ludwig, 240 Seiten, € 19,95, ISBN 978-3-453-28059-5

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Eine Antwort

  1. Das warnen davor gehört zum Judentum dazu. Aber wer es wirklich will, der macht es. Es geht nicht um das drumherum, es geht um die Beziehung zu Gott, ihm die Ehre zu erweisen. Die Gebote zu halten um seines Nsmens willen.

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