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Drastische Einschränkungen ab Freitagnachmittag

Das israelische Kabinett beschließt wegen der Corona-Pandemie eine dreiwöchige Stilllegung ab dem jüdischen Neujahrsfest. Premier Netanjahu hält dies für schlüssig. Ein Minister tritt jedoch aus Protest zurück.
Ein erschreckende Vorstellung für die meisten Israelis: So sah der Jerusalemer Zionsplatz während der Stilllegung im April aus

JERUSALEM (inn) – Am kommenden Freitag um 14 Uhr wird das öffentliche Leben in Israel für drei Wochen auf das Notwendigste reduziert. Der „Lockdown“ trifft alle Lebensbereiche. So werden sich israelische Bürger nicht weiter als 500 Meter von ihrer Wohnung entfernen dürfen. Versammlungen werden drastisch eingeschränkt. Das alles hat Premierminister Benjamin Netanjahu am Sonntag im Rahmen einer im Fernsehen live übertragenen Pressekonferenz verkündet.

Die Sperre wurde für die ganze Zeit der hohen jüdischen Feiertage verhängt, von Rosch Haschanah, dem Neujahrsfest, bis Simchat Tora, dem Fest der Tora-Freude. Rosch HaSchanah beginnt am Abend des 18. September, Simchat Tora wird in Israel am 10. Oktober gefeiert. Dazwischen liegen der Versöhnungstag (Jom Kippur) am 28. September und der Beginn des einwöchigen Laubhüttenfestes (Sukkot) am Abend des 2. Oktober.

Netanjahu: „Israel steht im weltweiten Vergleich gut da“

Während der Feiertage sei die israelische Wirtschaft ohnehin rückläufig, sodass der wirtschaftliche Schaden durch die Sperre relativ gering ausfalle, sagte Netanjahu weiter. Aber es sei eine Chance, die Corona-Pandemie wirksam zu bekämpfen.

Laut Netanjahu steht Israel weit besser da als die meisten anderen Länder der Welt. Experten bezweifeln dessen Darstellung, zumal Israel eine Welle von Neuansteckungen durchmacht. Doch die Zahlen hingen nicht mit den Erkrankungen zusammen, sagte Netanjahu, sondern mit den intensiven Überprüfungen: Wo nicht geprüft werde, könnten auch keine Neuerkrankungen gemeldet werden.

Die Bevölkerung verliert zunehmend das Vertrauen in die verwirrenden und teilweise widersprüchlichen angekündigten Maßnahmen. So seien kulturelle Veranstaltungen in Parks verboten, doch Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmern vor der Residenz des Premierministers in Jerusalem seien erlaubt. Die Begründung: Demonstrationen und Proteste seien in einer Demokratie wie Israel ein Grundrecht der Bürger und könnten allein deshalb nicht verboten werden. Dabei ist die Ansteckungsgefahr bei diesen Protesten besonders groß, wenn die Menschen sich umarmen und gemeinsam lauthals singen.

Minister Litzman zurückgetreten

Kritisch wurde auch die Verhängung der Einschränkungen ausgerechnet während der hohen Feiertage aufgenommen. Wohnungsbauminister Ja’akov Litzman (Vereinigtes Tora-Judentum) ist deswegen sogar zurückgetreten. Er ist ein ultra-orthodoxer Jude. Bis vor Kurzem war er der Gesundheitsminister Israels. Die Haredim betrachten es als „Stigmatisierung von Staats wegen“, wenn ausgerechnet während der Feiertage die Zahl der Versammelten in Synagogen auf höchstens 20 Menschen beschränkt wird. So könne nicht richtig gefeiert und gebetet werden.

Die Sperre betrifft auch die weniger religiösen Israelis, die daran gehindert werden, traditionelle Geschenke einzukaufen. Denn außer Supermärkten und Apotheken sollen auch alle „überflüssigen Geschäfte“ verriegelt bleiben, also Läden, wo es Geschenke oder schöne Kleidung zu kaufen gibt. Man stelle sich in Deutschland eine solche Sperre in der Zeit vor Weihnachten vor, wenn alle Menschen Geschenke einkaufen wollen.

Kritik kam auch aus der Opposition: Der frühere Bildungsminister Naftali Bennett (Jamina) sagte, die Maßnahme sei ein „Hammerschlag“ für kleine Betriebe, Selbständige und Arbeitslose. Oppositionsführer Jair Lapid (Jesch Atid) forderte Netanjahu auf, die Bevölkerung um Entschuldigung zu bitten und seine Unfähigkeit beim Umgang mit dem Coronavirus einzugestehen.

Am Sonntag registrierten die Behörden nach Angaben des Gesundheitsministeriums 3.167 neue Fälle, das waren 9,1 Prozent aller Tests. In Israel sind 40.347 aktive Fälle bekannt. 519 Menschen sind ernsthaft an dem Virus erkrankt, 144 werden beatmet. Bislang sind 1.119 Patienten im Zusammenhang mit COVID-19 gestorben.

Von: Ulrich W. Sahm / eh

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