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Von Schein und Wirklichkeit

Darüber, wie der jüdische Staat mit seinen Minderheiten umgeht, herrscht in Europa viel Unkenntnis. Der Vorwurf „Apartheid-Staat“ macht dann die Runde. Die Wirklichkeit hält dem nicht Stand.
Viele Vorurteile gegen den Umgang Israels mit der arabischen Minderheit erweisen sich bei genauer Betrachtung als nicht haltbar

Mehr als neun Millionen Menschen leben in Israel. Von ihnen sind knapp 6,7 Millionen Juden, knapp zwei Millionen sind Araber. Fast eine halbe Million gehört keiner der beiden Gruppen an. Oft werden Vorwürfe laut, Israel diskriminiere Minderheiten, besonders die Araber. Daher betrachten manche Israel als Unrechtsregime. Drei Vorurteile sollen im Folgenden genauer betrachtet werden.

„Israel ist ein Apartheid-Staat“

Immer wieder wird im Zusammenhang mit Israel der Begriff „Apartheid“ verwendet. Er soll auf eine angebliche rassistische Segregation zwischen Juden und Nichtjuden hinweisen. Ein Beispiel ist die Aussage von Enes Bayrakli. Der Politikwissenschaftler bezeichnete Premierminister Benjamin Netanjahu Mitte Oktober auf Twitter als „Kopf eines Apartheid-Staates“. Bayrakli ist Mitherausgeber des „Europäischen Islamophobie-Reports 2018“, der durch die Europäische Union finanziert wurde.

Der Begriff „Apartheid“ ist historisch untrennbar mit der organisierten Rassentrennung im Südafrika des 20. Jahrhunderts verbunden. Sie war durch die autoritäre, selbsterklärte Vorherrschaft der europäischstämmigen Bevölkerung über einheimische Gruppen gekennzeichnet.

Doch die Wirklichkeit in Israel ist eine andere: Arabische Bürger sind im Staat Israel den jüdischen gleichgestellt. Für sie gilt die uneingeschränkte Religionsfreiheit und das Wahlrecht. Sie können studieren, auch wenn sie in Universitäten und Hochschulen insgesamt immer noch unterrepräsentiert sind. Nach Angaben des Israelischen Rates für Hochschulbildung (CHE) hat sich die Zahl der Studenten aus dem arabischen Sektor jedoch von 2007 bis 2018 mehr als verdoppelt. Oder anders gesagt: Zwischen 2011 und 2018 ist sie um 80 Prozent gestiegen. Damals waren 26.000 Araber in höheren Bildungseinrichtungen eingeschrieben, 2018 waren es 47.000. Der Staat stellt entsprechende Stipendien bereit, sowohl für Sprachkurse, die vor dem Studium angeboten werden, als auch für die akademischen Programme selbst.

Jaffa Silberschatz, Direktorin des CHE, sagte gegenüber der Onlinezeitung „University World News“: „Eine akademische Ausbildung ist der Schlüssel, um soziale Lücken zu schließen, und um eine gute Integration in den Arbeitsmarkt sowie die israelische Gesellschaft zu ermöglichen.“ Natürlich müsse noch mehr getan werden. Doch auch die Zahl der Araberinnen, die an höheren Bildungsstätten in Israel studierten, sei signifikant gestiegen. Von den arabischen Studenten, die einen Bachelor-Abschluss anstrebten, seien 66 Prozent Frauen. Im jüdischen Bereich seien es nur 50 Prozent.

Etwa 20 Prozent Araber leben in Israel und gehören in vielen vorwiegend von Juden bewohnten Gegenden zum Stadtbild Foto: Israelnetz/mh
Etwa 20 Prozent Araber leben in Israel und gehören in vielen vorwiegend von Juden bewohnten Gegenden zum Stadtbild

Immer wieder kommt Kritik auf zu den Aufstiegschancen von Arabern in der israelischen Gesellschaft: Einer, der sich offen dazu äußert, ist Dschamal Hakrusch. Der Muslim ist seit 2016 Polizeivizepräsident. Fehler, die einem jüdischen Kollegen verziehen würden, dürfe er sich nicht leisten, sagt er. Auch in Israel gilt: Minderheiten müssen sich mehr anstrengen als Menschen der Mehrheitsgesellschaft, um auf gleiche Posten zu kommen.

Trotzdem sind Araber im Parlament vertreten und können jeden hochrangigen Posten in Politik und Gesellschaft erreichen, den auch ein jüdischer Israeli erreichen kann. Ein bekanntes Beispiel ist der Druse Ajub Kara, der bis zum Sommer für zwei Jahre Kommunikationsminister war. Sowohl der ehemalige Staatspräsident Mosche Katzav als auch der ehemalige Premierminister Ehud Olmert wurden 2011 und 2015 von arabischen Richtern des Obersten Gerichtshof zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Seit Sommer leitet der Araber Samer Hadsch-Jehida die traditionsreichste israelische Bank, die Bank Le‘umi, die von Theodor Herzl gegründet wurde.

Der Menschenrechtsaktivist Bassam Eid, der sich als palästinensischer Bürger Israels bezeichnet, sagte auf einer Konferenz Anfang November: „Dein Zuhause ist nicht dort, wo du geboren bist, sondern da, wo du in Würde leben darfst. Ich selbst wohne in Jericho. Ich sehe jeden Tag Hunderte von Frauen, die in die Siedlung Ma‘ale Adumim fahren, um dort bei jüdischen Familien sauber zu machen. Sie haben einen sehr hohen Verdienst, der ihnen ein würdevolles Leben ermöglicht.“ Er schimpft über die Boykottbewegung BDS, die den Staat Israel isolieren will. „Die Bewegung ist reine Heuchelei. Die wollen uns Palästinenser ausnutzen, uns aber nicht helfen. Sie sprechen nicht in meinem Namen.“ Eid ist überzeugt: „Die BDS-Akteure wollen vor allem nicht, dass Menschen nach Israel kommen. Denn dann würden sie erkennen, dass sich die Realität nicht mit ihren Falschaussagen deckt.“

Einer, der schon 19 Mal in Israel war, ist der Südafrikaner Kenneth Meshoe. Der Vorsitzende der „Afrikanischen Christlich-Demokratischen Partei“ sagte gegenüber der „Jüdischen Rundschau“: „Zu sagen, Israel sei Apartheid, ist eine Beleidigung. Wenn wir in Südafrika all die Rechte gehabt hätten, die die Araber in Israel haben, hätte es nicht einmal einen bewaffneten Kampf gegeben, Mandela hätte zugestimmt.“ Auch der Afrikanische Nationalkongress (ANC) hatte wiederholt den Vergleich von Israel als Apartheid-Staat bemüht. Die Jugendabteilung des ANC sprach sich hingegen nach einem Besuch in Israel dezidiert gegen diese Vergleiche aus. Außerdem stellte sie fest, dass der Vergleich ursprünglich nicht etwa durch Südafrikaner oder Palästinenser aufgekommen war, sondern aus der ehemaligen Sowjetunion stammt. Weil die arabischen Staaten gegen Israel gestanden hätten, habe auch die Generalversammlung der Vereinten Nationen 1975 Israel in einem Atemzug mit Südafrika erwähnt. Im ANC­Bericht heißt es über Israel: „Im Gegensatz zur Apartheid-Regierung in Südafrika gibt es vonseiten der Regierung keine Bestrebungen, eine bestimmte Gruppe abzusondern. In unseren Gesprächen mit Israelis spürten wir Arabern und Juden ihren brennenden Wunsch ab, in harmonischer Nachbarschaft zu leben. In Südafrika verschmähten die weißen die schwarzen Afrikaner.“ Wer den Begriff „Apartheid“ auf den israelisch-palästinensischen Konflikt anwende, mache sich mitschuldig an dem Versuch, die schwarzen Bewohner ihrer Geschichte, Kultur, Würde und Menschlichkeit zu berauben.

„Die arabische Sprache wird benachteiligt“

Vor allem in Jerusalem ist immer wieder zu hören, wie sich jüdische Verkäufer mit arabischen Kunden auf Englisch unterhalten. Das ist für deutsche Ohren sicher gewöhnungsbedürftig; Schweizern dürfte das allerdings gar nicht erst auffallen, da diese sogar an vier Amtssprachen gewöhnt sind. Im Nationalstaatsgesetz, das im Sommer 2018 verabschiedet wurde, ist als einzige Amtssprache Hebräisch festgelegt. Arabisch hat seitdem einen „Sonderstatus“. Darüber empörten sich viele israelische und ausländische Medien. Israelische Araber selbst zeigten sich größtenteils unbeeindruckt. Einer sagte: „Wir leben in einem jüdischen Staat, warum kann da nicht auch Hebräisch Amtssprache sein? Mir ist wichtig, dass ich weiter meinen Glauben praktizieren darf.“ Nach wie vor sind Straßen in den drei Sprachen Hebräisch, Arabisch und Englisch ausgeschildert, gleiches ist der Fall bei Unterlagen in Behörden. Trotzdem gilt als besser integriert, wer die hebräische Sprache beherrscht.

„Araber sind gegen den Staat Israel“

Obwohl Araber in Israel vom Wehrdienst befreit sind, melden sich viele doch freiwillig. Ein christlicher Offizier, der in ausländischen Medien nicht zitiert werden möchte, sagt stolz: „Der jüdische Staat garantiert mir Meinungsfreiheit, ich kann sogar öffentlich die Regierung kritisieren.“ Aufpassen müsse er lediglich in der arabischen Gesellschaft. „Dort darf ich nicht offen über meine Erfahrungen sprechen.“ Obwohl die arabische Bevölkerung Israels weniger als 21 Prozent ausmacht, werden 60 Prozent der Morde in arabischen Ortschaften begangen. Allein in den ersten zehn Monaten dieses Jahres waren es 76 Fälle. Oft sind häusliche Gewalt und Familienfehden die Ursache. Traditionell werden solche Probleme vom Muhtar, dem Ortsvorsteher, geahndet. Doch die traditionellen Strukturen greifen immer weniger, sodass die Polizei eingreifen muss. Die Regierung sieht sich mit dem Vorwurf der arabischen Gesellschaft konfrontiert, nicht genug zu tun, um der Gewalt Herr zu werden. Die soziale Kontrolle in den arabischen Gemeinschaften ist groß, sodass viele ihre positive Meinung gegenüber dem jüdischen Staat nur hinter vorgehaltener Hand kundtun.

Der Beduine Muhammad Kabija hat kein Problem, seine Ansichten öffentlich zu vertreten: „Ich bin Israeli und möchte mein Land verteidigen. Ich habe alle Rechte, die jeder Israeli hat. Israel schützt mich als Staatsbürger und Angehöriger einer Minderheit. Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten und in meinen Augen viel demokratischer als viele andere demokratische Staaten. Die Armee verteidigt mich, meine Familie, meine Gemeinschaft und mein Land.“

Der Offizier der Luftwaffe ist überzeugt: „Raketen, die von der Hamas oder der Hisbollah in unser Land gefeuert werden, unterscheiden nicht zwischen Juden und Muslimen. Ich bin stolz darauf, Muslim zu sein. Wer in die arabische Welt schaut, stellt fest, dass sich Sunniten und Schiiten umbringen. Muslime töten sich gegenseitig. In Israel sind Muslime und die Angehörigen anderer Religionen viel sicherer als in der arabischen Welt.“ Kabija ist stolz auf seinen Einsatz für sein Heimatland: „In der Armee dienen wir Muslime zusammen mit Juden. Wir arbeiten zusammen und laufen auf den gleichen Straßen. Wir teilen unser Leben. In meiner Familie hat ein Großteil in der Armee gedient, viele waren Offiziere in Eliteeinheiten.“

Über die Rechte von Minderheiten in Israel gibt es viele weitere Vorurteile. Die Wirklichkeit erweist sich als vielschichtiger. Oder, wie es der christliche Offizier aus Galiläa ausgedrückt hat: „Sicher ist in Israel nicht alles perfekt, aber es ist längst nicht so, wie es vielfach im Ausland beschrieben wird. Israel ist mein Heimatland und garantiert mir Frieden und Sicherheit. Würde ich in unseren arabischen Nachbarstaaten leben, würde es mich und meine Religionsgemeinschaft wohl schon nicht mehr geben.“

Von: mh

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe 6/2019 des Israelnetz Magazins. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/5667700, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online. Gerne können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.

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