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Ist der Weltkirchenrat antisemitisch?

Die israelische Organisation NGO Monitor wirft dem Weltkirchenrat vor, mit seinem Programm anti-israelische Haltungen zu fördern. Der Rat weist die Vorwürfe zwar zurück. Doch weder bringt er Gegenargumente, noch distanziert er sich von problematischen Äußerungen. Eine Analyse von Ulrich W. Sahm
ÖKR-Generalsekretär Tveit hat die israelische Besatzung mit der Nazi-Besatzung Norwegens verglichen

Die israelische Organisation NGO Monitor hat dem Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), auch Weltkirchenrat genannt, mit zahlreichen Belegen antisemitische und anti-israelische Hetze vorgeworfen. Dessen „Ökumenisches Begleitprogramm in Palästina und Israel“ (EAPPI) organisiere „Trainingslager für anti-israelisches Auftreten“, heißt es in dem am 14. Januar erschienenen Bericht.

Der Weltkirchenrat wiederum „distanziert sich vehement“ von den Anschuldigungen, wie er in einer Stellungnahme, ebenfalls vom 14. Januar, schreibt. Seit seiner Gründung 1948 kämpfe er gegen Judenfeindlichkeit, denn „Antisemitismus sei eine Sünde gegen Gott und die Menschlichkeit“.

NGO Monitor kritisiert, dass junge Menschen unauffällig in die besetzten Gebiete und nach Jerusalem geschleust würden, um als „Beobachter“, gekleidet in beige Uniformjacken mit Friedenstaube und der Aufschrift „EAPPI“, das Verhalten der israelischen Soldaten zu „beobachten“.

Als Reporter vor Ort konnte ich selbst an einem Kontrollpunkt in Hebron mitansehen, wie die EAPPI-Leute nicht nur beobachten, sondern gezielt Soldaten stören. Die Soldaten tun ihre Pflicht, wenn sie Palästinenser nach Küchenmessern, Schusswaffen oder Sprengbomben durchsuchen. Das halten die Beobachter des Weltkirchenrats dann für Schikane oder gar für eine Verletzung der Menschenrechte.

Gut finanzierte Nazivergleiche

Schlimmer noch: Die jungen Menschen der EAPPI werden dazu ausgebildet, nach ihrem Dienst in den besetzten Gebieten über ihre „Erfahrungen“ zu berichten und Israel in den schlimmsten Farben darzustellen: In ihren Heimatgemeinden und in Interviews mit der Presse vergleichen sie die Israelis mit den deutschen Nazis und behaupten, dass die Besatzung ein Apartheid-Regime wie in Südafrika sei. Offizielle Sprecher der Organisation erwähnten laut NGO Monitor sogar schon unwidersprochen israelische Gaskammern. Der Weltkirchenrat behauptet zudem, gegen einen Boykott zu sein, lässt aber seine Vertreter bei BDS-Veranstaltungen Reden halten, um für einen Boykott von Waren aus den „illegalen Siedlungen“ zu werben.

Die gut geschulten jungen Beobachter posten in den sozialen Netzwerken übelste antisemitische Karikaturen und hetzen mit einem antisemitischen Repertoire gegen den jüdischen Staat.

NGO Monitor dokumentiert die großzügige Finanzierung dieses Projekts durch Länder wie Deutschland, Schweiz, Österreich, Großbritannien, Schweden oder Japan. Kirchennahe Organisationen wie das „Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz“ (HEKS) oder „Brot für die Welt“ greifen tief in ihre Kassen.

Die Zahl der Teilnehmer, 1.800 in 16 Jahren, mag relativ gering sein, zumal sie aus mehreren Ländern stammen. Doch ihre propagandistische Wirkung ist umso größer, da sie finanziell gut gepolstert herumgereicht werden, um in Kirchengemeinden für ihre Sache zu werben. Der Weltkirchenrat behauptet gar, im Namen von 350 Mitgliedskirchen und über 500 Millionen Gläubigen zu sprechen.

NGO Monitor kritisiert auch, dass der Weltkirchenrat sein Programm nur gegen Israel durchführt und nirgendwo anders in „besetzten Gebieten“, wie auf Zypern, in Marokko, auf dem Balkan oder in Asien.

Weltkirchenrat dementiert

Der Weltkirchenrat will derart schwere Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. In der Selbstdarstellung des Projekts klingt alles harmlos und geradezu „ehrenwert“. Doch bei genauem Hinschauen kann man auch hier schon problematische Elemente erkennen.

Das 2002 gegründete EAPPI sei das „Flaggschiffprojekt“ des in Genf ansässigen ÖRK. Die erklärte Mission von EAPPI bestehe darin, „das Leben unter der (israelischen) Besatzung zu bezeugen, mit lokalen Palästinensern und Israelis zusammenzuarbeiten, um einen gerechten Frieden zu erreichen, das Engagement der internationalen Gemeinschaft in dem Konflikt zu ändern und sie aufzufordern, gegen Ungerechtigkeiten in der Region vorzugehen“.

Das Programm bringt internationale Aktivisten, genannt „Ökumenische Begleitpersonen“, in das Westjordanland. Die „Begleitpersonen“ reisen mit Touristenvisa nach Israel ein. Damit kommt es zu einer „dauerhaften Präsenz von 25 bis 30 ökumenischen Begleitern vor Ort, die drei Monate lang Palästinenser begleiten, schützende Präsenz zeigen und Zeugnis ablegen“. Es gehe um Überwachung von Menschenrechten und Berichterstattung über etwaige Verstöße, sowie um die Unterstützung lokaler Friedens- und Menschenrechtsgruppen.

Allerdings: Wenn palästinensische Journalisten widerrechtlich in Gefängnissen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) landen, Homosexuelle durch die PLO verfolgt und verhaftet werden und wenn in Gaza sogenannte Kollaborateure mit Israel hingerichtet werden, ist es für den Weltkirchenrat kein Thema.

Die Programmteilnehmer bekommen den Hin- und Rückflug nach Israel vom ÖRK finanziert, wie auch eine Unfall-, Reise- und Krankenversicherung. Bei der ersten Ankunft in Israel erhalten die „Begleitpersonen“ „ein Training von circa zehn Tagen in Jerusalem vor ihrem Einsatz“. Dabei gehe es um „Lobbyarbeit bis zur Rückkehr in die Heimat“. Danach werden Aktivisten in Ostjerusalem, Kalkilia/Tulkarm, Jericho, den südlichen Hebron-Bergen, Hebron, Bethlehem und Janun untergebracht. „Ökumenische Begleitpersonen“ kommen auch zu Kontrollpunkten und anderen Reibungspunkten zwischen Israelis und Palästinensern sowie zwischen Palästinensern und der Armee – auch in der Altstadt von Jerusalem. Um die Unterdrückung durch die palästinensische Führung kümmern sie sich freilich nicht, etwa wenn ein Araber aus Jerusalem sein Haus an einen Juden verkauft – darauf steht in Ramallah die Todesstrafe.

Lobbyarbeit in der Heimat

Vor ihrer Rückkehr gibt es für die „Begleitpersonen“ noch eine Nachbesprechung, um sie auf Lobbyarbeit in ihren Heimatländern vorzubereiten. Gemeinden, Kirchen und Regierungen sollen sie für die „Realitäten der Besatzung“ sensibilisieren. „Wir teilen Augenzeugenberichte mit Glaubensführern, Entscheidungsträgern, Medien, der Zivilgesellschaft und Wirtschaftsvertretern, so dass sie die öffentliche Ordnung ändern … Das zunehmende internationale Bewusstsein erhöht den Druck auf die Täter von Menschenrechtsverletzungen und hilft, Zivilisten vor diesen Verletzungen zu schützen.“

Dementsprechend leiten viele junge Menschen nach ihrer Heimkehr BDS-Kampagnen (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) gegen Israel. Das Projekt des Weltkirchenrates spiegelt laut NGO Monitor seine Ideologie und Theologie wider. Dazu gehört die Unterstützung „eines internationalen Boykotts von Waren und Dienstleistungen aus illegalen israelischen Siedlungen im besetzten palästinensischen Territorium“, die Ermutigung der Mitgliedskirchen, Investitionen oder andere wirtschaftliche Verbindungen zu „illegalen Aktivitäten“ in besetzten Gebieten zu vermeiden, die Förderung des Kairos-Palästina-Dokuments von 2009 und die Bekämpfung des christlichen Zionismus.

Antisemitische Äußerungen

Darüber hinaus haben führende Weltkirchenrats-Beamte die Verbindungen des modernen Israels zur jüdischen Geschichte im Land Israel geleugnet und Israel mit der Apartheid in Südafrika und Nazi-Deutschland verglichen. Zitiert wird der Generalsekretär des ÖRK, der Norweger Olav Fykse Tveit, bei der „Bethlehem-Konferenz über 50 Jahre Besetzung“. Er verglich „die Besatzung meines Landes während der fünf Jahre des Zweiten Weltkriegs“ mit 50 Jahren israelischer Besatzung. Diese Formulierungen fallen unter die Antisemitismus-Definition, wie sie von der „Internationalen Allianz zur Erinnerung an den Holocaust“ (IHRA) herausgegeben und vom EU-Parlament am 1. Juni 2017 angenommen wurde.

Robert Smith vom Ökumenischen Forum Palästina-Israel (PIEF) erklärte bei einer Konferenz zur „Perspektive palästinensischer Christen“ am 20. August 2015 mit Bezug auf das „Kairos Palästina“-Dokument: „Christliche Theologie, die den Zionismus unterstützt, ist Ketzerei … Eine solche christliche Theologie, die den Zionismus unterstützt, ist eine falsche Lehre, der man sich stellen muss …“

Das Dokument „Kairos Palästina“ fordert BDS gegen Israel, leugnet die historisch-jüdische Verbindung zu Israel in theologischer Hinsicht und gibt allein Israel die Schuld für die Fortsetzung des Konflikts. Das Dokument enthält auch eine Rechtfertigung des Terrorismus gegen israelische Bürger und nennt es „legalen Widerstand“. Darüber hinaus wird festgestellt, dass die „Wurzeln des Terrorismus“ in der „von Menschen begangenen Ungerechtigkeit und im Übel der Besatzung liegen“. Der Mitautor des Dokuments, Rifat Odeh Kassis, war von 2005 bis 2007 internationaler Koordinator und Projektleiter von EAPPI.

Bei einer Zentralausschusstagung vom 22. bis zum 28. Juni 2016 im norwegischen Trondheim riefen die ÖRK-Mitgliedskirchen, Fachdienste und ökumenische Partner dazu auf, „den christlichen Zionismus als eine Form des christlichen Fundamentalismus anzuerkennen, der insbesondere indigene palästinensische christliche Gemeinschaften gefährdet“.

Darüber hinaus gaben Tveit und Jim Winkler, der Präsident und Generalsekretär des Nationalen Kirchenrats der USA, 2016 eine Erklärung ab, in der sie argumentierten, „dass wir Parallelen zwischen der Krise in Israel und Palästina und den Kämpfen für Rassengerechtigkeit in den USA und dem Anti-Apartheid-Kampf in Südafrika sehen … Man kann nicht ein ganzes Volk viele Jahre lang unter Druck und Gewalt halten, ohne gewalttätige Reaktionen zu erwarten. Wir unterstützen keine Gewalt, aber wir wissen, dass die Menschen die Hoffnung und den Glauben an die Wirksamkeit gewaltfreier Mittel verlieren“.

Mangelnde Gegenargumente

Bemerkenswert an der „vehementen Distanzierung“ des ÖRK ist der Mangel an jeglichen Gegenargumenten zu den von NGO Monitor erhobenen Vorwürfen. Er distanziert sich auch nicht ausdrücklich von Zitaten und mit Quellenangaben belegten Äußerungen seiner Mitarbeiter, deren Aussagen eindeutig in das europäische Muster eines „Antisemitismus“ fallen. Im Gegenteil: Der ÖRK schüttet noch weiteres Öl ins Feuer, indem er sich undifferenziert für die von Israelis wie Palästinensern laut Umfragen mehrheitlich abgelehnten Zwei-Staaten-Lösung ausspricht.

Zusätzlich wird da ohne jede Rücksicht auf israelische Bedenken ein völliger Rückzug hinter die „Grenzen von 1967“ gefordert. Der ehemalige israelische Außenminister Abba Eban hat diese mal als „Auschwitzgrenzen“ bezeichnet, da der Norden und Süden Israels nur durch einen etwa 15 Kilometer breiten Korridor nördlich von Tel Aviv verbunden wäre. Diesen schmalen Landstreifen könnte keine Armee der Welt effektiv verteidigen. Gefährdet wären dann auch alle Passagierflugzeuge, die problemlos von Hügeln in Sichtweite des Ben-Gurion-Flughafens mit einfachen Flakraketen bei Start und Landung abgeschossen werden können. Und welche Folgen der bedingungslose Rückzug Israels 2005 aus dem heute von der Hamas-Organisation beherrschten Gazastreifen hatte, dürfte bekannt sein: Tausende Raketen auf israelische Städte und deren zivilen Bewohner.

Von: Ulrich W. Sahm

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