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Jüdischer Trauertag mit vielen Anlässen

Der Trauertag Tischa BeAv beginnt am Mittwochabend. Er erinnert nicht nur an die Zerstörung der beiden jüdischen Tempel, sondern auch an Pogrome und die Vertreibung von Juden.
Auf dem Titusbogen ist dargestellt, wie die römischen Soldaten Schätze aus dem zweiten jüdischen Tempel im Triumphzug nach Rom brachten

Der 9. des Monats Av (Tischa BeAv) ist ein jüdischer Trauer- und Fastentag. Gemäß dem Hebräischen Kalender beginnt er in diesem Jahr am Mittwochabend, dem 29. Juli, und dauert den ganzen Donnerstag an bis Sonnenuntergang. An diesem Tag wird der schlimmsten Katastrophen gedacht, die das Judentum in den letzten 3.000 Jahren heimgesucht haben und die bis heute nichts an ihrer Bedeutung verloren haben.

Zweimal ist an diesem Tag der Jerusalemer Tempel zerstört worden: das geistige, religiöse und wirtschaftliche Zentrum der Israeliten im Heiligen Land. Der babylonische Herrscher Nebukadnezar schliff im Jahr 586 vor Christus den von König Salomo errichteten Tempel auf dem Berg Moria, dem heutigen Tempelberg. Daraufhin verschleppte er das Volk Israel in das Exil nach Babylonien.

Im Jahr 70 nach der Zeitrechnung zerstörten die Römer den von König Herodes wenige Jahre zuvor ausgebauten Zweiten Tempel und beendeten so die jüdische Staatlichkeit im Lande. Sie sollte erst fast 2.000 Jahre später, 1948, wieder neu erstehen. Mangels Tempel wandelte sich das Judentum grundlegend, weil es keinen Opferdienst im Tempel mehr gab. Fortan trafen sich die Juden nur noch in Versammlungsräumen (Synagogen) zu Bibellesungen und Gebeten. Die biblischen „Israeliten“ nannten Fachleute fortan „Juden“.

Vertreibung aus England und Spanien

Im Laufe der Zeit wurden noch weitere folgenreiche Ereignisse an diesem Datum hinzugefügt. 1095 nach Christus deklarierte Papst Urban II. den Ersten Kreuzzug. Im ersten Monat des Kreuzzugs wurden 10.000 Juden getötet. Zahlreiche Gemeinden im Rheinland und in Frankreich, darunter in Mainz, Speyer und Köln, wurden von den Kreuzfahrerhorden auf ihrem Weg nach Jerusalem zwecks Befreiung der Stadt von den Moslems ausgelöscht.

Im Jahr 1290 folgte die Ausweisung von Juden aus England, begleitet durch Pogrome und die Beschlagnahme von Büchern und Besitz. Ein weiteres negatives Großereignis war 1492 die Inquisition in Spanien und Portugal. Sie kulminierte in der Ausweisung der Juden von der Iberischen Halbinsel mit dem Alhambra-Edikt. Familien wurden getrennt, viele starben durch Ertränken, es gab massive Verluste von Grund und Boden. Damit begann das Exil der Sfaradim unter anderem in Nordafrika, aber auch in Amsterdam, wo der Maler Rembrandt ihnen begegnete. Am 3. August, am Morgen nach dem Ablauf der Ausweisung, segelte Christoph Kolumbus nach Westen und entdeckte im Laufe dieser Reise Amerika.

In Spanien gab es unter der muslimischen Herrschaft – ehe die Christen übernahmen – eine Hochburg jüdischer Gelehrsamkeit. Seit der Vertreibung ist das Judentum in zwei große Zweige aufgeteilt. „Sfaradim“ heißen die orientalischen Juden mit eigenen Riten und Gesängen, während es ansonsten die „Aschkenasim“ gibt, also die westlichen Juden, genannt nach ihrem Herkunftsland Aschkenas (Deutschland).

Erster Weltkrieg und Deportation

Ein weiterer Stichtag ist 1914 der Beginn des Ersten Weltkriegs, dem 75 Prozent der Juden in den Kriegsgebieten zum Opfer fielen. Nach Kriegsende wurden schwere Pogrome gegen Juden in Ungarn, Ukraine, Polen und Russland verübt.

Am 9. Av im Jahr 1942 begannen die Deportationen vom Warschauer Ghetto in das Vernichtungslager Treblinka. Und schließlich fand 1994 am gleichen Datum das Bombenattentat auf das Gebäude des Jüdisches Gemeindezentrum in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires, AMIA, statt. Dabei wurden 86 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt. Es wird vermutet, dass die libanesische Miliz Hisbollah hinter diesem Bombenanschlag steckte.

Ausnahmen wegen Corona

Unterdessen hat Israels aschkenasischer Oberrabbiner, David Lau, besondere Regeln für die Corona-Krise verkündet. Wer mit dem Virus infiziert ist, sollte an Tischa BeAv nicht fasten – auch wenn er keine Symptome zeigt. Dasselbe gelte für Genesene, die sich noch schwach fühlten. Gründliches Waschen und Desinfizieren der Hände gehöre angesichts der Pandemie auch am Fastentag zur notwendigen Hygiene, ergänzte der Rabbiner. Solche Tätigkeiten sind sonst an dem Trauertag verboten.

Von: Ulrich W. Sahm

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